Am 25. September 2014 steht in Öhringen ein junger Antifaschist vor dem Amtsgericht. Ihm wird vorgeworfen, dem baden-württembergischen Innenminister Reinhold Gall bei einer Podiumsdiskussion an einer Hochschule in Ludwigsburg im Februar 2014 eine Torte ins Gesicht geworfen zu haben.
Gall konnte aufgrund der Torten-Aktion nicht an dem Gespräch zum Thema "Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit von Buchenwald bis zu den NSU-Morden" teilnehmen. Er verließ die Veranstaltung, um sich im Krankenhaus die Sahne aus dem Gehörgang entfernen zu lassen.
Laut Anklage soll sich der Aktivist somit der versuchten Körperverletzung, der versuchten Sachbeschädigung und der Nötigung schuldig gemacht haben.
Im Anschluss an die Aktion hatte sich eine "Heilbronner Konditorei für konsequente Aufklärung" zu dem Wurf bekannt.
In einer Erklärung begründete die Gruppe ihre Intervention mit der Blockade der grün-roten Landesregierung und insbesondere des SPD-Innenministers bei der Aufklärung des "Nationalsozialistischen Untergrundes" (NSU). An dieser Verweigerungshaltung der Verantwortlichen in Stuttgart hat sich bis heute nichts geändert.
Wenige Tage nach dem Tortenwurf veröffentlichte eine "Ermittlungsgruppe Umfeld" der Polizei einen Bericht. Dieser sollte die Verbindungen der Nazi-Terroristen des NSU nach Baden-Württemberg offenlegen, lieferte aufgrund seiner Substanzlosigkeit allerdings mehr Fragen als Antworten. Den staatlichen Behörden bescheinigte der Bericht, alles richtig gemacht zu haben – kein Wunder, wenn die Polizei sich selbst untersucht.
Auch eine "Enquetekommission" die nur aufgrund öffentlichen Druckes eingerichtet wurde, erwies sich schon nach den ersten Sitzungstagen als Farce. Die Kommission hat kein Konzept und vor allem kein Recht Akten anzufordern oder Zeugen vorzuladen. Sie ist ein zahnloses Instrument, das vor allem als Ablenkungsmanöver benutzt wird, um einen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss zum Thema NSU zu verhindern.
Wie unverfroren das baden-württembergische Innenministerium unter Reinhold Gall weiterhin an seinem Blockade-Kurs festhält, wurde erst Ende August 2014 wieder deutlich. Die "Enquete-Kommission" hatte den Wunsch geäußert, die beiden ehemaligen Leiter der "Soko Parkplatz" anzuhören. Diese polizeilichen Sonderkommissionen waren für die Untersuchung des mutmaßlichen NSU-Mordes an der Polizistin Michèle Kiesewetter in Heilbronn verantwortlich. Gall verweigerte den Polizisten die Genehmigung, vor dem Gremium auszusagen und sabotiert damit persönlich sogar eine zaghafte Beschäftigung mit dem rätselhaften Mord in Heilbronn 2007.
Dabei gibt es weiterhin mehr als genug ungeklärte Fragen.
Warum werden die Verbindungen von Michèle Kiesewetter zur Nazi-Szene nicht untersucht? Warum tummeln sich gerade in Baden-Württemberg
zahlreiche Personen aus dem NSU-Umfeld? Welche Rolle spielen faschistische Netzwerke wie "Blood and Honour" und "Hammerskins"?
Warum starb der Nazi-Aussteiger Florian Heilig an dem Tag, als er beim LKA Stuttgart zum NSU befragt werden sollte?
Wie rassistisch ist eine Polizei, die jahrelang gegen Migrant*innen und Sinti und Roma ermittelt und gleichzeitig die Mitgliedschaft eigener
Beamter im "Ku-Klux-Klan" unter den Tisch kehrt?
Und was führt ein Verfassungsschutz im Schilde, dessen "V-Männer" einen "Ku-Klux-Klan" in Schwäbisch Hall gründen und der Akten schreddert, wenn Aufklärung droht?
Anstatt sich mit diesen Fragen auseinander zu setzen, zerren die Ermittlungsbehörden jetzt einen Antifaschisten vor Gericht, der mit einer symbolischen Aktion gegen die "Schwamm drüber!"- Strategie der baden-württembergischen Landesregierung protestieren wollte. Sie wollen eine weitere Möglichkeit nutzen, um unbequeme antifaschistische Akteure zu kriminalisieren.
Wir weisen diesen Versuch entschieden zurück und erklären unsere Solidarität mit dem angeklagten Tortenwerfer. Nicht die Platzierung von Himbeersahne auf dem Innenminister Reinhold Gall gehört untersucht, sondern die faschistischen Netzwerke und ihre Verbindungen zu den deutschen Behörden!
Wir rufen zur solidarischen Begleitung des anstehenden Prozesses auf.
Kundgebung vor dem Öhringer Amtsgericht (Karlsvorstadt 18, 74613 Öhringen): 25. September 2014 | 09:00 Uhr
Prozessbeginn: 09:30 Uhr
Unterstützende Gruppen:
AK Antifa Mannheim
AK Antirepression Freiburg
Antifaschistische Aktion Heilbronn
Antifaschistische Aktion (Aufbau) Stuttgart
Antifaschistische Initiative Heidelberg (AIHD)
Antifaschistische Linke Bühl Achern
Antifaschistische Linke Freiburg
Autonome Antifa Schwäbisch Hall
DKP Schwäbisch Hall/ Kommunisten Hohenlohe
Die Linke Kreisverband Schwäbisch Hall/ Hohenlohe
Offenes Antifaschistisches Treffen Heilbronn (OAT)
Organisierte Linke Heilbronn (OL)
Unterstützende Einzelpersonen:
Ariane Raad
Arne Gailing
Bahar Pencabligil
Florian Vollert, Kreisrat
Heike Hänsel, MdB Die Linke
Janka Kluge, Landessprecherin der VVN - BdA Baden-Württemberg
Jochen Dürr, Landessprecher der VVN - BdA Baden-Württemberg
Katharina Kaupp
Lothar Letsche, Mitglied des geschäftsführenden Landesvorstands der VVN–BdA Baden Württemberg
Michael Janus
Sigi Hubele
Silvia Ofori
Thomas Müssig
Volker Bohn, Stadtrat
TERMIN VERSCHOBEN!
Wichtige Info: Der Prozess wurde verschoben und wird nicht am 25. September statt finden! Weitere Infos folgen!