Dieser Artikel stellt eine Art Fortsetzung zu einem vor einigen Tagen auf Indymedia erschienenen Text dar: Zu Minderheitenpositionen in Israel und Antisemitismus
Leider
hatte sich die Diskussion auf linksunten dazu größtenteils in eine sehr
bedauernswerte Richtung, die wenig vom Bemühen um Verständnis geprägt
war, entwickelt. Ich vermute, es liegt auch daran, dass die Texte zum
Großteil in Englisch waren und vielleicht auch 'zu lang' ("to long;
didn't read").
Ich möchte dennoch an dieses Posting anknüpfen und einige Positionen ergänzend vorstellen.
Abschließend dann Überlegungen zum Verstehen der Komplexität des Konfliktes.
1. Gegen Ende des genannten Indy-Threads gibt es einen Hinweis auf:
http://www.breakingthesilence.org.il/
Auf der SüddeutschenZeitungs-Seite gab es am 28. Juli einen Artikel der aktuellen Geschäftsführerin von breakingthesilence, per Definition der Organisation einer israelischen Ex-Soldatin:
"Tausend Kilo Tod" von Yuli Novak
http://www.sueddeutsche.de/politik/israelische-bomben-auf-gaza-tausend-k...
Der Artikel würde am gleichen Tag im Guardian publiziert:
http://www.theguardian.com/commentisfree/2014/jul/28/israeli-military-mo...
Interessant ist ein Vergleich der Schlussabsätze der beiden im übrigen fast gleichen Artikel. In der SZ-Fassung heißt es:
"Das Schweigen der Öffentlichkeit angesichts solcher Aktionen - innerhalb und außerhalb von Israel - ist aus meiner Sicht ein stillschweigendes Einverständnis. Es bedeutet, dass für den militärischen Erfolg ein inakzeptabler moralischer Preis akzeptiert wird. Den Frieden, den wir brauchen, wird das nicht bringen."
Demgegenüber im Guardian:
"Public silence in the face of such actions – inside and outside of Israel – is consent by default, and acceptance of an unacceptable price."
Hier steht nichts von einem nur "moralischen" Preis. Denn - so meine Lesart - es geht Yuli Novak eben auch um den "direkten Preis" am Menschenleben der getöten "Zivilist_innen" in Gaza. Auf mich wirkt die deutsche Fassung somit abgeschwächt.
Zu dieser Stellungnahme Yuli Novaks und ihrer Aufnahme/Verbreitung in "liberalen" westlichen Medien gibt es eine Kritik von Jonathan Cook, der meint, dass Novak die ungerechtfertigte Selbst-Mythologisierung der israelischen Armee im Grunde fortschreibe.
Shooting and Crying Over Israel’s Lost Moral Army
http://www.globalresearch.ca/shooting-and-crying-over-israels-lost-moral...
Dieser Artikel enthält Formulierungen wie "Israel’s national mission: to subdue and displace the native Palestinian people.", die ich persönlich für nicht angemessen halte. Wie immer in diesem Diskurs bieten sie Ansatzpunkte für antisemitische Denkmuster. In meiner Lesart versucht Cook hier das hier in Westeuropa zumindest in linken/liberalen Kreisen herrschende hegemoniale Narrativ des israelischen Staates zu erschüttern ("einzige Demokratie im Nahen Osten").
2. Uri Avnery hat am 23. Juli unter dem Titel "Ein für alle Mal" eine neuere Stellungnahme veröffentlicht:
http://www.uri-avnery.de/news/296/17/Ein-fuer-alle-Mal
Wieder einmal eine Position, die in meinen Augen das Potential für eine "Aussöhnung" hat, allerdings in Israel extrem marginalisiert ist.
Nach der erneuten "Ausweitung der Kampfzone" in den Gaza-Streifen hinein scheint es nunmehr schwieriger denn je geworden zu sein, mit dieser Art von Frieden und "Aussöhnungs"bemühungen zu beginnen.
3. Norman Finkelstein hat in einem Video-Beitrag von 28. Juli versucht zu erklären, welche Art von Logik aus seiner Sicht hinter den israelischen Militärangriffen der letzten Tage steht. Er spricht bewusst von Terror-Angriffen:
a) Möglichst Verluste unter den IDF-Soldaten zu vermeiden (deswegen Häuserkomplexe in Schutt und Asche legen und die großen Verluste an palästinensischen Zivilist_innen dabei "in Kauf nehmen").
b) Die palästinensische Bevölkerung zu demoralisieren.
c) Die Hamas dadurch auf lange Sicht zu schwächen, dass ihr die palästinensische Bevölkerung nach Ende des Krieges die Schuld an den Verwüstungen des israelischen Militärs geben werde.
