Sexismus vereint

Rafael Santeria und Axel Reitz
Erstveröffentlicht: 
03.07.2015

Das VICE-Magazin veröffentlichte letzte Woche ein Interview mit dem Porno- und Selbstdarsteller, sowie selbsternanntem Hatefucker Rafael Santeria. VICE as usual könnte man meinen. Ein Interview mit einem unkonventionellen, durchgeknallten, irgendwie alternativen Typ mit einem scheinbar intellektuellen Habitus. Für Sechel ist Santeria vor Allem interessant, da er über Jahre in der autonomen Szene NRWs verkehrte und am 29. Juni ein Video mit der ehemaligen Nazigröße Axel Reitz veröffentlichte.

 

Rafael Santeria ist seit 2013 das neue Ich des 27-jährigen Fabian, das er über die Firma Eronite und seiner eigenen Website promotet und verkauft. Im VICE-Interview, sowie auf Facebook, seinem Youtube Account, anderen sozialen Netzwerken und Blogs verbreitet er eine krude Mischung aus Selbst- und Frauenhass, der sich auch in seinen Filmen niederschlägt. Explizit hat er sich „misogyn“ über seinen Penis tätowiert, damit auch sofort klar ist, um wen es sich bei ihm handelt und das hinter seinem Hatefuck auch eine scheinphilosophische politische Idee steckt. Fabian wird in seinen Beiträgen auch nicht müde immer wieder zu betonen, dass er lange Zeit in der antifaschistisch- autonomen Szene NRWs aktiv war, aus der er vor einigen Jahren „psychologisch ausgestiegen“ sei. Nun veröffentlichte er ein 22-minütiges Video, dass ihn mit dem durch seine Zeit als aktiver Neonazi bekannt gewordenen Axel Reitz beim Spazierengehen mit seiner Dreh- und Beziehungspartnerin und einem Schäferhund zeigt. Er selbst bezeichnet es auf seinem Youtube-Kanal als „Aussteigergespräche: Axel Reitz und Rafael Santeria über Erotik als Freiheit!“, indem sie über das „Emanzipationspotential von Sexualität und Erotik“ sprechen. Wirklich emanzipatorisch erscheinen die Ausführungen der beiden zu Neonazis, die sich in ausländische Frauen verlieben und zu Unterdrückung der Sexualität in der autonomen und Neonazi-Szene jedoch nicht. Einen Großteil der Zeit verwenden die beiden darauf sich gegenseitig in ihrem reaktionären Frauenbild und antifeministischer Einstellung zu bestätigen und ein Schreckens-Bild des (autonomen) Feminismus zu zeichnen, der zum „Krieg der Geschlechter“ (Reitz) führen würde.

 

Fabian begründet seine misogyne Haltung mit schlechten Erfahrungen mit seiner Mutter, Frauen in seiner Kindheit und der autonomen Szene, die sein Ich und sein Moralempfinden dominiert hätten. Nach jahrelanger psychologischer Beratung und Therapie, hat Fabian nun angefangen sich selbst in einer ausführlichen professionellen Selbstdarstellung als intellektueller, freier Pornodarsteller zu therapieren. Er selbst bezeichnet dies hochtrabend als den Versuch „seine verkrüppelte Selbstdarstellung ins kollektive Unbewusste zu verpflanzen“. Mit Axel Reitz, der sich selbst eine Zeit lang der „Hitler von Köln“ nannte, hat er einen ebenbürtigen Selbstdarsteller gefunden, der seine Vorstellung von Frauen und Feminismus ebenso teilt, wie einen gemeinsamen Freundeskreis in der Gang-Bang-Szene. Was die beiden ebenso verbindet, ist der Drang nach öffentlichem Tabubruch. Denn der ist es, den Fabian immer wieder zelebriert, indem er seine antifaschistische, linksradikale Vergangenheit betont aus der er sich heroisch selbst befreit habe; durch die Produktion von Pornos, in denen er Frauen dominiert und demütigt.

