Ein Veranstaltungsbericht zu dem korporationskritischen Vortrag von Dr. Stephan Peters in Tübingen am 18. Mai 2014. Mit dem Vortrag des ehemaligen Verbindungsstudenten, somit eines Insiders, in der Neuen Aula in Tübingen wurde von den veranstaltenden Gruppen versucht die Verbindungskritik wieder mehr im universitären Raum zu verbreiten und zu verankern.
Über
250
Personen waren gekommen, um dem Vortrag von Dr. Stephan Peters über
studentische
Verbindungen
und deren Erziehungsmodelle zu lauschen. Dass jede*r Zuhörer*in aus
reinem Erkenntnisgewinn gekommen war, lässt sich mit Fug und Recht
bezweifeln. Geschätzt
die Hälfte
des Publikums waren Korporierte oder ihnen nahe stehende Personen.
Schon am Eingang ließen es sich einige Verbindungs-Mitglieder nicht
nehmen provokativ mit Bändel aufzutreten. Nach kurzer Diskussion
nahmen sie dann aber das Ausweisstück ihrer Gruppenidentität ab, um
den Raum betreten zu dürfen.
Für ehrlich interessierte
Nicht-Korporierte barg der fundierte Vortrag des Referenten viele
interessante Informationen und vor allem eine Analyse der
studentischen
Verbindungen
als
Sozialisationsagenturen. Verbindungen dienten spätestens seit 1871
mit Gründung des Deutschen Kaiserreichs der Reproduktion
konservativer Eliten. Hier schafft sich bis heute das
konservativ-bürgerliche Milieu seine soziokulturelle Elite.
Das
häufig vorgebrachte Feigenblatt der Damenverbindung schnitt Peters
bereits am Anfang ab. Seiner Meinung nach sei es für Frauen* „absurd
und paradox männerbündisches Brauchtum nachzuahmen“. In den
Männerbünden gehe es schließlich um die „Zuteilung von
Mannbarkeit“ und viele von deren Ritualen seien frauenfeindlich.
Manche seiner Ausführungen setzten vielleicht zu viel
historisches Wissen voraus. Nicht jede*r weiß noch aus dem
Geschichtsunterricht, was genau der Kapp-Putsch war, trotzdem war
auch der Abschnitt zur Geschichte der Studentenverbindungen
interessant, weil sich die Korporationen selber gerne auf ihre
Geschichte berufen und ihre Verfasstheit häufig noch dieselbe ist
wie in ihrer Gründungszeit.
Klar wurde jedenfalls, dass die
Mitgliedschaft in einer Verbindung die Unterwerfung des Individuums
bedeutet und nicht dessen Selbstermächtigung. Denn hier herrsche, so
Peters, ein „System von Befehl und Gehorsam“. Peters: „Der
autoritäre Charakter feiert da fröhlichen Urstand.“
Zur
korporierten Sozialisation gehört bei schlagenden Verbindungen die
'Mensur', das ritualisierte Duell. Laut österreichischen
Gerichtsbeschluss handelt es sich dabei um eine „Körperverletzung
mit Einwilligung“. Bei den nichtschlagenden Verbindungen ersetzen
Trinkrituale, Erniedrigungsrituale oder andere Riten die Mensur. Es
geht dabei jeweils darum das Individuum der Gemeinschaft zu
unterwerfen, teilweise sogar darum es regelrecht zu brechen.
Auch
die Selbstdarstellung als demokratische Institution dekonstruierte
der Referent überzeugend: „Die Grundstruktur eines Männerbundes
ist nicht demokratisch.“ Es ginge zuvörderst um die
Aufrechterhaltung der eigenen homogenen Gemeinschaft, deswegen gibt
es beim Convent (Vollversammlung) einer Verbindung keine Fraktionen.
Er stellte sogar fest, dass Demokratisierungsprozesse in der
Gesellschaft wie die Öffnung der Universität für Frauen* und
Arbeiter*innen-Kinder sich für Verbindungen immer negativ ausgewirkt
hätten. Anders gesagt: „Je mehr Demokratie, desto weniger
Verbindungen.“
Beeindruckend war, dass der Referent ohne
Manuskript und somit frei sprach, selbst bei den wiedergegebenen
Zitaten. Auch der Diskussion stellte er sich in eloquenter
(redegewandter) Weise. Kein Wunder, arbeitet der Referent doch auch
als professioneller Rhetorik-Coach.