Den sieben Minuten-Beitrag gibt es auf englisch hier:
http://zcomm.org/zvideo/gaza-is-there-method-in-the-madness/
4. Zum Bombardement mit mehr als 100 Toten und der Zerstörung des einzigen Elektrizitätswerkes im Gaza-Streifen durch die israelische Armee am 29. Juli meldet Ha'aretz:
"At least 100 Gazans killed as Strip's only power station destroyed
Palestinian death toll since the war began nears 1,200, with over 7,000 people wounded. [...]
Not only were at least 100 people killed in heavy bombardments from land, air, and sea, but the Strip’s only power station was bombed and is expected to be inoperable for at least a year. Palestinian sources said the death toll was likely to climb when all the bodies are pulled out of the..." (Rest hinter einer paywall)
Der ausführliche Artikel dazu im Guardian verweist auf die Bedeutung des zerstörten E-Werks für die Wasseraufbereitung im gesamten Gaza-Streifen und auch die Bedeutung für die Krankenhäuser des gesamtem Gaza-Gebietes.
http://www.theguardian.com/world/2014/jul/29/gaza-power-plant-destroyed-...
Ich denke, dass ein für ein tieferes Verständnis des Konfiktes nötig ist, die Kräfte zu begerifen, die zu dem seit längerem vollziehenden Rechtsruck in Israel geführt haben. Denn hier ist meines Erachtens eine der Ursachen zu finden, warum sich in Israel derzeit so viele gegen Positionen sperren, die der (arabischen) Bevölkerung in Gaza und der West-Bank bessere Lebensbedingungen ermöglichen könnten.
Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass es ja in vielen Staaten auch in Europa ein massives Wiedererstarken nationalistischer und chauvinistischer Positionen gibt und der Neoliberalismus allüberall zu "triumphieren" scheint.
Viele Linke scheinen sich in Deutschland nicht dem MÖGLICHEN Vorwurf des Antisemitismus aussetzen zu wollen. Damit versuchen sie meines Erachtens eine Konsequenz aus dem eben auch in Teilen der Linken hierzulande vorhandenen offenen Antisemitismus zu ziehen (siehe z.B. die Diskussion um Gerd Albartus (RZ-Mitglied)). Und sie versuchen auch, die Erkenntnisse zum strukturellen Antisemitismus ernstzunehmen.
Begleitet wird dies vom Erstarken islamistischer Fundamentalismen, die ihrerseits als Bedrohung wahrgenommen werden. Das mag zwar. so denke ich, im Einzelfall gerechtfertigt sein, doch misslingt hier oft die nötige Trennschärfe, wenn es darum geht, den eigenen anti-islamischen Rassismus überhaupt wahrzunehmen. Besonders der Diskurs der versucht, die "Traditionen der Aufklärung" hochzuhalten, scheint mir anfällig dafür, die eigene Verstrickung in "kolonialisierende" Denkmuster und Verhaltensweisen auszublenden.
Auch halte ich die Frage von sich selbst als "israelsolidarisch" bezeichnenden Menschen gerechtfertigt, wieso anscheinend mit besonderer Empörung reagiert wird, wenn eine Regierung sich derart verhält wie die israelische.
Werden hier "andere Maßstäbe" angelegt, als bei anderen Regierungen? Wenn ja, warum?
Ich denke, so wie es nötig ist, die multiplen und sich generationsmäßig überlagernden Traumatisierungen von Menschen mit palästinensischer/arabischer Herkunft begreifen zu wollen, ist es auch notwendig, ähnliche Prozesse bei jüdischen Menschen in Israel verstehen zu wollen.
Es laufen über die Zeit hinweg hochkomplexe Prozesse ab: potentielle Weitergabe von Traumatisierungen über Generationsgrenzen hinweg; Re-Traumatisierungen durch Kriegsbedrohung und Krieg; aktuelle Traumatisierungen durch Krieg; speziell für die arabischstämmigen Menschen: Vorenthaltung lebenswürdiger Bedingungen ...
Das ganze wird begleitet vom Machterhaltungswillen der jeweils herrschenden Eliten in Gaza/Westbank bzw. Israel.
