Am Mittwoch der letzten Woche (6. Mai 2015) wurden in mehreren süddeutschen Bundesländern Neonazis durchsucht und festgenommen, die als die Drahtzieher_innen einer, als terroristische Vereinigung eingestuften, Gruppe namens „Oldschool Society“ (OSS) gelten. Der Gruppe wird vorgeworfen, Anschläge gegen Flüchtlingsheime und Moscheen geplant zu haben. Auch eine antifaschistische Demonstration in Bitterfeld soll Ziel ihrer Anschlags-Planungen gewesen sein.
Dass die Gruppenmitglieder eine
eigene Facebookseite betrieben und offen auf Fotos posierten, führte
dazu, dass sie Truppe in der Presse als „Deutschlands dümmste
Terrorgruppe“ verspottet wurde. Allerdings gilt: Es braucht kein
Chemie-Studium, um einen Molotov-Cocktail in ein Flüchtlingsheim zu
werfen und so sind auch noch so dilettantisch auftretenden
Neonazi-Gruppen tödliche Anschläge zuzutrauen.
Auch in Berlin
gibt es scheinbar Anhänger der OSS.
Die Spur führt nach Berlin-Buch
Schon
früher hatte der Pankower Neonazi Dennis Casper seine Sympathie mit
der OSS bekundet. Auf seinem Facebook-Account teilte er im Dezember
2014 und Januar 2015 deren Bilder. Als er am 6. Mai von den
Durchsuchungen erfuhr, änderte er sein Facebook-Profil und
solidarisierte sich erneut mit der OSS, indem er ihr Logo als
Profilbild benutzte. Dass er deren ideologisches Konzept ganz im
Sinne des historischen Nationalsozialismus teilt, zeigte er nicht
zuletzt mit einem T-Shirt, das er bei einer NPD-Kundgebung am 10.
April 2015 im Prenzlauer Berg trug. Darauf prangte der Slogan „Wir
woll'n Beweise“. Es ist ein Bezug auf ein Lied des
Neonazi-Liedermachers Erich Kemper, der damit die Ermordung von sechs
Millionen Jüdinnen und Juden leugnete. Wem dieser Kontext anhand des
T-Shirts nicht sofort klargeworden sein sollte, dem wird durch
Caspers langjährigen Kameraden Michael Gehler geholfen, der auf
Facebook ein Video der Holocaustleugnerin Ursula Haverbeck anhängte.
Doch Casper teilt noch mehr mit der OSS, nämlich die strategische
Ausrichtung auf gewalttätige Übergriffe und seine Anbindung an das
Rechtsrock-Millieu.
Langjährige Karriere in der Berliner Neonaziszene
Bereits in den späten 1990er Jahren war Dennis
Casper gut vernetzt in der Berliner Neonazi-Szene. Er organisierte
sich in der Kameradschaft Pankow. Mit der damals dominanten
Kameradschaft Germania fuhr er bundesweit auf Neonazi-Aufmärsche.
Auf dem Rückweg von einem solchen griff er 1999 mit weiteren
Neonazis mehrere Punks an der Raststätte Stolpe an und verletzte sie
schwer. Mit dabei waren die Neonazis Michael Gehler, Percy Sauer,
Chris Fröscher, Marco Oemus, Alexej Schwabauer, Sebastian Schurak
und Lutz Giesen. Gehler und Giesen waren damals unter anderem in der
inzwischen verbotenen „Heimattreuen deutschen Jugend“ (HDJ)
organisiert. Giesen ist darüber hinaus bis heute gefragter Redner
auf Neonazidemonstrationen. Marco Oemus entstammt der Treptower
Hooligan-Szene und war bis vor kurzem als Ordner an vielen
NPD-Aktionen in Berlin beteiligt, bis er sich mit dem Berliner
NPD-Vorsitzenden Sebastian Schmidtke überwarf. Sauer und Fröscher
sind heute im Berliner Gremium-Chapter „Dark7Side“,
das von von dem Neoanzi Lars Burmeister geführt wird.
