Betreuung von Informanten: Fußball-Fanforscher arbeitet für Nachrichtendienst

Erstveröffentlicht: 
20.07.2014

Als Fanforscher erwarb Martin Thein das Vertrauen von Ultra-Gruppierungen. Offenbar nicht sein einziger Job. Nach SPIEGEL-Informationen ist er seit rund zwei Jahrzehnten für das Bundesamt für Verfassungsschutz tätig und warb dort Informanten an.

 

Von Rafael Buschmann, Erik Eggers und Mike Glindmeier

 

Hamburg - Der renommierte Kölner Fanforscher Martin Thein ist seit rund zwei Jahrzehnten und bis heute für das Bundesamt für Verfassungsschutz tätig. Für den Inlands-Nachrichtendienst hat der 48-jährige Politologe auch Informanten angeworben und betreut. Seit 2004 soll Thein beim Verfassungsschutz allerdings nicht mehr operativ, sondern in der Verwaltung tätig sein, berichten Insider.

 

Der gebürtige Bamberger baute 2011 an der Universität Würzburg das Institut für Fankultur mit auf, mit dem auch der Deutsche Fußball-Bund (DFB) zusammenarbeitete. Thein veröffentlichte mehrere Bücher über Fans, mit seiner Arbeit erwarb er sich das Vertrauen ansonsten verschlossener Ultra-Gruppierungen. Der Wissenschaftler hat auch einige Bundesligavereine beraten, zum Beispiel in Fragen der Gewaltbereitschaft gewisser Fanschichten.

 

In dem unlängst erschienenen Buch "Heimatschutz" der Autoren Dirk Laabs und Stefan Aust, des früheren SPIEGEL-Chefredakteurs, war Thein bereits als Mitarbeiter des Verfassungsschutzes in den Neunzigerjahren enttarnt worden - allerdings ohne Bezug zu seinen späteren Verbindungen in die Fußballszene. Dort haben die Enthüllungen jedoch Verunsicherung ausgelöst, ob Thein gezielt Fans, Ultras oder Hooligans ausgekundschaftet hat.

 

SPIEGEL ONLINE hatte im August 2012 berichtet, dass es bei drei Klubs Anwerbungen von V-Leuten bei Ultras gab: in Dresden, Köln und Nürnberg, drei Städten, in denen Thein jahrelang forschte. Ein mit Theins nachrichtendienstlicher Tätigkeit Vertrauter schließt jedoch aus, dass der Wissenschaftler Fußballfans ausspioniert hat. Demnach habe auch der Verfassungsschutz Theins Aktivitäten in der Fanszene "zu keiner Zeit finanziell unterstützt oder anderweitige Informationen daraus verwendet".

 

Thein war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen. Auf eine erste Anfrage antwortete er per Mail, er könne derzeit wegen eines Trauerfalls in der Familie nicht telefonieren. Die folgenden Mails ließ er unbeantwortet, meldete seine Adresse ab, löschte sein Facebook-Profil, über das er zuvor sehr aktiv gewesen war, und deaktivierte seine Telefonnummer.

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Wir forschen als Wissenschaftler an der Aufklärung von Hintergründen, Wechselwirkungen und Entwicklungsperspektiven des Sports. Dabei fokussieren wir vor allem gesellschaftliche Phänomene und Problemlagen, die wir theorie- und faktengeleitet hinterfragen, beleuchten und modellieren.

Im Feld der Fankulturforschung sehen wir besonderen Handlungsbedarf. Im Vergleich zu anderen gesellschaftlichen Handlungsfeldern kursieren hier im öffentlichen, medial inszenierten und politischen Diskurs immer wieder Positionen, die sich auf Pauschalisierungen, Alltagstheorien, Vorurteilen und sogar Verschwörungstheorien stützen. In der Konsequenz werden zuweilen die Prinzipien unserer Rechtsstaatlichkeit, Kommunikations- und Streitkultur, aber auch die Idee des sportbezogenen Fairplay und des kollegialen Miteinanders auf die Probe gestellt.

Neben der anspruchsvollen theoretischen und empirischen Arbeit bilden das Herstellen von Transparenz und die Praxis offener und seriöser Recherche zentrale Eckpfeiler unseres Selbstverständnisses.

Im Feld der auf den Fußball bezogenen Fankultur, in dem immer wieder spekulative Geschichten und Sensationen konstruiert werden und die betroffenen Akteure (v.a. Fans, Fußballspieler, Polizisten, Funktionäre, Unternehmer und Politiker) regelmäßig Gefahr laufen, als Gruppe oder Einzelperson öffentlich diskreditiert zu werden, halten wir die faktenbasierte Argumentation für unverzichtbar.

Einer der Mitbegründer unseres Instituts steht gegenwärtig im Fokus der öffentlichen Diskussion. Dr. Martin Thein hat in den ersten Gründungsmonaten (Januar 2012 bis Mai 2012) ehrenamtlich bei uns mitgearbeitet. Er ist dann an eine andere Universität und Forschergruppe gewechselt. Die seit mehr als zwei Jahren andauernde Aufbauphase des Instituts für Fankultur (Konzeption und Durchführung von Projekten, interdisziplinäre Seminare, Durchführung von Promotions- und Habilitationsprojekten) wird von anderen Forschern getragen; von Kollegen, die seither auf unserer Homepage transparent gemacht sind.

Dessen ungeachtet schätze ich die wissenschaftlichen Leistungen von Herrn Dr. Thein und die von ihm ausgehenden Impulse für die Fankulturforschung sehr. Auch deshalb bin ich gerade im vorliegenden Kontext an einer faktenbasierten Erörterung interessiert. Die Idee, der Verfassungsschutz würde Wissenschaftler und wissenschaftliche Einrichtungen unterwandern wollen, halte ich vorerst für skurril. Angesichts der Tragweite derartiger Gerüchte erscheint das Ausweiten des spekulativen Diskurses um dieses Thema als kontraproduktiv. Belast- und prüfbare Aussagen, Dokumente und Fakten zu diesem Themenkomplex wären – ebenso wie zu allen anderen von uns beforschten Phänomenen und Problemlagen der Fankultur – unverzichtbare Voraussetzung für qualifizierte Äußerungen.

 

Prof. Dr. disc. pol. Harald Lange

Würzburg, am 20. Juli 2014

http://kurvenfunk.blogsport.de/2014/07/24/kurvenfunk-juli-14/

 

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The­ma­tisch neh­men wir euch mit auf eine weite, weite Reise in die bi­zar­re Ge­dan­ken­welt un­se­rer Ord­nungs­hü­ter:

- wir wol­len die mys­te­riö­sen Vor­gän­ge rund um den Ver­fas­sungs“schüt­zer“ Mar­tin Thein be­leuch­ten und haben ein Ge­spräch mit einer ver­meint­lich be­spit­zel­ten Per­son aus der Nürn­ber­ger Fan­sze­ne ge­spro­chen.

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