Gegen
eure Hungergesetze - Für ein Grundrecht auf Asyl - Die
Union will mit einem seit September diskutierten Gesetzesentwurf
einige - aus ihrer Sicht - die Flucht nach Deutschland fördernde
Anreize beseitigen, beispielsweise soll es mehr Sach- statt
Geldleistungen für Asylbewerber*innen geben. Auch die Kürzung der
Mittel an Geduldete, Menschen mit Schutz-Status in einem anderen
EU-Land und Umgesiedelte auf ein Minimum ist geplant, man wolle
ihnen lediglich das "physische Existenzminimum"
zugestehen. Dazu kommt die Erweiterung der Liste der sicheren
Herkunftsstaaten um Kosovo, Albanien und Montenegro. Die
Zwangsunterbringung von Flüchtlingen in Erstaufnahmelagern von bis
zu sechs Monaten ist ebenso vorgesehen.
Die
Grünen sind bei der Asylrechtsverschärfung das Zünglein an der
Waage - aber das Gesetz tragen alle.
Nach dem Gipfeltreffen zwischen Bund und Ländern am 24.09.2015 kann man aus parlamentarischer Sicht sagen: Da ist für jeden was dabei! Angela Merkel verbucht für sich nun die sogenannte Kopfpauschale. Der Bund wird ab 2016 eine Pauschale von monatlich 670 Euro pro Flüchtling übernehmen. Damit wären auch erst mal die Länder zufrieden. Aber die Verschärfungen werden auch mitgetragen. Dafür braucht man zwar einige grüne Stimmen im Bundesrat, aber derer ist man sich relativ sicher. Bremen hat Ablehnung signalisiert, Kretschmann hingegen wird dem Entwurf zustimmen. Die Grünen sind also wieder das entscheidende Zünglein an der Waage. Und wie bei der Asylrechtsverschärfung 2014 werden sie womöglich wieder einknicken. Auch die SPD kann man für dieses Entwurf gewinnen, dafür setzte sie Mittel für den sozialen Wohnungsbau in Höhe von 500 Millionen Euro durch - ein sozialdemokratisches Herzensanliegen. "Mehr kann man echt nicht wollen", heißt es aus der SPD, was aus ihrer Sicht wahrscheinlich stimmt. Die Herabsenkung von Sozialleistungen für Flüchtlinge unter das vom Verfassungsgericht definierte menschenwürdige Existenzminimum schockiert einen echten Sozialdemokraten nicht. Auch die Einstufung eines Staates wie Kosovo als sicheres Herkunftsland, in dem fünftausend KFOR-Soldaten stationiert sind, führt nicht dazu, sich eigener Widersprüche bewusst zu werden. Diese Maßnahmen der Bundesregierung gehen einher mit einer Absegnung einer verschärften Außengrenzenkontrolle der EU durch die Bundesländer. Die Ministerpräsidenten haben dem Konzept von Haftlagern, den sogenannten „Hot Spots“, an der EU-Grenze schon zugestimmt. Kommunen und Länder verlagern die Verantwortung auf den Bund, dieser wiederum auf die Außengrenzstaaten der EU. Es ist also für jeden was dabei. Nur nicht für Geflüchtete. Noch am 29.9. soll das Gesetz durchs Kabinett, dann am 15.10. im Eilverfahren den Bundestag- und -rat passieren, ab 1. November bereits gelten.
Fluchtursachen? Das sind wir.
