„Steht auf für die Verteidigung der Revolution in Rojava“

Mobiplakat für die Demonstration am 29. November in Frankfurt.

Für den 29. November rufen Euch kurdische und andere linke Gruppen nach Frankfurt am Main zu einer Großdemonstration gegen das PKK-Verbot. Wir haben uns mit einer der OrganisatorInnen, Lina Tugut vom Internationalistischen Aktionsbündnis Frankfurt (IAB-FFM) getroffen und über die politischen Hintergründe der Demo gequatscht.

 

Wollt ihr euch kurz vorstellen?

 

Das Internationalistische Aktionsbündnis (IAB) Frankfurt besteht seit rund vier Jahren. Unser Bündnis besteht aus verschiedenen linken Gruppen aus dem Gebiet Rhein-Main, die zu antikapitalistischen, antifaschistischen und antiimperialistischen Aktionen zusammenfinden. Teile des Bündnisses haben eine noch längere gemeinsame Geschichte, die bei den Vorbereitung gegen den NATO-Gipfel 2009 beginnt.

 

Was uns verbindet ist ein Verständnis von Internationalismus, das bedeutet, den Imperialismus in seinen Zentren anzugreifen; als Linke greifen wir die Herrschenden hier vor Ort an. Beispielsweise haben wir uns als IAB in Frankfurt erfolgreich an Mobilisierungen gegen FaschistInnen beteiligt und einen Nazi-Aufmarsch zum ersten Mai verhindert. So haben wir auch maßgeblich die Palästina-Solidarität organisiert. Dieses Jahr wie im Jahre 2011 für Frankfurt mobilisieren wir gegen die Innenministerkonferenz für den 06.12.14 nach Köln. 2011 ist es uns gelungen einen starken internationalistischen Block zu organisieren und schon damals war eine Hauptforderung von uns das PKK –Verbot aufzuheben, wir hoffen diesmal auf eine noch größere Beteiligung.

 

Was könnt ihr uns zu eurer aktuellen Mobilisierung in Solidarität mit dem revolutionären Kampf in Rojava erzählen?

 

Unsere kurdischen GenossInnen der YXK sind seit Wochen mit Demonstrationen und anderen Protestformen hier in Frankfurt fast täglich aktiv. Unser Anliegen als IAB ist es, die internationale Mobilisierung zu stärken. Am 1. November, am Tag der weltweiten Solidarität mit der kurdischen Revolution in Rojava bzw. dem Kampf in Kobanê, haben wir uns verantwortlich in die Organisierung der Demonstration in Frankfurt eingebracht. Die Demonstration war mit 8 000 Menschen ein großer Erfolg! Die Mobilisierung der deutschen Linken blieb aber weit hinter den Möglichkeiten zurück. Mit der von uns für den 29.11.14 geplanten zentralen Demo wollen wir ein deutliches Zeichen der internationalen Solidarität setzen. Wir rechnen damit, dass ein großer und politisch kämpferischer internationalistischer Block mit reger Beteiligung auch der deutschen Linken die Demonstration anführen wird.

 

Die Demo unmittelbar vor der Innenministerkonferenz in Köln soll Druck auf die deutsche Regierung für ein Ende der Kriminalisierung des kurdischen Freiheitskampfes ausüben. Auch wenn die IMK Adressat des Protestes ist, so stellen wir unsere Erwartungen nicht an den Staat, sondern an die Zivilgesellschaft, die die Politik verändern oder gar in die Hände zu nehmen vermag.

 

Ihr redet von der Revolution in Rojava. Was versteht ihr darunter? Wie schätzt ihr den gesellschaftlichen Prozess dort ein?

 

Als erstes möchte ich erwähnen, dass alle im IAB vertretenen Organisationen ein über Jahre gewachsenes solidarisches Verhältnis zum kurdischen Befreiungskampf haben. Die Idee des Demokratischen Konförderalismus und seine Umsetzung in Rojava hat für uns viele Anknüpfungspunkte. Die kurdische Selbstverwaltung mit basisdemokratischen Strukturen, mit ihrer betont antinationalistischen Haltung, mit dem Ziel einer geschlechterbefreiten Gesellschaft sind für uns der einzige positive Bezug im syrischen Bürgerkrieg. Alle regionalen reaktionären Regime, aber auch die EU und die USA verfolgen skrupellos ihre ökonomischen und geostrategischen Interessen in Syrien im Irak und im gesamten Nahen und Mittleren Osten. In diesem Krieg war Rojava ein relativ sicherer Raum für die unzähligen Flüchtlinge, die dieser erbarmungslose Krieg hervorgebracht hat. In der solidarischen Aufnahme der Flüchtlinge ohne Unterscheidung nach Ethnie oder Religion zeigt sich der fortschrittliche Charakter der kurdischen Selbstverwaltung. Im Gesellschaftsvertrag für Rojava steht in der Präambel werden schon alle Ethnien und Religionen berücksichtigt, d.h. KurdInnen, AraberInnen, Suryoyos (AssyrerInnen, ChaldäerInnen und AramäerInnen), TurkmenInnen und TschetschenInnen.

