Ja, ich bin es, Thersites – Schmäher aller Kriege, ihrer Feldherren, ihrer Propagandisten und ihrer Professoren.Otto Köhler
Drei Jahrtausende ist das nun schon her. Sie lagen seit neun Jahren vor Troja, sie, die Soldaten der großgriechischen Wehrmacht. Die Pest war über sie hereingebrochen. Sie wollten zurück nach Hause, weg von den unwirtlichen Gestaden des Feindeslandes.
Zwecks Gesinnungsprüfung wurde eine Heeresversammlung einberufen. Dort erhob sich – das hatte es noch nie gegeben – der einfache Soldat Thersites. Er klagte den König und obersten Feldherrn Agamemnon an: Dem gehe es nur um Beute, die Söhne der Griechen führe er ins Unglück, sie sollten zu den Schiffen eilen und zurück nach Hause segeln. Das war Meuterei – die erste in der Geschichte des Abendlandes, das schon damals fern des eigenen Herdes verteidigt wurde
Wer mitmachte, bekam es sogleich mit Odysseus, dem Chef der wehrgeistigen Führung, zu tun. Agamemnon hatte ihm sein Zepter übertragen. Frontberichterstatter Homer: »Welchen lärmenden Mann des niedrigen Pöbels er antraf,
Diesen schlug sein Zepter, und diesen straft' er mit Worten:
Still du! Rühre dich nicht und höre Befehle von andren,
Welche tapferer sind; unkriegerisch bist du und feige,
Wirst für nichts in der Schlacht, für nichts im Rate gerechnet.
Werdet ihr alle zugleich allhier, ihr Griechen, befehlen?
Vieler Herrschaft taugt nicht im Kriege! Einer sei Feldherr,
Einer König, welchem der göttliche Sohn des verschlagnen
Kronos Zepter und Rechte gegeben, damit er herrsche!«
Kriegsberichterstatter Homer hat das etwas kompliziert und allzu versfüßig formuliert – er wollte nur sagen, dass Odysseus auf die murrende Truppe einschlug und den Standpunkt der Oberbefehlshabenden allen klarmachte: Sie sollten sich gefälligst nicht als wehrunwürdig erweisen, demokratische Sperenzchen finden hier nicht statt. Und dann wurde mit Thersites abgerechnet, Odysseus streckte ihn mit dem Zepter nieder. Ein Zepter – das Zeichen der königlichen Würde – bestand damals aus fest zusammengebundenen Ruten, die man auf römisch »fasces« nannte, daraus erblühte Jahrtausende später der Faschismus
Die Thersites-Szene im Zweiten Gesang der Ilias war damals schon ein Meisterstück jener psychologischen Kriegführung, die heute in Strausberg bei der Bundeswehr voll erblüht ist, wir kommen noch drauf. Odysseus: »Denn von allen, die gegen Troja zogen, / ist nicht einer schlechter als du! / Ich rate dir, schmähe nicht die Könige, / nenne sie nicht und schweig von der Heimfahrt.«
Die anderen Krieger waren längst von Aufrührern gegen die Herrschaften zu einer Pegida gegen den noch Schwächeren geworden. Und am Ende jubelte dieses Volk Odysseus zu, der mit Agamemnons Zepter Thersites blutig geschlagen hatte: »Traun! Odysseus ist reich an edlen Taten! Im Kriegsrat / ist er berühmt, berühmt als Feldherr, Heere zu ordnen / Aber von allem, was er getan, ist dennoch das Beste / Dass er die schmähende Zunge des lästernden Schwätzers geschweiget.«
Großer Propagandasieg
Den Kritiker Thersites zum Schweigen, ihn zum Verstummen bringen – das ist ihre Lieblingsbeschäftigung bei ihren weltweiten Einsätzen. Und das Volk, das er warnte, verhöhnte ihn und jubelte den Feldherren zu, die ihn blutig geschlagen hatten. So dichtete Homer, von dem wir nicht wissen, ob es ihn überhaupt gab. Aber wenn es ihn gab, wenn er dies wirklich so geschrieben, dann, dessen bin ich sicher, war er ein »Embedded journalist«, ein Mitglied der Propagandakompanie des Königs Agamemnon und seiner obersten Heeresleitung.