Bereits im Sommer 2015 hatte die Bundesregierung eine Asylrechtsverschärfung unter Ausschluss der Öffentlichkeit durchgesetzt und den Weg frei gemacht für eine Ausweitung der Abschiebehaft, der Einreise- und Aufenthaltsverbote und anderer Schikanen. Zu diesem Zeitpunkt konnte noch keiner ahnen, dass Geflüchtete bald den europäischen Mauerfall praktisch umsetzen würden. "Fight Fortress Europe", eine Parole, die linke Gruppen seit Jahren rufen, wurde plötzlich Realität, indem Tausende Geflüchtete den Weg nach Europa auf sich nahmen und nehmen, über alle Meere und Grenzen hinweg, Schritt für Schritt. Ebenso wenig war absehbar, dass "Refugees Welcome" zu einem populären Label werden würde, unter dem hunderte Menschen am Münchner Hauptbahnhof Geflüchtete in Empfang nehmen und ebenso viele Menschen nach Ungarn fahren, um kollektiv zivilen Ungehorsam zu begehen, indem sie aktiv Fluchthilfe anbieten. Ganz Deutschland ist auf den Beinen, überall werden Spendenstationen errichtet, Menschen geben Deutschkurse, kümmern sich um Unterbringung und Logistik oder nehmen Geflüchtete privat auf. Ist das die Zeit, um endlich über ein grundlegendes Asylrecht zu debattieren? Über legale Einreisewege und die Bekämpfung von Fluchtursachen? Nein, offenbar nicht. Wenige Tage nachdem Angela Merkel einige Tausend Geflüchtete von Ungarn nach Deutschland durchfahren lässt, schließen sich die Grenzen wieder. Die EU einigt sich auf keine Quote, Ungarn lässt einen Zaun errichten, der Balkan ist eine Sackgasse, zwischen Serbien und Kroatien hängen Zehntausende Geflüchtete fest, niemand fühlt sich verantwortlich. Abgesehen davon wird Frontex aufgerüstet und ein Seenotrettungsprogramm gibt es immer noch nicht.
Dabei
ist immer wieder von "Flüchtlingskrise" die Rede, ein
Begriff, der zynisch wirkt, wenn man bedenkt, dass der Krieg in
Syrien seit vier Jahren andauert und seit Anfang 2014 klar war, dass
die Flüchtlingszahlen steigen werden. Noch zynischer wird es, wenn
man bedenkt, dass ein Land wie der Libanon 2 Millionen Flüchtlinge
aufgenommen hat, während sich Deutschland mit den Diktatoren von
Eritrea und Sudan trifft, um den "Kampf gegen Schlepper"
auszurufen. Die sogenannte Krise war nicht nur vorhersehbar, sie war
auch hausgemacht. Warum? Das Freihandelsabkommen mit Afrika, welches
den Ländern mehr oder weniger aufgezwungen wurde, hat den dortigen
Markt durch billigere Produkte aus Deutschland völlig zerstört und
die Kleinbauern in die Arbeitslosigkeit getrieben. Deutsche
Bundeswehreinsätze gab es auf dem Balkan und am Hindukusch. UN- und
Kriegseinsätze gab es in Somalia, im Libanon und am Horn von
Afrika. Die Waffen- und Rüstungsexporte sind 2015 drastisch
angestiegen, nun soll auch nach Mali, Jordanien, Irak, Tunesien und
Nigeria geliefert werden. Und im Fall von Syrien hält man die Füße
still. Sind das nicht die Länder, aus denen Menschen fliehen?
Die Asylrechtsverschärfung ist barbarisch und verfassungswidrig - wieder einmal.
Dass nun die Gesetze verschärft werden sollen, ist traurigerweise ebenso absehbar gewesen. Seit den 70ern wurde das Grundrecht auf Asyl sukzessive ausgehöhlt und 1992 defakto abgeschafft. Refugees Welcome ist beim Gesetzgeber eben doch nur eine leere Floskel - ebenso wie die vermeintlich unumstößlichen Grundrechte. Die Asylrechtsverschärfung 2014, die die Einstufung Serbiens, Mazedoniens und Bosnien-Herzegowinas als so genannte „sichere Herkunftsstaaten“ beinhaltete, ist nun in Karlsruhe gelandet. Mehrere Gerichtsurteile bezweifeln die Verfassungsmäßigkeit. Die Zustimmung wurde sich damals erkauft durch Bestimmungen zur Lockerung der Residenzpflicht und des Arbeitsverbotes und zur Abschaffung des Sachleistungsprinzips. Kleine Errungenschaften, die mit dem neuen Gesetzesentwurf wieder abgeschafft werden sollen. Der letzten Asylrechtsverschärfung vom Juli 2015 wird es ähnlich ergehen. JuristInnen zufolge ist die massive Ausweitung der Fluchtkriterien, die eine 18monatige Abschiebehaft zur Folge haben können, nicht nur unmenschlich, sondern steht im krassen Widerspruch zu einigen Grundrechten der BRD. Doch bis solche Gesetze von Karlsruhe einmal endgültig einkassiert werden, gehen Jahre ins Land.
