Zweifel bei Asylpolitik - Stadt will privaten Wohnraum für die Unterbringung von Flüchtlingen erschließen.

Erstveröffentlicht: 
12.04.2014

LÖRRACH. Der Gemeinderat unterstützt die Verwaltung im Vorhaben, Asylbewerber nach ihrer Anerkennung oder Duldung in Wohnungen außerhalb von Sammelunterkünften unterzubringen. Allerdings bestehen Zweifel, ob dafür Wohnraum von privaten Vermietern gefunden wird.

 

Wie Bürgermeister Michael Wilke und Fachbereichsleiterin Isabell Gerhäusser am Donnerstag im zuständigen Gemeinderatsausschuss für Umwelt und Technik (AUT) berichteten, wird die Versorgern von Asylbewerbern angesichts steigender Zahlen zunehmend wieder ein Problem. Während der Landkreis für die Erstaufnahme von Flüchtlingen zuständig ist – und dafür offenbar den Bau einer Sammelunterkunft in Lörrach plant – müssen die Kommunen bei der Anschlussunterbringung anerkannte oder geduldete Asylsuchende mit Wohnraum versorgen. Die Stadt Lörrach muss nach derzeitigen Zahlen 2014 rund 50 Personen unterbringen. Bürgermeister Wilke hofft, dass dafür auch Privatleute leerstehende Wohnungen anbieten. Bei den Personen, die von der Stadt unterzubringen sind, handle es sich um Flüchtlinge, die bis dahin schon längere Zeit in Deutschland sind. Nach bisherigen Erfahrungen könne solchen Personen keine mangelnde Integrationsbereitschaft unterstellt werden.

Es sei zu begrüßen, wenn Flüchtlinge nicht in Sammelunterkünfte müssten, sagte Christiane Cyperrek und Gerd Wernthaler (Grüne) meinte, Lörrach müsse eine eigene Willkommenskultur entwickeln. Der Appell an Wohnungseigentümer sei wichtig. "Flüchtlingspolitik muss Integrationspolitik werden. Ursula Vollmer (CDU) und Erika Brogle (Freie Wähler) bezeichneten es auch als wünschenswert, Private einzubinden. Allerdings haben sie Zweifel, ob das gelingt.

Außerhalb der eigentlichen Thematik der Anschlussunterbringung stieß CDU-Stadtrat Bernhard Escher eine grundsätzliche Diskussion über den Zustrom von Flüchtlingen an. Integration sei wünschenswert, aber dazu gehöre auch die Integrationsbereitschaft "auf der anderen Seite". Escher, von Beruf Polizist, berichtete von einem Einsatz, bei dem 13 meist jugendliche Eritreer aufgegriffen wurden. Sie wurden von Schleppern über die Grenze gebracht und landeten auf dem Polizeirevier. Dort hätten sie Anstand und "Respekt vor Amtspersonen" vermissen lassen. Die erkennungsdienstliche Behandlung sei schwierig gewesen. Die Flüchtlinge hätten nicht begreifen wollen, dass man ihnen helfen wolle. Selbst die eingesetzten Übersetzer hätten den Kopf geschüttelt. Christiane Cyperrek, Hans-Dieter Böhringer (beide SPD) und Stephan Berg (Grüne) hielten diesen Schilderungen entgegen, dass das Verhalten der Flüchtlinge nur vor dem Hintergrund der Zustände in ihrem Herkunftsland und ihrer Erlebnisse auf der Flucht zu bewerten sei. "Ich finde es nicht gut, wenn man das Thema mit Schreckensszenarien aufbauscht", sagte Berg.

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Flüchtlingsunterbringung


Einen Flüchtling pro tausend Einwohner – so viele erwartet Lörrach in diesem Jahr. Das ist wenig, sehr wenig sogar, wenn man sich vergegenwärtigt, was viele bettelarme Länder an Flüchtlingsströmen zu verkraften haben. Trotzdem stellt die Zahl die Stadt vor eine Herausforderung. Es ist angesichts eines Marktes, der in allen Preislagen ausgereizt ist, sehr schwer, Wohnungen zu finden. Wenn dann auch noch ein Stadtrat, wie jüngst in einer öffentlichen Ausschusssitzung geschehen, Ressentiments bedient, ist das wenig hilfreich. Bernhard Escher, CDU, mahnte Integrationsbereitschaft auf Seiten der Flüchtlinge an und berichtete von jungen Eritreern, die bei der Polizei "Respekt vor Amtspersonen" vermissen ließen. Die Frage, ob Amtspersonen mit diesen Flüchtlingen immer respektvoll umgegangen sind, sei mal dahingestellt. Es versteht sich im übrigen von selbst, dass sich die Hilfesuchenden hier an die Gesetze und Gepflogenheiten halten müssen. Das Beispiel aber, an dieser Stelle vorgetragen, unterläuft die Bemühungen der Stadt.

Die Lage ist fatal. Wenn eine Stadt blüht, wie Lörrach es tut, dann herrscht in der Regel ein soziales Klima, das Schutzsuchende gut verkraftet – in den 90er Jahren war das so, dem Arbeitskreis Miteinander ist da viel zu verdanken. Doch in prosperierenden Städten fehlt es an Wohnraum, zumal an bezahlbarem. Andernorts stehen Wohnungen leer – doch das ist immer ein Indikator dafür, dass eine Kommune schwächelt, und dort sind dann meist auch Flüchtlinge ungelitten. Es gibt ganz bestimmt keine einfachen Lösungen in dieser Frage, aber es gibt Verpflichtungen. Und es ist viel gewonnen, wenn Bürger und Kommunalpolitik das unterstützend begleiten.

 

Quelle: http://www.badische-zeitung.de/loerrach/kommentar-die-stadt-ist-in-der-p..., 23.04.2014