Ja, und wir sind die Thersites, die sich vom Anfang dieses Abendlandes aufgelehnt haben gegen die Kriege, die es gegen die ganze Welt führt. Wir sind die Thersites, die durchschaut haben, daß es nur um Macht, Reichtum und Rohstoffe geht, wenn die Werte des Westens gepredigt und im ganzen Erdenrund durchgeprügelt werden, TTIP – unser giftiges Gabriel-Geschenk – inklusive. Das alles wollen wir nicht, basta.
Es war ein glänzender Sieg, den die Propagandakompanien (PK) des Agamemnon über Thersites errungen haben, nur weil er seine Stimme gegen den Krieg erhob, zum Ungehorsam gegen die Feldherren, die Könige, die Kanzlerinnen und Präsidenten aufrief, zur Desertion, weil er enthüllte, dass es nur um Geld ging, bestrichen mit einem bisschen Ehre – darum haben sie ihn zum hässlichsten aller Menschen ernannt. Ihre Propaganda, sie war gut, sehr gut gemacht, sie hat alle tief beeindruckt, diese Propaganda, erdichtet von dem PK-Hauptmann Homer, wirkte drei Jahrtausende lang, sie wirkt noch heute.
»Alle hatten sich wieder gelagert und saßen nun ruhig.
Nur Thersites, welcher von törichter Unverschämtheit
Aufschwoll, murrte viel mit ungebührlichen Reden.
Seine Sitte war, immer zu widerstreben den Feldherrn.
Und die höhnisch lächelnden Lippen troffen von Tadel.
Hässlich war er von allen im ganzen Heere der Griechen
Schielend, hinkend mit einem Fuße: die buckligen Schultern
Drängten sich vor und engten die Brust, der spitzige Scheitel
War mit dünnen und weißlichen Haaren sparsam besäet.«
1948 noch erhob sich aus Einsiedel in der neutralen Schweiz die Stimme des prominenten Literaturhistorikers August Rüegg gegen die »Figur des Thersites, dieses ekelhaften Kritikers der achaiischen Heeresversammlung, dieses Lästermauls, dieser Giftkröte, die nichts anderes kann, als alles Große, das ihr unter die Augen kommt, anzugeifern und herunterzureißen ...«
Und er weiß es nach drei Jahrtausenden ganz genau – Homer hat es schließlich beschrieben, dass »bei Thersites die physische Hässlichkeit sein Schicksal, die Unterlage und Quelle seiner psychischen Gemeinheit, seine treibende Kraft« war: »der verwachsene Knirps mit dem Buckel, den krummen Beinen, dem hinkenden Gang und dem glatzigen Schädel, der nur mit spärlichem Flaum bewachsen ist. Da sitzt er inmitten der Krieger in der Volksversammlung, schnellt bei jeder hässlichen Gelegenheit in die Höhe, reißt sein Maul weit auf und keift und zankt mit kreischender Stimme, was das Zeug hält. Mit Vorliebe nimmt er sich die stattlichsten und mächtigsten der Könige als Zielscheiben seiner Angriffe aus.«
Ja, wieviel besser ist es doch, die schwächsten und darum minderwertigsten Menschen als Zielscheibe zu nutzen. Das Propagandabild vom hässlichen, verwachsenen Deserteur geht in die Gründungsurkunde des Abendlandes ein. So werden Feindbilder gemacht, so haben Jahrhunderte lang, seit Homer fürs Abendland wiederentdeckt wurde, ganze Regimenter von Philosophen, Altphilologen und Literaturhistorikern nachgeplappert, was man sich in der Propagandawerkstatt des Mannes, den man Homer nannte, ausgedacht hat, um das Heer bei Laune zu halten. Julius Streicher hat von diesem Homer gelernt in seinem Meisterwerk »Trau keinem Fuchs auf grüner Heid und keinem Jud bei seinem Eid.« Sein Bild vom Juden: »Und krumme Rücken, breite Latschen –/Man sieht sie ja auch heut so datschen/Mit Hängemaul und Nasenzinken/Und wutverzerrtem Augenblinken.«
Gut ist schön und schön ist gut. Hässlich ist böse, und böse ist hässlich. Das ist die Ideologie des Faschismus, die auch heute noch herrscht.