Der nun geplante Entwurf treibt die Barbarei auf die Spitze. Abgelehnten AsylbewerberInnen wird lediglich etwas Geld zum "physischen Existenzminimum" zugestanden, eine Formulierung, die einem die Galle nach oben jagt. Das bedeutet, Geflüchtete liegen mit ihrem "Taschengeld" also weit unter dem Niveau der europäisch definierten Armutsgrenze. 2012 hatte das Bundesverfassungsgericht die Absenkung der Leistungen unter das Existenzminimum verboten. Das Argument, man wolle "falsche Anreize" verringern, verstößt nicht nur gegen den 1. Artikel des Grundgesetzes und gegen den europäischen Sozialpakt, es ist schlichtweg menschenverachtend. Damit wird das Bild unterfüttert, Menschen würden ihre Heimat nur wegen des üppigen Taschengeldes in Deutschland verlassen, eine rassistische Logik, die Fluchtgründe und -ursachen prinzipiell in Frage stellt. Durch den Entwurf werden vor allem Menschen aus dem Balkan-Gebiet systematisch diskriminiert, da man ihnen jede "Bleiberechtsperspektive" abspricht. Sie gelten pauschal als "Wirtschaftsflüchtlinge", ein verschmähter Begriff, der es leider nicht in den Refugees Welcome-Kanon geschafft hat. Dass in Albanien das Prinzip der Blutrache herrscht, dass in Mazedonien wieder bewaffnete Milizen aktiv sind, dass Bosnien und Serbien noch immer unter den Kriegsfolgen zu leiden haben, dass Sinti und Roma zu der am meisten verfolgten Minderheit gehören, ist für De Maizière und Co. nicht ausschlaggebend. Menschen, die aufgrund von Armut und Perspektivlosigkeit fliehen, sind aber Flüchtlinge. Sie verlassen ihre Heimat nicht freiwillig. Aber genau ihnen wird nun eine geringe Anerkennungsquote unterstellt, weshalb sie in den Erstaufnahmelagern bleiben müssen, um von dort aus nach sechs Monaten wieder abgeschoben zu werden. Arbeitsverbot und Residenzpflicht, rassistische Instrumente zur Isolation und Abschreckung, sollen wieder eingeführt und jede Möglichkeit auf Integration unterbunden werden. Damit wird für eine ganze Flüchtlingsgruppe nicht nur die Einzelfallprüfung im Asylverfahrensgesetz einfach so außer Kraft gesetzt, es ist eine gruppenbezogene Entrechtung sondergleichen!
Gegen eure Hungergesetze - Für ein Grundrecht auf Asyl!
Mit diesem Gesetz konterkariert die Bundesregierung alle Fluchtursachen, die sie mit zu verantworten hat, sie übergeht die Tatsache, dass es keine legalen Einreisewege nach Europa gibt, sie verhöhnt die Geflüchteten und all die Hilfsbereitschaft etlicher ehrenamtlicher Initiativen. Alle Kämpfe für ein Bleiberecht werden von den Parteien in regelmäßigen Abständen zerschmettert. Jede Idee für ein adäquates Einwanderungsgesetz wird durch Vorstöße der Wirtschaftsverbände zu einem Gesetz der Verwertungslogik umgedichtet. Die qualifizierten Flüchtlinge dürfen möglicherweise bleiben, müssen aber jeden unterbezahlten Drecksjob annehmen, den ihnen die Agentur für Arbeit andreht, sonst verlieren sie ihren Aufenthaltsstatus. Sie sind mit noch weniger Rechten ausgestattet als der Billiglohnsektor und müssen auf dem Arbeitsmarkt als Lohndumping-Konkurrenten gegen andere ArbeiterInnen-Gruppen herhalten. Während also die eine Flüchtlingsgruppe langsam ausgehungert werden soll, indem ihnen das "Taschengeld" gestrichen wird, soll die andere Flüchtlingsgruppe in die potentielle Sklaverei getrieben werden. Das ist Refugees Welcome für KapitalistInnen. Und die Bundesregierung schafft die Grundlage dafür. Das Gesetz ist also aus mehrerlei Gründen abzulehnen.