Dieses alles vollzieht sich eingerahmt/massiv beeinflusst von Machtinteressen anderer Regierungen bzw. von deren Machteliten: Ägypten/Golfstaaten/USA/EU/Iran/...
Und was können wir als Linke in Deutschland daraus machen? Einem Land, in dem antisemitische Denkmuster wohl bei zwischen 10 bis 20 Prozent der Bevölkerung bestehen. Und dass den Holocaust zu verantworten hat. Und in dem alte Eliten sich in ihren gesellschaftlichen Machtpositionen gehalten haben. Und in dem antimuslimische Denkmuster wohl noch weiter verbreitet sind als die antisemitischen. Wobei beiden rassistische Denkmuster zugrunde liegen.
Und nun?
?
PS1: Für die Abschaffung des Sündenbockprinzips!
PS2: Für die Auseinandersetzung mit wirkmächtigen menschlichen Reaktionsweisen wie Schuldgefühlen, Schamgefühlen, Ängsten und Reaktivität*!
*Reaktivitität meint eigene Aggression als Abwehr eines vermeintlichen Angriffes, die sich meist unbewusst vollzieht. Der vermeintliche Angriff bedroht meist das eigene Selbstbild. Die Wahrnehmung als Angriff ist Ausdruck von tief eingespeicherten Ängsten, die oft selbst nicht gespürt/wahrgenommen werden, da der emotionale Kontakt mit ihnen bereits extrem schmerzhaft wäre und deshalb vermieden wird. "Reaktivität" wird von manchen Autor_innen auch mit den Begriff "Reaktionsbildung" bezeichnet. Das ganze scheint mir Stoff für einen längeren Artikel, der noch zu schreiben ist. Fühlt sich irgendwer angesprochen?
Gleiche Maßstäbe
Werden hier "andere Maßstäbe" angelegt, als bei anderen Regierungen? Wenn ja, warum? .
Werden von anderen Regierungen seit 70 Jahren Gebiete besetzt, werden von ihnen illegale Wehrsiedlungen errichtet und werde von denen inn 3 Wochen 1300 Menschen durch Bombenaqngriffe ermordet, währnd sier behaupten ein Hort der Demokratie und ein ganz normaler Staaat zu sein?
Ja? Dann nenne mir sie und wir demonstrieren gemeinsam dagegegen. Solange sich aber Israel genau so verhält muß es auch damit leben das man Gegener dieser Politik ist. Und aucgh die antideutschen Freunde dieser Politik werden damit leben müssen, so einfach ist das.
ja
Auf der ganzen Welt gibt es viel blutigere Konflikte als es der Israel-Palästina-Konflikt je war. Nichts für ungut, aber alle 2 Jahre einige Hundert Tote ist ein Witz im Vergleich zu dem was im irakischen Bürgerkrieg abging und gerade wieder im besonderen passiert. Es ist banal im Vergleich zum syrischen Bürgerkrieg. Das ist eine ruhige Phase im schwelenden afrikanischen Krieg zwischen Uganda, Kongo, Ruanda, usw. und ihren Rebellenmarionetten oder gar der Bürgerkrieg in Somalia. Marokko hält die Westsahara besetzt und lässt die israelische Besatzung harmlos aussehen. Über 200.000 Sahraouis leben seit Jahrzehnten in Zelten mitten in der Wüste, ohne jede Perspektive. Ja, selbst der Drogenkrieg in Mexiko kostet mehr Menschenleben. Mach einfach mal die Augen auf: http://en.wikipedia.org/wiki/List_of_ongoing_armed_conflicts
Zu keinem dieser Konflikte gab es auch nur eine Mahnwache. Aber sobald Juden involviert sind haben wir hier Riots...
Paranoia
Warum müssen sie jetzt Juden als eine Art Schutzschild wieder miteinbringen? Warum?
Es ist eine Schande, dass ständig unter Vorwand des Antisemitismus versucht wird, die Israelischen Vebrechen zu verschleiern. Und was ist das für ein unmoralischer Kommentar? Wieso relativieren sie den israelischen Terror durch noch schlimmeren Terror? Warum sind sie nicht dankbar dafür, dass zumindest bei diesem Massenmord die Weltöffentlichkeit nicht still bleibt auch wenn leider in diesem Fall das Terror Regime unterstützt wird von Seiten der westlichen Regierungen und immer noch großen Teilen unserer konservativ, abendländischen Gesellschaft. Aber besser als komplett wegschauen wie in ihren angeführten Beispielen oder im Tibet.