Ist unsere Kriegsministerin Ursula von der Leyen hässlich? Nach unseren landläufigen Maßstäben nicht. Und trotzdem ist sie … abgrundtief.
Selfie und Eisernes Kreuz
Wen hat sie denn bei sich im Ministerium? Wer ist Chef der Abteilung IV Personalführung? Wozu ist die da? Was macht die? Sie ist der wichtigste Teil des im Rahmen der »Neu-aus-richtung der Bundeswehr« 2012 neugeschaffenen »Bundesamtes für das Personalmanagement der Bundeswehr«.
Eine Probe davon gibt es seit dem 19. November 2014 direkt am Bahnhof Friedrichstraße mitten in Berlin. Dort leuchtet das Eiserne Kreuz der großdeutschen Wehrmacht. Dort verkündet ein Firmenschild im Deppendeutsch der Bundeswehr: »Wir Punkt Dienen Punkt Deutschland« - dahinter wird leider kein Punkt gemacht. Die hören nicht auf.
Die Bundeswehr hat hier einen Showroom eröffnet für 8.000 Euro Monatsmiete. Auf den 43 Quadratmetern sollen junge Leute für den Krieg geworben werden, ein ahnungsloses Mädchen machte dort bei der Einweihung ein »Selfie« – so nennt man das, wenn man mit ausgestrecktem rechten Arm ein Foto von sich macht. Mit drauf ist eine wissend lächelnde Kriegsministerin. Ursula von der Leyen, die weiß, wer hinter diesem und noch vielen anderen demnächst errichteten Showrooms der Bundeswehr steckt, wer die anzuwerbenden jungen Menschen formen kann nach seinem Bild. Das zeigt Massenmord.
»Vernichten«, das war der Befehl, mit dem Oberst Georg Klein – er hat keinen Buckel, keinen glatzigen Schädel, keinen hinkenden Gang – am 4. September 2009 bei Kundus in wenigen Minuten über hundert – bis zu 142 werden genannt – Menschen umbrachte, darunter auch Kinder, Jugendliche, wie sie sich jetzt im »Wir.Dienen.Deutschland.«-Werbeshowroom der Bundeswehr drängen. Jegliches Verfahren gegen Klein wurde im Rahmen der Neu-aus-richtung der Bundeswehr eingestellt. Zum Lohn für das Massaker, das er an unschuldigen Menschen angerichtet hat, wurde er vom Obersten direkt zum Brigadegeneral befördert.
Mörder? Mord? Nein, so darf das nur ein Thersites nennen und kriegt dafür was aufs Maul. Wir führen wieder Krieg, da ist das nun mal so.
Und so können wir heute auch in der Friedrichstraße dafür werben. Ich habe mich überzeugt: Das Eiserne Kreuz der Naziwehrmacht leuchtet gleich neben dem Bahnhof. Der Showroom, der Salon für künftige Totmacher, steht dort noch immer. Dabei hätten sie sich doch besser gleich am Alexanderplatz beim Leichenfledderer Gunther von Hagens eingemietet, für den der Senat dieser Stadt in seinem offiziellen Hauptstadtportal Reklame macht. Das wäre die ideale Corporate Identity: die Bundeswehr liefert ihre Leichen, von Hagens präpariert sie, setzt ihnen Stahlhelme auf die Schädel und stellt sie aus: »Wir. Dienen. Deutschland.«
Helden im Ehrenhain
Ich gebe zu, die Bundeswehr hat einen anderen, deutscher Tradition entsprechenden Weg gewählt, um ihrer Gefallenen zu gedenken. Sie hat den Ehrenhain von Kundus abgeräumt und ihn vergrößert und modernisiert bei Potsdam wiedereröffnet. Zwölf Jahre Krieg gegen Afghanistan – das ist länger als beide Weltkriege zusammen – forderten 54 Tote – nur 35 im Kampf – von der Bundeswehr. Das ist preiswert. Allein Oberst Klein erledigte in wenigen Minuten mit seinem Vernichtungsbefehl das Vierfache an Afghanen. Und konnte drei Jahre später auf völlig freiem und unverkrümmtem Fuß an der 54. Soldatenwallfahrt nach Lourdes teilnehmen. Wahrscheinlich waren die Opfer des Obersten Klein so hässlich wie Asiaten nun einmal sind. Trotzdem. Wenn schon unserer Helden im Ehrenhain bei Potsdam gedacht wird, warum muss unsere »Wir.Dienen.Deutschland.«-Armee dort ohne einen Hinweis auf ihre Opfer liegen?