 

Welche Bedeutung hat die Frauenorganisierung in Rojava für euch?

 

Für uns als linke organisierte Frauen hier in der Metropole hat der Kampf, den die kurdischen Frauen in die Bewegung hineingetragen haben, eine sehr große Anziehungskraft! Selbst hier in der radikalen Linken, in der Begriffe wie „antipatriarchaler Kampf“ teilweise zum Sprachgebrauch gehören, ist oft die „Verbalradikalität“ ohne wirkliches Bewusstsein davon, was damit gemeint ist, spürbar.

 

Die Ernsthaftigkeit mit der die Frauenbefreiung als Grundlage für alle Bereiche einer befreiten Gesellschaft gesehen wird, zeigt sich alleine in den Bildern, die um die Welt gehen: Frauen, die in allen Bereichen aktiv sind, die sich in militärischen Einheiten organisieren, in den politischen Führungsstrukturen ganz klar vertreten sind: Wir wissen, dass dies überhaupt nicht selbstverständlich ist, sondern immer erkämpft werden musste!

 

Die deutsche Frauenbewegung hat diese Sprengkraft der kurdischen Frauenorganisierung und dem revolutionären Projekt Rojava bislang überhaupt nicht begriffen: sonst müssten vielmehr Frauen in Solidarität mit Rojava auf der Straße sein! Wir werden versuchen, hier stärker hineinzuwirken.

 

Wie steht ihr zu den Waffenlieferungen der deutschen Regierung an die nordirakische Autonomieverwaltung unter Barzani?

 

Wir sehen den Verteidigungskampf der kurdischen YPG und YPJ Verbände in Kobanê. Wir sehen die mit modernsten Waffen ausgerüsteten Schlächter des IS. Wir sehen, dass die kurdischen FreiheitskämpferInnen ohne die US-Luftschläge nicht bis zuletzt standhalten hätten können. Wir wissen, wie dringend die kurdischen FreiheitskämpferInnen jede erdenkliche Hilfe und eben auch Waffen und Munition brauchen. Wir wissen aber auch, dass diese Luftschläge durch den Druck des kurdischen Serhildans und der weltweiten Demonstrationen zustande gekommen sind.

 

Wir als Linke in der BRD müssen trotzdem genau in den Blick nehmen, welche Interessen von der deutschen Regierung mit diesen Waffenlieferungen verfolgt werden. Politisch begründet wurde der Beschluss Waffen an Barzani zu liefern mit dem Massaker des IS an den EzîdInnen. Mit keinem Wort wurde dabei erwähnt, dass nicht die Peschmergas unter Barzani, sondern Einheiten der PKK und YPG/ YPJ den Korridor für die flüchtenden EzîdInnen freigekämpft hatten und so einen Genozid an den EzîdInnen durch den IS verhindern konnten. Als der außenpolitische Sprecher der CDU gefragt wurde, ob man nicht an die falschen kurdischen Kräfte die Waffen liefere antwortete er mit „Nein“. Barzani sei der verlässliche Partner, die syrischen Kurden und ihre politischen Vertreter seien dagegen PKK-nah, und die PKK sei ja schließlich eine Terrororganisation. Ergänzend sagte er, dass niemals deutsche Waffen in die Hände von Leuten gelangen dürften, die den NATO-Partner Türkei angreifen.

 

Welche machtpolitischen und militärischen Interessen verfolgt Deutschland mit den Waffenlieferung an Barzani und die Peschmergas?