Casper
blieb auch nach Auflösung der erwähnten Kameradschaften in Berlin
als Neonazi aktiv. Im Jahr 2005 fuhr er mit 11 Neonazis der
Kameradschaft Tor zum jährlichen Rudolf-Hess-Gedenkmarsch nach
Wunsiedel. Dort lief er in einheitlichem Dresscode im KS Tor-Block
mit. Die Gruppe wurde ein halbes Jahr später verboten.
Zitat „Fight Back #2“ (2003)
„10. Juli 1999 – Zwei VW-Busse voll mit 16 Nazis aus Berlin und Brandenburg sind auf dem Rückweg von einer Nazi-Demo in Hamburg. Auf dem Rasthof Stolpe treffen die Nazis aus dem Spektrum der Kameradschaft Germania auf eine Gruppe acht junger Punks. Die Nazis vermummen sich, bewerfen die Punks mit Flaschen und Steinen und schlagen mit einer Eisenstange auf den Bus der Punks ein. Zwei Punks werden bei diesem Angriff schwer verletzt. Anschließend springen die Täter in ihre Bus und fahren ein Stück in Richtung Autobahnausfahrt, um kurz darauf doch noch einen zweiten Angriff auf die Punks durchzuführen. Eine Einheit der Polizeisondereinheit MEGA beobachtet den Nazi-Überfall, ohne einzugreifen oder zu helfen. (…) Ein weiterer wichtiger Mitwirkender innerhalb der Kameradschaft [Pankow] ist Dennis Casper. (…) Bei dieser Aktion wird Casper von der Polizei verhaftet. Im Rahmen der danach in seiner damaligen Wohnung in der Bleicheroder Straße durchgeführten Hausdurchsuchung werden nicht nur Propagandamaterialien gefunden, sondern auch über zehn Äxte.“
Verknüpfungen ins Rechtsrock-Millieu
Der Neonazi Lars Burmeister, der schon
zu DDR-Zeiten in Neonazikreisen verkehrte, war später der Kopf hinter der Rechtsrock-Band "Whity Aryan Rebels". Da er auf einer 2001 erschienen CD der Band zum Mord an Politiker_innen und Prominenten aufrief, wurde er zu einer Haftstrafe verurteilt. Nach seiner Haftstrafe wurde er Mitglied der Rockervereinigung Gremium MC und überführte
weitere Neonazis in seinen neu gegründeten Rockerklub „Dark7Side“. Er hielt weiterhin gute Kontakte in
Rechtsrock-Kreise, veranstaltete Konzerte und produzierte CDs. Dabei
war ihm scheinbar auch Dennis Casper behilflich. Die beiden wurden
verdächtigt, an der CD-Produktion der Berliner Neonazi-Band „Deutsch
Stolz Treue“ (D.S.T.) mitgewirkt zu haben. In dieser Band spielt
unter anderem Alexander-Willibald Bahls, ein enger Freund Caspers.
Bahls kann bereits auf eine lange Schaffenszeit in der
Rechtsrock-Szene zurückblicken. Er gründete 1994 die Band
„Spreegeschwader“, die lange Zeit neben „Landser“ die
bekannteste Rechtsrockband aus Berlin war. Daneben versuchte er
Neonaziläden in Berlin zu etablieren – zuletzt 2006 den Laden
„Parzifal“ in Treptow-Köpenick. Im Jahr 2006 attackierte Bahls
mit zwei weiteren Neonazis einen Naziladenbetreiber in Wismar mit
einer Axt, und erpresste von ihm Geld. Dafür und seine Beteiligung
an der Naziband „D.S.T.“ musste er bis 2009 eine längere
Haftstrafe absitzen. Nun hat Bahls zusammen eine neue Geschäftsidee
aufgetan.
Ein von Neonazis betriebenes YAKUZA-Geschäft
Seit
nicht einmal drei Monaten befindet sich in der Hellerdorfer Promenade
18 (Berlin-Hellersdorf) der „Herz und Seele“-Fashionstore, ein
Laden der Modemarken YAKUZA und „Mafia & Crime“. Betreiber des
Ladens und der dazugehörigen Internetseite ist der Neonazi Alexander
Bahls, als Mitarbeiter und Fotomodel ist auf der Seite Dennis Casper
und die Lebensgefährtin von Bahls – Madlen Lück – zu erkennen.