Ich verlange, dass neben dem oder im Potsdamer Ehrenhain auch der nun wirklich unschuldigen Opfer gedacht wird. Ich kann ja viel verlangen, im Bendlerblock lachen sie nur, wenn sie so was hören. Als irgendwann einmal eine geringfügige »Entschädigung« für die Familien der Opfer angedacht, ja, nun wirklich: an-ge-dacht wurde, da wollte man, egal, wieviel Opfer es in einer Familie gab, nur einen einzigen Einheitsbetrag pro Sippe auszahlen – ich weiß nicht, was aus dieser brutalen Un-verschämtheit geworden ist.
Aber wir, wir sollten die Initiative ergreifen. Wenn schon kein Ehrenhain in Potsdam, dann wenigstens eine Gedenktafel hier in Berlin. Und wenn der Senat nicht mitmacht, dann muss die Tafel eben ans Karl-Liebknecht-Haus der Linkspartei. So kann sie beweisen, wie entschieden sie gegen die neuen Kriege der Deutschen aufsteht.
Sondereinsatzkorps
Zurück von den Opfern zum Täter. Von der Personalführung der Bundeswehr, in der unser Totmacher Klein die wichtigste Abteilung, die für den Nachwuchs von Mannschaften und Unteroffizieren, leitet, werden 16 »Karrierecenter« in ganz Deutschland betrieben. Acht davon, sagt die Bundeswehr in ihrer Sprache, werden als »Assessmentcenter« zur »Eignungsfeststellung« und der Feststellung zukünftiger »Karrierechancen« eingerichtet. Wie stellt der »Vernichten«-Mann von Kundus solche Eignung fest, und welche Karrieren können sich daraus noch entwickeln?
Spezialkräfte der Bundeswehr seien nicht in Afghanistan gewesen, »Blümchen zu pflücken«, erklärte im Deutschlandradio Kultur der NATO-General Egon Ramms. Der engste Vertraute der Kriegsministerin, Generalleutnant Markus Kneip, übte selbst schon in Afghanistan eine wie auch immer zu bezeichnende Tätigkeit aus. Er hat im Ministerium ein ganzes Netzwerk von ehemaligen Kampfkollegen gebildet: Die Afghanistan-Connection, eine »Bruderschaft« von 25 bis 30 hohen Offizieren. Sie erläutert der sicherlich sehr anstelligen, aber meist doch ahnungslosen Ministerin, was sie jeweils zu tun hat. Und wenn sie mal ins Ausland reist und an die weltweite Front – wer ist immer dabei und sagt ihr, was sie gerade gern machen möchte? – der Generalleutnant Kneip. Er hat jetzt ganz locker erzählt, für die Morddrohnen der USA hätten die Bundeswehr und der BND »selbstverständlich« Adressen und Mobilfunkdaten von »Verdächtigen« geliefert, zur weiteren Veranlassung, zur »Neutralisierung«, zum Drohnenmord – so allerdings sollte man es nicht benennen.
Ich habe im Mai in der Jahresversammlung des deutschen PEN, der internationalen Vereinigung von Poets, Novelists und Essayists, den Antrag gestellt, dass wir, die Mitglieder des deutschen PEN, uns jeglicher Kriegspropaganda verweigern. Der Antrag wurde abgelehnt. Denn eine solche Verweigerung, erläuterte unser Präsident, verstehe sich von selbst, unsere Satzung schreibe das vor.
