Medienmitteilung des Vereins Musik und Kultur vom 19. August 2014, Organisatorin des «Antifascist Festival» in Bern
Am ersten August-Wochenende 2007 fand in der Grossen Halle der Reitschule Bern das zweite „Antifascist Festival“ statt. Eine mitten in der Halle platzierte Brandbombe konnte glücklicherweise rechtzeitig entdeckt werden – der Sprengsatz detonierte im Freien. Nur mit viel Glück wurde niemand verletzt. Im Frühjahr 2010 „stolperte“ die Polizei über K.S., einen bekannten Neonazi.
Eine DNA-Spur auf dem Brandsatz konnte dem Tatverdächtigen zugeordnet werden. Nichts desto trotz stellte die Bundesanwaltschaft das Verfahren gegen ihn ein. Hiergegen hatte der Verein Musik und Kultur Beschwerde erhoben, diese wurde am 12. August 2014 von Bundesstrafgericht gutgeheissen – die Bundesanwaltschaft muss das Verfahren nun weiter führen und Klage erheben.
Der zweite Konzertabend des „Antifascist Festival“ 2007 war in vollem Gange und mit 1500 Gästen gut besucht. Kurz vor Mitternacht wurde inmitten der Menschenmenge ein verdächtig nach Benzin riechender Rucksack entdeckt. Dieser wurde sogleich durch einen Seitenausgang hinausgebracht. Wenige Minuten später explodierte der Inhalt des Rucksacks vor dem Ausgang Schützenmattstrasse, in unmittelbarer Nähe der Sicherheitsmitarbeitenden, die den Rucksack gefunden hatten. Der hieraus entstandene Feuerball schoss etwa vier Meter in die Höhe und hatte einen Durchmesser von ca. neun Metern. Die unmittelbar nach der Explosion und dem Abbruch der Veranstaltung alarmierte Polizei wirkte von Anfang an desinteressiert. Sie musste gar davon überzeugt werden, die Spurensicherung aufzunehmen und verweigerte unsere Bitte, die Konzertlokalität professionell abzusuchen. Das Durchsuchen der Konzerthalle nach weiteren möglichen Brandsätzen haben wir sodann selber übernehmen müssen. Das lasche Vorgehen der Untersuchungsorgane zog sich jedoch durch das ganze bisherige Verfahren. Bereits 2007 gab es Indizien dafür, dass der heute im Zentrum der Ermittlungen stehende K.S. am Anschlag beteiligt war. So veröffentlichte er am Morgen des 5. August 2007 in einem „Blood&Honour“-Forum unter dem Pseudonym „Eidgenosse88“ unsere Pressemitteilung zum Anschlag und grüsste mit „Sieg Heil“ und dem Kürzel „C18“, welches für die britische Nazi-Terrororganisation „Combat 18“ steht. Er veröffentlichte die Mitteilung nur kurz nachdem wir diese ins Internet gestellt hatten und damit zu einem Zeitpunkt, als noch kein einziges Medienorgan darüber berichtet hatte – ganz als hätte er auf unsere Reaktion gewartet, da er wusste, dass etwas passiert war (vgl. Foto auf der Pressemitteilung der Antifa Pieterlen). Dies genügte der Staatsanwaltschaft offensichtlich nicht und sie blieb untätig. Das Verfahren wurde letztlich 2008 eingestellt.