Von korporierter Seite gab es
in der Diskussion das übliche Standard-Programm. Es wurden Fakten
angezweifelt, der Referent wurde persönlich angegriffen (von einem
Damenverbindungsmitglied kam ein Sexismus-Vorwurf) und das System
Studentenverbindung wurde verharmlost („sind ja nur eine Art von
WG“).
Auf die empörte Frage eines Damenverbindungsmitglieds wie
er nur dazu käme ihre Institution in Frage zu stellen, wiederholte
Peters: „Wie kommt man als Frau auf die Idee eine männerbündische
Institution zu kopieren?“ Für ihn sei das absurd und alles andere
als Emanzipation. Im korporierten Milieu herrsche eine „scharfe
Geschlechterpolarität“. Frauen* würden von den Männerbünden
nicht als vollwertig akzeptiert. Sie seien dort dazu da „Schnittchen
zu schmieren“ erhielten aber „keinen Zugang zum inneren Kreis“.
Diese Aussage wurde von lautem Gelächter der männlichen
Verbindungsstudenten begleitet.
Ein Vertreter des Wingolfs
(protestantisch geprägte Studentenverbindung) forderte mit den
Worten „Wir sind ja alle Akademiker“
Toleranz und Dialog zwischen den Korporationen und ihren Gegner*innen
ein und offenbarte damit seinen akademischen Standesdünkel
(Klassismus).
Ihre ständige Forderung nach Differenzierung
zwischen den verschiedenen Verbindungen und ihren Dachverbänden
konterkarierten die Verbindungsstudenten und die wenigen
Verbindungsstudentinnen an diesem Tag durch ihr einheitliches
Auftreten. Im Applaus und Gegröle waren sie genauso vereint, wie am
Ende als sie als geschlossener Block von etwa 70 Personen den Raum
verließen. Offenbar gibt es hier doch mehr Verbindendes als
Trennendes.
Der vom AK Clubhausia Tübingen, dem Infoladen
Tübingen, dem Rosa-Luxemburg-Club Tübingen, dem
Hochschul-Informations-Büro des DGB, dem „Anarchistischen Netzwerk
Tübingen“, der DGB-Hochschulgruppe, der GEW-Hochschulgruppe und
der kommunistischen Gruppe „LevelUp“ unterstütze Vortrag war
eine
Veranstaltung im Rahmen der Kampagne „Verbindungen auflösen“ der „Antifa Reutlingen-Tübingen“ (ART).
Klar wurde während
des Vortrages, dass Studentenverbindungen aus der Gesellschaft heraus
entstehen und rekrutieren und
wiederum die bestehenden elitären (und somit ungerechten)
gesellschaftlichen Verhältnisse reproduzieren.
Um sie aufzulösen müsste daher eigentlich die Gesellschaft
verändert werden. Dann würden die Tümpel der reaktionären
Männerbünde bald von alleine austrocknen. Nicht ohne Grund hatten
die Verbindungen um 1968 herum starke Probleme und viele lösten sich
auf oder gaben ihren Status als Verbindungen auf und wurden ganz
normale Vereine.
*[ART]* - Antifa Reutlingen Tübingen
antifatuert(a)riseup.net
Wasser in den Wein
Klingt doch ganz gut...
Verstehe die Kritik am Redner nicht, es hört sich doch alles recht gut an.
Männerbünde sind frauenfeindlich, rechtradikal, dauersaufend, menschenverachtend und elitär. Ist doch alles dabei was man hören möchte.
Kurze Frage zwischendruch
Mit welcher rechtlichen Begründung kann mensch diesen Menschen verbieten, ihre Bänder zu tragen. An unserer Hochschule kommt immer das Agument, das es sich hierbei nur um ein "Kleidungsaccessoire" handeln würde und um keine Uniform. Dann werden diese Bänder immer mit Palitüchern und unseren Antifa-Sweatshirts gleichgesetzt.
Wie macht Ihr das? Was antwortet Ihr denen?
Generelle Antwort
Ihr Band ist eine Uniform ihres reaktionären Vereins – sei es Burschenschaft, Corps oder Turnerverbindung. Es geht um die Inhalte, um das männerbündische, die Seilschaft, das reaktionäre Weltbild, die Frauenfeindlichkeit. Deshalb müssen alle Korporierten geächtet werden, ihr Band ist nur das Symbol dafür.
Bis kein Korporierter sich aus Angst vor direkten Aktionen mehr auf die Straße traut. Hit 'em!