Eine Stunde zuvor hatten wir ihn aufgenommen, Professor Dr. Jörg Hafkemeyer. Er arbeitet als Filmemacher für die ARD sowie für Deutschlandradio Kultur. Zugleich trainiert er an der sogenannten Akademie der Bundeswehr für Information und Kommunikation vor der Kamera Offiziere des gehobenen Dienstes für den Umgang mit Journalisten, also gegen seine eigenen Kollegen. Hinter dieser sogenannten Akademie verbirgt sich die »Psychologische Kriegführung« der Naziwehrmacht, die von der Bundeswehr am traditionellen Ort in Waldbröl betrieben wurde und seit der sogenannten Wiedervereinigung von Strausberg aus agiert. Er könnte in der Akademie für psychologische Kriegführung ein eigenes Meisterwerk vorführen: »Keiner sieht sie kommen. Keiner weiß, dass sie da sind. Und wenn ihre Mission beendet ist, gibt es keinen Beweis dafür, dass sie jemals da waren.« So wurde in der Zeitschrift Die Bundeswehr für die eigene Geheimtruppe geworben. »Keiner sieht sie kommen« – so hieß vor einigen Jahren ein ARD-Dokumentarfilm über die »geheime Truppe der Bundeswehr«, über das Kommando Spezialkräfte (KSK), über die schwarz vermummten Männer dieses Sondereinsatzkorps der Bundeswehr. Reporter Jörg Hafkemeyer zeigte seinerzeit sichtlich Sympathie für die »verschworene Gemeinschaft«, für »diese Elitesoldaten der Bundeswehr«. Irgendwann einmal aber kam er um die Frage nicht herum: »Und wenn der Feind auftaucht, wird er erschossen, warum macht jemand das?« – »Für mich ist das eine Herausforderung. Ich wollte das eigentlich schon immer machen«, antwortete ein maskierter KSK-Mann: »Danach bin ich froh und glücklich, dass ich das wieder geschafft habe (…).«
Hafkemeyer ist nicht der einzige, der bei der Bundeswehr lehrt, wie man Journalisten reinlegt. Da gibt es auch noch Klaus Pokatzky, der in der sogenanten Bundesakademie Offizieren und Soldaten den Umgang mit der Presse beibringt. Und der Intendant schweigt und zahlt öffentlich-rechtliche Deutschlandradio-Gelder an die Leute, die der Bundeswehr Tricks beibringen, wie sie neugierige Reporter aufs Kreuz legen kann. Die eigenen Kollegen verkaufen die beiden ans Militär, wobei sich Deutschlandfunk-Reporter Pokatzky für gutes Geld besonders schmierig aufführt: Auf der Webseite der Bundeswehr legte er Reuebekenntnisse ab, dass er früher Kriegsdienstverweigerer war.
Ein Leckerbissen
Unsere Intellektuellen, Hans Magnus Enzensberger an der Spitze, haben Slobodan Milosevic zum Hitler ernannt, damit die Bundeswehr endlich 1999 den Krieg gegen Jugoslawien fortführen konnte, den Hitler 1941 begonnen hatte – auf Grundlage der Planungen des späteren und ersten Generalinspekteurs der Bundeswehr, Adolf Heusinger. Zuletzt war der sogar Vorsitzender des NATO-Militärausschusses – und das allein ist Grund genug, die NATO überall zu bekämpfen, wo immer sie sich breitmacht und sei es morgen in der Ukraine. Unsere Verantwortung gebietet das.
Für mich ist es wie gestern, aber es war der 26. Mai 1999, da fand eine Telefonkonferenz der fünf Außenminister der am Krieg gegen Jugoslawien beteiligten NATO-Staaten statt. Diese Fünferrunde war – wie Deutschlands damaliger Außenminister Joseph Fischer unterstrich – »das eigentliche politische Steuerungsgremium während des Kosovo-Krieges« – und nicht der NATO-Rat.
Ich bin jedesmal fassungslos, wenn ich in Fischers Erinnerungen über »Die rot-grünen Jahre« nachlese, auf Seite 168, was da geschah: Fischer kann einen »Aufschrei nicht unterdrücken«. Die Außenministerrunde beriet, ob man nach sechzig Tagen Luftkrieg auch Bodentruppen einsetzen solle. Plötzlich ertönt durch die Telefone ein Aufschrei von Joseph Fischer. Dann die sorgenvolle Stimme von Madeleine Albright, der US-Außenministerin: »Joschka, what's happening? Are you all right?« – »All right«, antwortete er.
