Landesverfassungsgericht kippt in Teilen Sachsen-Anhalts Polizeigesetz

cops

Die Richter des Landesverfassungsgericht Sachsen-Anhalt in Dessau-Roßlau haben das im Februar 2013 vom Landtag beschlossene Polizeigesetz für verfassungswidrig erklärt.

 

In vier von fünf im Vorfeld kritisierten Punkten wurden Gesetzesteile als ungültig bzw. verbesserungswürdig befunden. Demnach darf die Polizei vorerst keine Trojaner zum Überwachen verschlüsselter Telefonate verwenden. Kommunen dürfen nicht einfach an bestimmten Orten und Zeiten den Alkoholkonsum und das Benutzen von Glasbehältern verbieten.

Das zwangsweise Anwenden von Blutentnahmen bei Polizeikontrollen darf laut Gericht erst nach richterlicher Anordnung erfolgen. Videoaufzeichnungen bei Kontrollen dürfen laut Gericht nur vom Behördenleiter und nicht von einzelnen Polizeibeamt*innen angeordnet werden.

 

Bestätigt wurde vom Gericht jedoch die Erlaubnis für die Polizei, zur „Abwehr einer gegenwärtigen Gefahr für den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes oder für Leib, Leben oder Freiheit einer Person“ die Telekommunikationsstrukturen abzuschalten. Demnach könnte beispielsweise eine unliebsame Demonstration als Gefahr eingestuft werden, um in diesem Zusammenhang einfach das Mobilfunknetz abzuschalten. Diese Methode, die Kommunikation von regimekritischen Aktivist*innen zu erschweren, war vor allem während der Aufstände in Ägypten und Syrien, ausgemachten autoritären Diktaturen, bekannt geworden.

 

Innenminister Holger Stahlknecht (CDU) zeigte einmal wieder, wie sehr er das Überwachungsstaat-Denken verinnerlicht hat und äußerte in bestem Politiker-Neusprech: „Es kann nicht angehen, dass es eine Sicherheitslücke gibt. Das ist eine Einladung an alle Attentäter, in Deutschland Attentate zu verüben“. Mit seinen perfiden Worten will Stahlknecht suggerieren, dass jetzt ohne den Staatstrojaner (von dem gar nicht klar ist, ob er eingesetzt wurde und wenn, welche „Attentate“ er verhindert haben soll) plötzlich irgendwelche nicht näher beschrieben „Attentäter“ freie Hand hätten und Anschläge in Sachsen-Anhalt nur noch eine Frage der Zeit seien.

 

Letztendlich wird die Einschränkung des Polizeigesetzes durch das Gericht in der Praxis jedoch wohl kaum Bedeutung haben. Was technisch möglich ist, wird gemacht. Auch wenn die Polizei gesetzlich nicht befugt ist, Überwachungssoftware einzusetzen, werden beispielsweise vom Verfassungsschutz Trojaner zur Überwachung verwendet. Es zeichnet sich ab, dass sich dieses „Problem“ mit dem schrittweisen Zusammenführen von Geheimdiensten und Polizei in Zeiten von „Abwehrzentren“ und „Kompetenzzentren“ ganz von allein lösen wird.

 

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Das 1945 zwischen den Alliierten Siegermächten geschlossene Potsdamer Abkommen hatte nicht ohne Grund in seinen Vertragsvereinbarungen den Punkt die zentralistische und sich verselbstständigte Sicherheitsarchitektur des NS Staates als wesentliches Element zu zerschlagen.

Die institutionelle Trennung von polizeilichen, juristischen und geheimdienstlichen Interessen werden dort in 2 von den 4 wesentlichen Vertragsbereichen berührt.

 

Der Entnazifizierung und der Dezentralisierung.

 

Das konzentrieren aller Kompetenzen im Staat bei einer zentralen obersten Instanz, als gesellschaftliche Wirklichkeit, wurde schon 1945 folgerichtig aus der NS Sicherheitsarchitektur geschlussfolgert , als Kennzeichnung von charakteristischen Strukturen eines politischen Systems, insbesondere bei Regimen, erkannt.

 

In kaum einem anderem Punkt wie der Umsetzung der Punkte "Entnazifizierung und Dezentralisierung" im Zusammenhang mit dem "Reichssicherheitshauptamt RSHA", wird der Zusammenhang zwischen Faschismus, Überwachungsstaat und Demokratieabbau so deutlich.

 

Deshalb bestanden die Alliierten auf die Entnazifizierung UND die Zerschlagung der Struktur des RSHA.

 

Das mit der Entnazifizierung in Justiz, Polizei und Überwachungsorganen wurde in der BRD ja bekanntlich weitestgehend unterlaufen. Stichworte: Filbinger, Reinhard Gehlen etc.

 

Die Bundesrepublik ist nun zudem deutlich auf dem Wege die Sicherheits- und Überwachungsstrukturen im Zuge der Zusammenarbeit der Dienste entgegen den Lehren der Geschichte, in Richtung Diktatur respektive der faktischen und politischen Ergebnissen eines "Reichssicherheitshauptamtes" zu verschieben!

 

Wer sich die grundlegendsten Dokumente beider "Sicherheitsaufgabenstellungen", RSHA und die der Landes-, Bundespolizei, des VS und nicht zu vergessen der Verteidigungspolitischen Grundsätze der BRD (Stichwort: Einsatz der Bundeswehr im Inneren), mit Hinblick auf das schrittweise Zusammenführen von Geheimdiensten und Polizei in Zeiten von „Abwehrzentren“ und „Kompetenzzentren“, durchließt, wird sich dieser erschreckenden Entwicklung schnell bewusster.