Dazu passt Fabians Kritik am Feminismus, die sich damit begnügt Geschlechterrollen zu naturalisieren, indem er Sexismus und grenzüberschreitendes sexuelles Verhalten als evolutionär bedingt darstellt. Es ist der hilflose Versuch seine Misogynie, die seiner persönlichen Sozialisation entstammt, biologisch begründbar zu machen und steht konservativer und NS-Ideologie sehr nahe. Axel Reitz, dessen vermeintlicher Ausstieg aus der militanten Neonaziszene 2012 nicht nach einem ideologischen Bruch mit dem NS aussieht, ist die logische Anlaufstelle für Fabian auf dem Weg zum nächsten „Tabubruch“ und damit verbundenem Ruhm und Anerkennung in der weiten Welt des Internets. Reitz sieht in der Sexualität die „Triebfeder jeder Kultur“ und das Dritte Reich als positives Beispiel für einen offenen Umgang mit Körperlichkeit, sodass für ihn ein offener Umgang mit Bordellbesuchen keine ideologische Bruchstelle mit dem Nationalsozialismus darstelle und in der Neonaziszene nie ein Problem gewesen sei, da die Rechte ohnehin sexistisch sei. Soziale Konstruktion von Geschlecht hält Reitz für totalen Blödsinn, genauso wie Milieutheorien. Es zeigt sich deutlich, dass Reitz ideologisch immer noch im völkisch-biologistischen NS-Weltbild verhaftet ist. Fabian bejaht seine Ausführungen stets. In einem Punkt haben die beiden Pseudophilosophen jedoch recht: Sex kann ideologische Grenzen überwinden. Für diese Erkenntnis bedarf es jedoch keiner 20-minütigen antifeministischen Plauderei. In ihrem Fall ist neben dem Sex beim Gang-Bang-Event hauptsächlich der Sexismus die vereinende Komponente.

Fabian selbst beglückwünschte sich am 2. Juli für seinen „PR-Endkrieg“, bei dem er neue Partner und Freunde gefunden habe. Anerkennung bekommt er auch auf seiner rund um die Uhr betreuten Facebook Seite: aus dem Pornobusiness, aus „Fan“- und Freundeskreisen und von ehemaligen Genossen. Dies ist mehr als problematisch und gilt es anzugreifen. Es handelt sich mitnichten um einen rein provozierenden Tabubruch, wie nicht nur sein Gespräch mit dem NS-Nostalgiker Axel Reitz zeigt. Sein sexistisches Weltbild wird ebenso in einem Gastbeitrag bei dem sich selbst als feministisch verstehenden Blog „Secret-Talk“ deutlich, indem er Homo- und Bisexualität als reine soziale Konstruktion beschreibt und erklärt Frauen und Lesben zu hassen. Die Figur des Rafael Santeria scheint aus tiefstem Herzen dem Selbstbild Fabians zu entsprechen. Er verbindet mit seinen Produktionen eine politische Idee, indem er sie dem Feminismus als vermeintlich emanzipatorisch entgegensetzt. Damit steht er in der autonomen Szene nicht alleine. Dass Fabian gemeinsam mit immer noch in der autonomen Szene aktiven Menschen befreundet ist und provozierend linke Räume besucht, die einen Schutz vor Frauenfeinden wie ihm darstellen sollten, sollte öffentlich debattiert werden.

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Nach Reitz' Ausstieg, der nicht ideologisch begründet war, sondern vielmehr auf der Hoffnung auf Straferlass beruhte, verweigerten ihm antifaschistische Zusammenhänge und Medien eine Bühne zur weiteren Selbstproduktion. Bei "Rafael Santeria" ist er nun an der richtigen Adresse angekommen.

Es ist zum Verrücktwerden mit diesem Rafael Santeria. Zur selbsterklärten Philosophie als "Pornoproduzent" bei im Artikel genannter Erotikschmiede gehört es, selbst nicht als Darsteller in Erscheinung zu treten, um eine professionelle Distanz zu wahren und "um den Darstellern gegenüber angemessen auftreten zu können" (O-Ton Stanteria). In einem Interview mit den Pornotextern schlägt er genau solche Töne an. Interessant zu sehen jedenfalls, dass genau dieser Santeria (Fabian) mittlerweile aktiv in der Darstellerszene mitmischt und seinen tätowierten, nackten Körper mit dem stetig geilen Schwengel überall präsentiert. Mittlerweile hat er sich wohl zumindest von seiner frauenverachtenden Weltansicht verabschiedet - oder zumindet aus PR-Gründen dies so vorgeschoben. Ich bin gespannt, was er so in zehn Jahren treiben wird, wenn er merkt, dass ein Nomaden-Sein verbunden mit täglichem Schnorren nach Kost und Logis vielleicht doch nicht das Gelbe vom Ei ist.