Nichts war in Ordnung. Während der Telefonkonferenz der fünf Außenminister fand im Fernsehen ein, wie Fischer formulierte, »fußballerischer Leckerbissen« statt. Irgendein FC – FC heißt Fußballclub – ein FC Bayern, er genießt, glaube ich, gerade Freigang vom Gefängnis, hatte von einem ausländischen Verein ein Tor erlitten. Und das trieb dem deutschen Außenminister seinen Entsetzensschrei auf die Lippen, während seine NATO-Kollegen ruhig und friedlich über die nächsten Bombenziele in Jugoslawien berieten.
Vier Tage später, am 30. Mai 1999, bombardierten – auch deutsche – NATO-Flugzeuge die Brücke von Varvarin. In zwei Angriffswellen gelang es ihnen, zehn Tote und 17 Verletzte zu erzielen, auch Kinder. Außenminister Fischer hat gezeigt, was es heißt,Verantwortung zu tragen: Wenn er sich nicht von seinem fußballerischen Leckerbissen hätte ablenken lassen, hätten wir sehr viel mehr Tote generieren können.
Gekaufte Subjekte
Und nun die Professoren. Da ist der Professor Christopher Clark von den Antipoden. Dieses jetzt von den Hohenzollern angekaufte Subjekt soll unsere Unschuld am Ersten Weltkrieg wiederherstellen, diesem Krieg, dessen Beginn Wilhelm Zwo mit seinen Generalen schon im Kriegsrat vom Dezember 1912 für den Sommer 1914 festgelegt hat. Clarks Klempnerarbeit war sehr erfolgreich, und dafür hatte er von Wilhelm Zwos Nachkommen den gut bezahlten Auftrag bekommen, nachzuweisen, dass die Hohenzollern im Widerstand waren gegen Hitler, ihre Güter deshalb 1945 zu Unrecht eingezogen wurden und jetzt 2015 ordentlich Penunze als Fürstenentschädigung her muss. Der Sachverständige Clark kann das, der macht aus dem Hohenzollernprinzen »Auwi« in SA-Uniform, wenn's not tut, auch einen Ernst Thälmann.
Clark arbeitet so Hand in Hand mit dem Professor Herfried Münkler von der Humboldt-Universität wie der mit der BAKS, der »Bundesakademie für Sicherheitspolitik«. Münkler wusste schon immer, dass es die Massen waren, das Volk, die den friedliebenden Kaiser in den Krieg getrieben hatten. Er sollte sich endlich dafür einsetzen, dass seine Alma mater ihren ehrlichen Namen Friedrich-Wilhelm-Universität zurückbekommt. Aber er muss ja für den Einsatz von Morddrohnen kämpfen, deren Einsatz zu ächten, ihm absurd scheint. Schließlich sitzt er im Beirat der BAKS, die wiederum eng mit der Bundeswehr zusammenarbeitet.
Und da ist noch ein besonderers Früchtchen. Der Professor Joachim Krause vom Kieler »Institut für Sicherheitspolitik« setzt sich fanatisch für eine Zusammenarbeit von Universität und Bundeswehr ein. Die Zivilklausel, die an einigen Hochschulen Rüstungsforschung verbietet, soll fallen. Wie erfolgreich sein Kampf ist, wie sehr selbst die verschiedenen Friedensinstitute an den Universitäten von der Bundeswehr gleichgeschaltet werden, lässt sich auf der »Thema«-Seite der jungen Welt vom 8. Januar 2015 nachlesen.
An solchem Treiben beteiligt sich auch Professor Michael Daxner, der gerade erst eine Propapandabroschüre »Deutschland in Afghanistan« herausgab, und das im »BIS-Verlag der Carl-von-Ossietzky-Universität« in Oldenburg. Dort gebietet die Ehrlichkeit, sie schleunigst in Oberst-Klein-Universität umzubenennen. Ich wundere mich über die Ruhe, die unter den Studenten herrscht.