Es liegt nicht nur in der Verantwortung von ProAsyl, Antira-Gruppen und Kirchenverbänden, sich gegen die geplante Entrechtung von Geflüchteten auszusprechen. Gerade die ehrenamtlichen Hilfsprojekte und -organisationen täten gut daran, ihre Stimme dagegen zu erheben, nicht nur weil die staatlichen Aufgaben weiter auf sie abgewälzt werden, sondern weil Refugees Welcome eben auch bedeutet, sich grundsätzlich für die Rechte von Geflüchteten einzusetzen. Ebenso braucht es linke Utopien und Lösungsvorschläge, die sich mit der derzeitigen Fluchtbewegung beschäftigen.
Wir wollen nicht nur helfen, den Missstand zu verwalten, denn wir glauben, dass der sich nicht in den Flüchtlingszahlen begründet, sondern in den produzierten Fluchtursachen und in den verpassten Chancen, eine menschenwürdige Unterbringung und Versorgung zu gewährleisten. Wir wollen offene Grenzen und ein europäisches Asylsystem, welches Grund- und Menschenrechte beachtet. Wir lehnen die derzeitigen Unterbringungskonzepte der Regierung ab, die Geflüchtete in Zelte, Container und Massenlager steckt - noch dazu in Gegenden, wo Geflüchtete Ziel rassistischer Angriffe werden oder aufgrund der Isolation kaum Zugang zur sozialen und ökonomischen Infrastruktur haben. Eine adäquate und dezentrale Unterbringung für Geflüchtete in eigenen Wohnungen ist möglich und notwendig. Jeder hat das Recht auf Privatsphäre und Schutz. Wir fordern des weiteren ein Grundrecht auf medizinische Versorgung für alle Geflüchteten und damit die Abschaffung der bisherigen Zettel-Bürokratie, die der Laune des Sozialamts unterliegt. Medizin, Beratung, Begleitung, Deutsch- und Integrationskurse, Bildungs- und Weiterbildungsangebote sind grundsätzliche Rechte für alle Menschen - wie auch das Recht auf Arbeit. Wir setzen uns ein für ein Ende der Ungleichbehandlung von Geflüchteten und lehnen die Einteilung in "gute" und "schlechte" Flüchtlinge ab. Wir fordern ein Grundrecht auf Asyl, welches Armut und jedwede Form der Unterdrückung und Ausbeutung ebenso berücksichtigt wie Kriege und politische Verfolgung.
Nein
zur Asylrechtsverschärfung! Nein zur Festung Europa!
Bleiberecht und Bewegungsfreiheit für alle!
Für ein freies und solidarisches Miteinander!
Organisiert Demos, schreibt Protestbriefe,
Mehr Infos hier: http://stopasyllaw.blogsport.eu/
Und: http://www.asylrechtsverschaerfung-stoppen.de/
#stopasyllaw
"Ebenso braucht es linke Utopien und Lösungsvorschläge"
Exakt. Vor allem letzteres. Mal angenommen, es kommen dieses Jahr noch über eine Millionen Menschen zusammen. Murphy schlägt bekanntermaßen immer dann zu, wenn es am ungünstigsten ist und es wird ein langer, harter Winter. Wo bitteschön sollen dann die vielen Menschen menschenwürdig untergebracht werden? Ich bin mal auf tragfähige Konzepte gespannt.
Danke!