Der heute Beschuldigte K.S. geriet praktisch durch Zufall in den Fokus der Ermittlungen, nachdem bei ihm im März 2010 eine Hausdurchsuchung wegen Verdachts auf illegalen Waffenbesitz durchgeführt wurde. Nebst diversen Waffen und Materialien von „Combat 18“ werden auch Bauanleitungen für Brand- und Sprengsätze – insbesondere auch eine Anleitung zur Herstellung eines typengleichen Brandsatzes, wie beim Anschlag in Bern verwendet wurde – gefunden. Aber nicht nur die Anleitungen wurden gefunden, sondern auch die entsprechenden Bauteile dazu. Zusätzlich musste K.S. seine Fingerabdrücke und eine DNA-Probe abgeben. Der folgende routinemässige Abgleich mit der DNA-Datenbank ergab eine Übereinstimmung mit DNA-Spuren, welche auf den Überresten des detonierten Sprengsatzes in der
Reitschule gefunden wurden – das Verfahren wurde wieder aufgenommen, 2012 vom Kanton Bern an die Bundesanwaltschaft übergeben und von dieser am 3. Januar 2014 wieder eingestellt. Damit verzichtete die Bundesanwaltschaft auf eine Anklageerhebung und die Durchführung eines Gerichtsverfahrens. Begründet hatte diese den Entscheid damit, dass keine direkten Beweise vorlägen. Die DNA-Spur belege lediglich, dass K.S. mit dem Brandsatz in Berührung gekommen war, nicht aber, dass er diesen in der Reitschule Bern deponiert habe. Die Telefonüberwachung hätte keine eindeutigen Beweise ergeben, die bei ihm gefundenen Bauteile seien Massenware und könnten überall erworben werden. Weitere Ermittlungen im rechtsextremen Umfeld des Beschuldigten wurden abgelehnt. Gegen diese Einstellungsverfügung hatte der Verein, in seiner Eigenschaft als Privatkläger, fristgerecht Beschwerde beim Bundesstrafgericht in Bellinzona erhoben. Selbst wenn mit den vorliegenden Indizien die direkte Tatbegehung durch K.S. nicht eindeutig belegt werden könnte, ergibt sich doch ein Gesamtbild, welches keinen anderen Schluss zulässt, als dass er in irgendeiner Art und Weise an dem Brandanschlag beteiligt gewesen war. Ein solches Gesamtbild rechtfertigt in keiner Art und Weise die Einstellung des Verfahrens, welche ein „klarer Fall von Straflosigkeit“ voraussetzt. Dieser Ansicht schliesst sich auch die Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts an und zeigt grösstes Unverständnis für die Verfügung der Bundesanwaltschaft. Bereits aus den Erwägungen in der Einstellungsverfügung der Bundesanwaltschaft ginge „eindeutig hervor, dass hier kein Fall von klarer Straflosigkeit [vorläge]. Die [Bundesanwaltschaft] selber [habe] in nachvollziehbarer Weise die diversen, handfesten Indizien angeführt, welche [K.S.] mit der Straftat in Zusammenhang bringen“ (Beschluss vom 12. August 2014, E. 2.3). Im 21 Seiten umfassenden Beschluss befasst sich die Beschwerdekammer lediglich auf 12 Zeilen inhaltlich mit unserem Beschwerdebegehren und stutzt die Bundesanwaltschaft mit den Worten, die Bundesanwaltschaft sei „als Untersuchungsbehörde nicht dazu berufen, über Recht oder Unrecht zu richten“ (Beschluss vom 12. August 2012, E. 2.3), richtiggehend zurecht. Im Ergebnis muss die Bundesanwaltschaft nun die Untersuchung weiterführen und gegen den Tatverdächtigten K.S. Anklage an die Strafkammer des Bundesstrafgerichts erheben.
So zufrieden wir über die Gutheissung der Beschwerde sind, so erstaunt sind wir über den (Nicht)-Verlauf des Verfahrens insgesamt. Selbst DNA-Spuren, Bombenbaupläne und dazugehörende Bauteile reichten der Bundesanwaltschaft scheinbar nicht aus. Vor diesem Hintergrund erscheint die Tatenlosigkeit der Justiz bis 2010 umso fataler, zumal schon 2007 Hinweise in die Richtung K.S. deuteten. Dass knapp drei Jahre nach dem Anschlag keine eindeutigen Beweismittel mehr sichergestellt werden konnten und die Telefonüberwachung keine Tathinweise mehr ergab, erscheint nur schon aufgrund des zeitlichen Ablaufes mehr als einleuchtend. Wir sind – wie schon 2007 – schockiert darüber, mit welcher Gleichgültigkeit über einen der potentiell schwersten Anschläge auf linke Strukturen durch Neonazis in den letzten Jahrzehnten hinweggegangen wurde. So hält Lina Meyer, Mitglied des Vereins fest: „Es ist weiterhin unvorstellbar, was geschehen wäre, wenn der Anschlag nicht hätte vereitelt werden können und die Brandbombe inmitten der 1.500 Menschen explodiert wäre“.
Wir sind absolut nicht bereit, diesen Anschlag unter den Teppich kehren zu lassen und fordern nachdrücklich eine lückenlose Aufdeckung der Ereignisse!
Verein Musik und Kultur
Gut dass ihr Beschwerde erhoben habt
Ich hoffe, dass Kim Sury für lange Zeit in den Knast wandert.
Wunderlich
Wunder ihr euch bei eurem Verhältniss der Polizei gegenüber eigentlich wirklich, warum diese nicht sofort angehoppelt kommt, wenn Ihr mal pfeift?
Wieder ein mal...
Staat und Nazis, Hand in Hand!
War wahrscheinlich ein V-Mann oder jemand der in dessen Auftrag arbeitete...