Dornenhecke um Bellevue
Und damit komme ich zum Schluss, zum allerletzten.
Vorher konnte die Stasi sich nicht über ihn beklagen. Dank seiner einfühlsamen Zusammenarbeit mit dem Unrechtsstaat, insbesondere bei Kirchentagen, bekam er alle nur denkbaren Privilegien. Pünktlich am 10. November 1989 aber erkannte Joachim Gauck, dass er schon immer Widerstand gegen den SED-Staat geleistet hatte. Energisch.
2012, in seinem Lehrbuch »Freiheit. Ein Plädoyer«, hat er dann dem ganzen Globus angekündigt: »In unserer Ver-ant-wor-tungs-fä-hig-keit steckt ein Versprechen, das dem einzelnen wie dieser ganzen Welt gilt.«
Das war im selben Jahr, in dem der damalige Kriegsminister Thomas de Maizière das Ultimatum stellte: Keinen Platz darf es auf dieser Erde geben, auf dem der deutsche Soldat nicht stehen kann. Und Gauck fügte seiner Drohung hinzu: »Wir sind nicht zum Scheitern verurteilt.«
Auf der sogenannten Münchner Sicherheitskonferenz hat er vor führenden Politikern dieses Planeten im Februar 2014 gedroht – und es war keine leere Drohung –, dass Deutschland eine aktivere Rolle in der Welt einnehmen werde, einschließlich des Einsatzes von Soldaten. So ging es das ganze Jahr weiter. »Zu den Waffen greifen« ist seither seine Parole.
Um des Friedens der Welt willen – dieser Mann, dieser uns alle bedrohende Gauck muss scheitern, und seine Soldaten müssen scheitern, mit ihm, wenn dieses Land nicht – wie unter einem seiner Vorgänger – untergehen soll.
Gauck – das ist ein Wort für die größte anzunehmende Kriegslüsternheit in unserm Land. Und der gegenwärtig über uns verhängte Bundespräsident, er strahlt mindestens hundert Gauck. Wir müssen uns wehren.
Ich sehe nur noch einen Weg: eine dichte Dornenhecke rund ums Schloss Bellevue. Dahinter bei guter Verpflegung Joachim Gauck als lebenslänglicher Bundespräsident. Da kann er dann Kriege ausrufen, so viele er mag. Hauptsache, die gesamte Außenwelt ist vor jedem Kontakt mit ihm geschützt. Keine Post, kein Telefon, kein Internet, ausgeliefert nur der ARD, der das Kriegsgeschrei auch noch vergehen wird – welch ein Traum.
Dazu allenfalls – wir müssen uns vor kommenden Amokläufern schützen – ein Wachbataillon ausgedienter Soldaten aus Afghanistan, jener volltraumatisierten armen Teufel, die man besser nicht in Freiheit herumlaufen lässt, aber gut versorgen muss. Sie dürfen dann für den Lebenslänglichen morgens und abends eine Parade abhalten. Hauptsache, wir sind vor ihnen sicher.
Aber bitte, niemand hat die Absicht, eine Dornenhecke zu pflanzen.
Leider.
Träume von einer schöneren Welt, die man nicht einmal einem alten Mann wie mir verzeihen darf. Wir sind in der Realität, und da kann dieser Herr, dieser Gauck, der uns von Rot-Grün ebenso aufgezwungen wurde wie der erste deutsche Krieg seit Hitler, unendlich viel Schaden anrichten. Und darum wollen wir den Herrschenden dieses Landes eines garantieren: Mit uns könnt iIhr nicht rechnen. Wir alle hier sind Thersites: Schmäher aller Kriege, ihrer Feldherrn, ihrer Propagandisten, ihrer Professoren und jenes Bundespräsidenten, der uns diese Kriege bescheren will.
Der Publizist und Mitherausgeber der Zweiwochenschrift Ossietzky Otto Köhler lebt in Hamburg. Er schrieb u. a. die Bücher »Rudolf Augstein. Ein Leben für Deutschland« (München 2002) und »Die große Enteignung. Wie die Treuhand eine Volkswirtschaft liquidierte« (München 1994, neue Ausgabe Berlin 2011).