Weitere Neonazis sind auf den Fotos der Eröffnungsfeier und den
Teamfotos abgebildet. Nach mehreren gescheiterten Anläufen von
Bahls, mit expliziter Neonazi-Bekleidung in Berlin Geld zu verdienen,
versucht er es nun mit Bekleidungsmarken, die sich an ein breiteres
Publikum richten. Die beiden Marken sprechen eher ein nicht vordergründig
politisches Millieu aus dem Sport- und Fitnessbereich an. Die setzen
dafür auf Darstellungen von Gewalt, Männlichkeit und Kriminalität.
Es gibt dabei deutliche Überschneidungen mit der Modemarke „Label
23“, die von Neonazis aus Brandenburg gegründet wurde.
„Label 23“ und Yakuza teilen sich vereinzelt Geschäfte, wie
unter anderem in Berlin-Weißensee.
Weiterhin aktiv in der
Neonazi-Szene
Was das alles mit der OSS zu tun hat? Ähnlich wie die Neonazis, die wegen ihrer Aktivitäten als OSS in der letzten Woche durchsucht wurden, existiert in Berlin ein Netz von Neonazis, die selten in die Öffentlichkeit treten aber eine klare Affinität zum historischen Nationalsozialismus haben, mitsamt der Verehrung der Wehrmacht und der Verhöhnung der Opfer.
Diese Neonazis haben einen Hang zur
Gewalt, die sich vorrangig gegen Migrant_innen,
Flüchlingsunterkünfte, muslimische oder jüdische Einrichtungen
richtet, aber auch gegen Linke und ihre Objekte. Sie sind Teil von
Netzwerken, die klassische neonazistische Organisierung in Parteien
und Kameradschaften mit Rechtsrock, Naziläden und Rockerklubs
verbinden. Dennis Casper ist dafür ein gutes Beispiel. Derzeit
scheint er Anschluss an die Pankower NPD zu suchen, die vor allem im
Stadtteil Buch versucht, eine No-Go-Area zu schaffen und eine
rassistische Kampagne gegen in Buch untergebrachte Flüchtlinge
organisierten. Gewalt und Bedrohungen gegen Flüchtlinge,
Mitarbeiter_innen des Heims und Flüchtlingsunterstützer_innen sind
fester Bestandteil der Neoanzi-Aktionen in Buch. Und mitten drin
mindestens ein längjähriger Neonazi mit Affinität zum
Rechtsterrorismus.
Video über den Angriff in Stolpe
(2001)
http://www.rbb-online.de/kontraste/ueber_den_tag_hinaus/extremisten/rechtsradikaler_terror.html
Alle Ausgaben der "Fight Back"-Recherchebroschüre:
https://www.antifa-berlin.info/recherche
Herz & Seele
In einer Facebook-Nachricht hat sich Yakuza Ende Juli recht eindeutig zu Nazihändlern geäußert und mitgeteilt, dass Alexander Bahls die Rechte Yakuza-Kleidung zu vertreiben entzogen würden. Es wäre natürlich sehr interessant ob dies inzwischen passiert ist und ob Bahls das umgeht oder auf andere Marken setzt.
Aus für »Herz & Seele«
Der Yakuza-Shop „Herz und Seele“ in der Hellersdorfer Passage wurde inzwischen wieder geschlossen. Die Geschäftsräume stehen leer, mit einem Schild wirbt die Deutsche Wohnen um neue Mieter. Einzig zwei Yakuza-Aufkleber an der Tür erinnern noch an den Laden von Alexander Bahls, ansonsten ist nicht mehr viel Übrig.
Die Facebook-Seite (Tor-Link) wurde seit Juni diesem Jahres bereits nichtmehr betreut, die Website unter herzundseele-fashionstore.de ist nicht mehr online und die Domain wurde nicht verlängert. Inzwischen wird jede/r Besucher/in hierher umgeleitet.