 

Deutschland ist der drittgrößte Waffenexporteur der Welt. Die Parole „Deutsche Waffen, deutsches Geld morden mit in aller Welt!“ bringt das auf den Punkt. Seit jeher werden deutsche Waffen in Kriegs- und Krisengebiete geliefert, so z.B. an die Türkei, an Katar und Saudi Arabien. Also genau jene Kräfte, die nicht unerheblich an der Entstehung und Erstarkung des IS beteiligt sind und ihn immer noch verdeckt oder offen unterstützen.

 

Der Beschluss Waffen an Barzani und die Peschmergas zu liefern hat auch eine innenpolitische Bedeutung für Deutschland. Denn die deutsche Regierung verstößt gegen ihre eigenen Richtlinien für Waffenexporte. Der Beschluss Waffen an Barzani zu liefern wurde mit einem medialen Großaufgebot begleitet, frei nach dem Motto: „Die restriktiven Richtlinien bei den Waffenexporten müssen weg. Sie seien nicht mehr zeitgemäß, genauso wenig wie eine militärische Zurückhaltung für die aufstrebende Großmacht Deutschland. Die deutschen Waffenschmieden können nur ohne Ausfuhrbeschränkungen konkurrenzfähig bleiben. Höhere Produktionszahlen versprechen niedrigere Preise, was sich auch bei der Ausrüstung der Bundeswehr für die Bundesregierung bezahlt machen würden.“ Es geht bei dem Beschluss also auch darum dem militärisch industriellen Komplex das Feld zu bereiten.

 

Gleichzeitig bedeutet die Lieferung der Waffen an Barzani eine Kategorisierung der Kurden in „gute Kurden böse Kurden“, wenn man betrachtet, dass die YPG/YPJ eigentlich die Kräfte sind die wirklich gegen die IS kämpfen und keine Waffenlieferungen bekommen.

 

Nochmal kurz zurück zur Demo am 29. November. Kannst du uns ein wenig die Geschichte des PKK-Verbots erklären? Seit wann gibt es das und vor allem warum?

 

Die Geschichte des Verbots der Arbeiterpartei Kurdistans, PKK, in Deutschland hat viele Aspekte. Einerseits gibt es den ökonomischen Aspekt. Die Türkei ist einer der größten Abnehmer deutscher Waffen. Das freut natürlich die deutsche Waffenindustrie. Schließlich fließen jährlich Milliarden in die Kassen der deutschen Waffenindustrie, wovon der deutsche Staat profitiert. Andererseits ist der politische Aspekt in Betracht zu ziehen, welcher nicht unabhängig vom ersten, dem ökonomischen Aspekt ist. Wie auch in unserem Aufruf erläutert wird, soll unter anderem durch das Betätigungsverbot der PKK in Deutschland eine zivilgesellschaftliche, politische Teilhabe linker, fortschrittlicher Menschen reglementiert und kontrolliert werden.

 

Das zeigte sich schon in der Nachkriegszeit, als die KPD als eine politische Organisation verboten wurde. Hier wurde unter anderem auch die gesellschaftliche, politische Legitimität einer systemkritischen Organisation unterbunden. Für die Herrschenden stellen fortschrittliche Organisationen wie die KPD, PKK oder auch andere revolutionäre linke Organisationen eine Gefahr für ihre eigene Herrschaft dar. Die politische Arbeit solcher Organisationen und die damit einhergehenden sozialen und alternativen Gesellschaftsmodelle zeigen auf, dass eine Gesellschaft jenseits von Kapital und Ausbeutung möglich ist. Das wiederum muss von den Herrschenden aus ihrer eigenen Logik heraus unterbunden werden, da autonom demokratische Systeme weder ökonomische noch politische Machtausübung von außen, also u.a. von Deutschland, zulassen.

 

Nun kann ich mich selbst an viele Demonstrationen gegen das PKK-Verbot erinnern, ohne zu übertreiben war ich wahrscheinlich auf 5-10 größeren Demos zum Thema. Dennoch gibt es das Verbot immer noch. Meinst du es besteht jetzt, durch das veränderte Klima wegen des syrischen Bürgerkriegs und des Islamischen Staates eine reale Chance, dass es fällt?