Ich frage sie: ist es Anti-deutsch wenn man gegen die Nazis ist? Ist es Antisemitisch ( ja,auch Araber sind Semiten!) oder Islamophob wenn man gegen Al Qaida ist? Ist es Anti-amerikanisch wenn man gegen die iperialistische Verbrecher Regierung der USA ist? Anti- Hinduistisch wenn man gegen Indiens Menschenrechtsverletzungen ist?
Die Hamas sollen ja angeblich die Zivilbevölkerung als Schutzschild benutzen, auch wenn diese Behauptung von keinem seriösen Beweis gestützt wird. Was ich aber noch schlimmer finde und tagtäglich in den westlichen Medien aber auch durch ihrem Kommentar bewiesen werden kann: Der Holocaust und Judenhass werden als Schutzschild für die Verbrechen Israels missbraucht! Juden werden als Schutzschild für diesen perversen Krieg missbraucht!
Reicht es nicht schon aus, dass Netanjahu und seine zionistische Regierung diese perfiede Taktik verfolgen? ( Uri Davis, jüdischer Abgeordneter der PLO bestätigt diese These, einfach googeln) Müssen wir uns in einem laut Verfassung demokratischen und liberalen Staat auf so ein Niveau herab lassen?
Hamas ist Schuld
am Ausbruch dieses letzten Konflikts. Das ist Fakt. Nach dem Mord an einem Palästinensischen Jugendlichen der von Israelis (höchstwahrscheinlich, die mutmaßlichen Verbrecher sind verhaftet!) hat die Hamas mit Angriffen auf Israel begonnen die diese erst nach einiger Zeit erwidert haben.
Ja die Hamas ist Schuld !!!
Würde Israel gegen ALLE Palästinenser vorgehen würden auch ins Westjordanland Angriffe stattfinden.
you are so pathetic. die Deutche sind immer Schulden.
hey hey anti-deutch what is the lesson from Berlin walls?don´t you know Israel state runs by right wing party/politicians?. and more about OCCUPATION and PRISON. anti deutch better shut the fuck up if you consider yourself Left wing whatsoever!
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"anti deutch better shut the fuck up if you consider yourself Left wing whatsoever!" -> You may have a point here, nevertheless we neighter want people who support stalinism to consider themself as left. those two groups go crazy at every conflict between israel/palestina. They are both a reactionary minority within us, mainly cause they can't imagine a stateless world.
Sicherlich nicht
Ja natürlich, die Hamas ist Schuld, so einfach könnte man es sich machen!
Mal ganz abgesehen von der Schuldfrage des Nahost Konfliktes, welche seit 1967 bei Israel liegt, ist der derzeitige israelische Terror durch fast nichts zu rechtfertigen. Gab es einmal auch nur ein Schuldgeständnis von Seiten der israelischen Regierung? Ein einziges? Nein! Genauso wenig wie von den USA bei ihren Verbrechen im Laufe der Jahrzehnte. Diese Staaten scheinen einfach perfekt und absolut schuldlos zu sein. Ein Wunder.
yadayada
Zu keinem dieser Konflikte gab es auch nur eine Mahnwache. Aber sobald Juden involviert sind haben wir hier Riots...
Wir haben weder Riots hier noch ist es richtig das es zu keinem dieser Konflikte Aktionen in diesem Land gegeben hätte.
Meine erste Westsahara-Demo ist schon über 30 Jahre her. Da warrst du wahrsheinlich noch nicht mal geboren. Meine erste Israel-Demo übrigens auch. Als damals der Libanon mit Krieg und Terror überzogen wurde und Massaker stattfanden.
wow...vor 30 Jahren...
Wenn du mir eine einzige europäische Westsahara-Kundgebung in in den letzten 20 Jahren nennen kannst, dann bin ich beeindruckt. Ich könnte dann mal eben kurz googlen und dir 100 Pali-Demos in den letzten 5 Jahren in Deutschland raussuchen. Dass du jetzt allen Ernstes ein Gegenbeispiel aus den letzten 30 Jahren anführst unterstreicht mein Argument enorm. Ohne ideologische Verblendung würdest du das auch merken.
dummie or hannebambel?
http://lmgtfy.com/?q=Westsahara-Kundgebung
http://www.redglobe.de/afrika/westsahara/7327-internationale-demonstrati...
http://www.redglobe.de/images/stories/2013/130510polisario.jpg