Gemeinderat setzt sich für Zwischenlösung ein
Einmal mehr hat sich der Gemeinderat am gestrigen Dienstag mit dem Thema Wagenburgen beschäftigt. Anlass hierfür bot die Gruppe „Sand im Getriebe“, die bis Ende März auf dem PH-Parkplatz am Bahnhof Littenweiler ein geduldetes Winterquartier hatte. Weil sich seither kein legaler alternativer Stellplatz fand und die Stadt illegale Besetzungen fürchtete, wurden die Wagen Mitte April beschlagnahmt. Mittlerweile hat sich ein fraktionsübergreifendes Bündnis gefunden, das im Gemeinderat die Suche nach einer legalen Zwischenlösung beantragte – und dafür eine deutliche Mehrheit fand.
    Oberbürgermeister Dieter Salomon erläuterte die Haltung der 
Stadtverwaltung zum Auftakt der Debatte, die aufgrund eines 
interfraktionellen Antrages von Vertreterinnen und Vertretern 
verschiedener Fraktionen auf der Tagesordnung stand. Es sei keine 
städtische Aufgabe, Flächen für Wagenburgen zur Verfügung zu stellen. 
Und die wenigen verfügbaren Flächen „brauchen wir definitiv für 
anderes“. Auch einer Zwischenlösung erteilte er eine Absage: „Die führen
 in die Irre, weil es immer eine Anschlusslösung braucht.“ Nicht zuletzt
 wurden seit 1992 alle Anträge, allgemeine Standorte für Wohn- und 
Bauwagen auszuweisen, vom Gemeinderat mehrheitlich abgelehnt. „Für 
besondere Fallkonstellationen behält sich der Gemeinderat aber eine 
davon abweichende Einzelfallentscheidung vor“, heißt es in der Vorlage 
der Verwaltung.
Bei der gemeinderätlichen Aussprache erläuterte 
zunächst Timothy Simms von den Grünen den gemeinsam mit den Unabhängigen
 Listen gestellten Antrag. Darin wurde die Existenz experimenteller 
Wohnformen grundsätzlich begrüßt (einstimmig angenommen), gleichzeitig 
aber betont, dass es nicht Aufgabe der Stadt sei, Flächen für 
Wagenburgen zu suchen (mehrheitlich angenommen, in diesem Punkt aber 
gegen die Stimmen der antragstellenden UL). Auch die als politischer 
Appell gewertete Aufforderung, die beschlagnahmten Wagen herauszugeben, 
fand eine Mehrheit.
Hauptstreitpunkt des Antrags war die 
Forderung, bei fünf vorgeschlagenen Flächen näher zu untersuchen, ob sie
 als Zwischenlösung für die Gruppe „Sand im Getriebe“ geeignet sind und 
sie gegebenenfalls zeitlich befristet zu verpachten. Simms begründete 
diesen Antrag damit, dass es um keine Extrawurst, sondern um eine 
pragmatische Lösung gehe. Da Wagenburgen mobil seien, kämen auch 
Zwischenlösungen in Betracht. Nicht zuletzt könne die Stadt so auch ein 
Signal an private Vermieter senden.
Für die CDU stellte Bertold 
Bock klar, dass alle bebaubaren Flächen für den Wohnungsbau benötigt 
würden. Die Unterstützer der Wagenburgler rief er dazu auf, sich für 
private Flächen einzusetzen. Für eine in dieser Frage gespaltene 
SPD-Fraktion sprach deren Vorsitzende Renate Buchen. Zunächst stellte 
sie fest, dass Wagenburgen keine experimentelle, sondern eine vielerorts
 etablierte Wohnform sei, die sie nach Möglichkeit auch unterstützen 
wolle. Da aber alle öffentlichen Flächen für den Wohnbau benötigt 
würden, sei der Bevölkerung eine Privilegierung dieser Gruppe „nicht 
zuzumuten“.
Dem entgegnete Ulrike Schubert von den Unabhängigen 
Listen, dass Städte wie Oldenburg oder Bremen gerade in jüngster 
Vergangenheit mit langfristigen Pachtverträgen zeigten, was möglich 
wäre. Außerdem erinnerte sie daran, dass „Sand im Getriebe“ alle 
Absprachen und Fristen eingehalten habe. FDP-Sprecher Sascha Fiek 
stellte klar, dass keine Wohnform diskriminiert, aber auch keine 
privilegiert werden dürfe. Die Wagenburgen müssten sich daher auf die 
Suche nach privaten Flächen machen. Auch Freie-Wähler-Stadtrat Johannes 
Gröger argumentierte ähnlich, schlug aber vor, die Frage zusätzlicher 
Wagenburgstandplätze im Rahmen beim geplanten Perspektivplan für die 
Stadtentwicklung zu berücksichtigen.
Coinneach McCabe von der 
GAF, die einen weitgehend inhaltsgleichen Antrag wie Grüne und UL 
gestellt hatten, stellte die Frage, warum es so viel Angst vor der 
Wohnform Wagenburg gäbe. Zugleich übte er deutliche Kritik am Vorgehen 
des Amts für öffentliche Ordnung. Auch Sebastian Müller von Junges 
Freiburg warb für Wagenburgen und verglich sie mit anderen Wohnformen, 
die ebenfalls temporär seien, wie Wohngemeinschaften, Wohnheime oder 
Altenheime.
Nach längere Debatte beauftragte der Gemeinderat 
schließlich in namentlicher Abstimmung mit großer Mehrheit die 
Verwaltung, fünf konkrete Standorte „wohlwollend“ auf ihre Eignung als 
Zwischenlösung für „Sand im Getriebe“ zu untersuchen, darunter drei in 
Gewerbegebieten, eine Fläche am Kappler Knoten und Längenloh, wo 
eventuell das Eisstadion entstehen soll. Ohne dieser Prüfung vorgreifen 
zu wollen zeigte sich Baubürgermeister in einer ersten Einschätzung aber
 skeptisch. Der lautstark zum Ausdruck gebrachten Freude bei den 
Wagenburg-Unterstützern auf der vollbesetzten Zuschauertribüne tat dies 
aber keinen Abbruch.
  


Sand im Getriebe - Antwort auf die Drucksache G14/111
Hier ist die mit Richtigstellungen versehene Vorlage G14/111 (entspricht dem ersten pdf aus obiger Liste):
https://linksunten.indymedia.org/de/node/117776