 

Was ist der IS? Ist der IS nicht unter anderem ein Produkt der fehlgeschlagenen Nahost-Politik der NATO, vorneweg der USA? Wir sehen, dass es die USA waren, die den IS zuvor in anderen Zusammenhängen unterstützt haben und danach durch ihr Nichtstun. Wir sehen, dass die westlichen Mächte, insbesondere Deutschland Unterstützerländer des IS, so Saudi-Arabien und Katar immer noch mit Waffen beliefern und beste Beziehungen pflegen und vor allem anderen sehen wir, dass die Türkei den IS offen logistisch, militärisch und finanziell unterstützt. Die einzelnen Akteure sind sich keineswegs einig, sie verfolgen im Kleinen unterschiedliche Ziele. Doch wenn es darum geht, den Nahen und Mittleren Osten unter Kontrolle zu halten, so sind reaktionäre Kurden wie Barzani einer ist und Erdogan sogar beste Freunde. Auf der anderen Seite schickt Barzani Peschmerga nach Kobanê, wie passt das zusammen? Hinter den erzwungenen Schritten der USA, die sich in lange taktisch hinausgezögerten Luftschlägen äußerten, der Unterstützung durch KDP und die Erlaubnis Erdogans für Barzanis Milizen, steckt der große Widerstand der HPG (PKK), YPG und YPJ in Shengal und besonders in Kobanê. Die ganze Welt hat darauf gewartet, dass sowohl die EzîdInnen als auch die Bevölkerung von Kobanê und anschließend ganz Rojavas in die Hände des IS fallen. Das ist nicht passiert.

 

Gehen wir mal davon aus, dass Kobane militärisch gegen den IS gewonnen hat. Das würde einen enormen Einfluss auf die ganze Region haben. Die YPG/YPJ würde massiv Zulauf bekommen. Sie wären die Kraft, die den „unbesiegbaren IS“ geschlagen hätte. Es hätte dann auch zur Folge, dass ein großer Teil der progressiven Kräfte, auch einige gemäßigte Gruppen der FSA, sich der YPG anschließen. Im Endeffekt würde es bedeuten, dass der Einfluss der YPG ökonomisch, politisch sowie geographisch sich um einiges vergrößern würde, über die Grenzen von Rojava hinweg bis hin zu Irak und Iran. Stellt euch einen Nahen Osten vor in der die Gesellschaftsform Rojavas gelebt wird. Genau das will der Westen unterbinden. Letztendlich ist der Kampf Kobanes ein Kampf zweier Gesellschaftmodelle. Die imperialen Kräfte sind sich dessen bewusst. Sie müssen aufgrund der politischen Stärke der kurdischen Freiheitsbewegung Zugeständnisse machen. Wie das im Endeffekt aussehen wird, wissen wir nicht. Indirekte Waffenlieferungen über die Barzani Regierung waren erst der Anfang.

 

Die Aufstände und Proteste der Zivilgesellschaft in Europa, in Kurdistan und dem Rest der Welt haben die Machthaber jeweils zu Schritten gezwungen. Dieselbe Zivilgesellschaft muss ihre eigene Politik umsetzen, sie muss aufstehen- für die Verteidigung der Revolution in Rojava, gegen das PKK-Verbot und gegen die Innenministerkonferenz!

 

 


Interview wurde geführt vom lowerclassmag.com / facebook / twitter

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Die Initiative "Solidarität mit Rojava. Wer wenn nicht wir? Wann wenn nicht jetzt?" ruft zur Demonstration am 6. Dezember in Köln auf, um anlässlich der Innenministerkonferenz (IMK) für die Aufhebung des PKK-Verbots zu demonstrieren:

 

http://rojava-solidaritaet.net/

 

Am 29.11.2014 findet in Frankfurt am Main die bundesweite Demonstration „Weg mit dem PKK-Verbot – Verteidigt die Revolution in Rojava“ statt. In dem Aufruf des internationalistischen Aktionsbündnisses Frankfurt (IAB) heißt es: „Inmitten des Chaos des syrischen Bürgerkriegs hat die Bevölkerung der im Norden Syriens liegenden mehrheitlich kurdisch bewohnten Regionen ein Gesellschaftsmodell der multinationalen, friedlichen Koexistenz aller Völker und Religionen, der demokratischen Selbstverwaltung, des Sozialismus und der Geschlechterbefreiung aufgebaut“. Das kann sein, das kann aber auch nicht sein. Die kurdischen Demonstrationen in Deutschland zeigen sich in erster Linie in einem offenen zur schau gestellten Nationalismus und Führerkult aus. Als „Antinationale Gruppe Frankfurt“ nehmen wir dies als Anlass für einen Kommentar:

 

Unser Vorschlag, auf der Demo insgesamt keine Nationalfahnen zuzulassen, konnte sich im Vorbereitungskreis nicht durchsetzen. Nicht zuletzt, weil ein Großteil der Linken in Deutschland, etwa weite Teile der Linkspartei, immer noch der (antiimperialistischen) Ideologie von Staat, Volk und „nationaler Befreiung“ anhängt. Wir rufen verschiedene linke Gruppen dazu auf, diesen Anlass zu nutzen um auch dieses Jahr das nationalistische Spektakel nicht unwidersprochen geschehen zu lassen. Schließlich ist man sich auch sonst nicht dafür zu schade mit allen möglichen Reformisten auf die Straße zu gehen. Zudem lässt sich an diesem Anlass gut verdeutlichen, wie ein Antinationalismus heute in Theorie und Praxis aussehen sollte – und wie nicht. Denn gequält von der alltäglichen Erfahrung ihrer Ohnmacht und Vereinzelung in der kapitalistischen Konkurrenz suchen sie nach Anhaltspunkten einer versicherten, unzweifelhaften und widerspruchsfreien Zusammengehörigkeit. Der Fehler der NationalistInnen ist dabei allerdings ein doppelter: Einerseits erwarten sie sich vom Fortkommen ihres Staates eine reale Veränderung ihrer Situation im Teufelskreislauf der kapitalistischen Konkurrenz. Dabei kann eben dieser Staat aber bestenfalls die Ausgangsvoraussetzungen (z. B. „Bildung“) seiner Staatsbürger in jenem Hauen und Stechen verbessern, das er als Ganzes jedoch stets aufs Neue antreiben muss. Wer aber aktuell dem Nationalismus im Standort Deutschland/Türkeri/Kurdistan an den Kragen will, der muss den dominanten nationalistischen Diskurs als das kritisieren, was er im globalen Maßstab inzwischen ist: Die Normalkatastrophe.

 

Die Geschichte der radikalen Linken ist eine Geschichte von Enttäuschungen und Ersatzhandlungen. Unser Vorschlag an die antifaschistische Linke ist daher denkbar einfach: Die Aufgabe der Emanzipation sieht eine bedingungslose Solidarität mit einem staatlichen Gewaltapparat nicht vor. Nach dem mit der Verstaatlichung der Arbeiterbewegung schon das vermeintlich revolutionäre Subjekt im falschen abhanden gekommen war, der Reformismus sich in unzähligen Kriegen und Krisen blamiert und die antiimperialistische Vorstellung „nationaler Befreiung“ sich bestenfalls (zuletzt in der Globalisierungsbewegung) als Ideologie der nachholenden Entwicklung abgehängter Staaten in der Weltmarktkonkurrenz entpuppt hat, haben jene Linken, die diese Entwicklung immerhin zur Kenntnis nehmen, tendenziell ein politisches Identitätsproblem. Wo weder ein Subjekt noch eine Strategie zur grundsätzlichen Veränderung der Gesellschaft realistisch erkennbar und der Alltag in den sozialen Zentren und Kleingruppen häufig frustrierend bis nervtötend ist, da ist die Suche nach einem Ort, der eine ungebrochene Identifikation anzubieten scheint, nachvollziehbar.

 

Die radikale Kritik von Staat, Nation und Kapital braucht sich allerdings auch nicht auf eine Frage der richtigen Gesinnung zurückzuziehen und der praktischen Auseinandersetzung zu enthalten: Es ist nicht radikal, wenn die Linke die gesellschaftliche Ohnmacht theoretisch verdoppelt. Anstatt sich auch noch mit der eignen Ohnmacht zu identifizieren, gilt es dagegen die antinationale Kritik, wo immer möglich, als Vaterlandsverrat praktisch zu machen.

 

Ob solch ein praktischer Antinationalismus eine Perspektive für die grundsätzliche Veränderung dieser Gesellschaft eröffnet, lässt sich zwar nicht mit Sicherheit behaupten, dass es ohne ihn allerdings bestimmt nichts werden, wird ist sicher. Jene nämlich, dass jede Sorge um die Nation und jeder Appell an den Staat letztlich eine Parteinahme gegen die Menschen ist – hier und erst recht anderswo.

 

So oder so – kein Grund zum Feiern. Denn die Feier der Nation ist ein Angriff auf das schöne Leben und ein Hohn gegenüber der Gesellschaft, wie wir sie uns vorstellen: Nationalismus ist keine Alternative!

 

Antinationale Gruppe Frankfurt