Von der Internetseite INFORMAZIONE, üb. mc, Knast Lenzburg, CH Nov 2013
Gefangene – Erklärung von Nicola Gai am Prozess wegen der Verletzung des Chefs von Ansaldo Nucleare
Wir erhalten und verbreiten die Erklärung, die vom anarchistischen Genossen Nicola Gai in der ersten Anhörung (30.Oktober 2013) des Prozesses wegen der Verletzung des Geschäftsleiters von Ansaldo Nucleare vorgelesen wurde.
„Nessuno mi puó giudicare / Nemmeno tu / La veritá fa male lo so. -bekannter italienischer Schlager von C. Caselli – Niemand kann mich beurteilen / Nicht einmal du / Die Wahrheit ist schmerzhaft, ich weiss.“
Wenige Worte um einige einfache Tatsachen festzustellen, bevor die „Wahrheit“ im Rahmen des Prozesses bestimmt wird; falls der Begriff „Wahrheit“ nicht klar wäre, hab ich ihn ironisch gemeint gebraucht, tatsächlich anerkenne ich keinerlei anderes Gericht ausser meinem Gewissen. Die einzigen Verantwortlichen für das was in Genua am 7.Mai 2012 geschehen ist, sind ich und Alfredo. Niemand sonst, unter Freunden und Genossen, wusste von dem was wir planten und dann ausgeführt haben. So sehr ihr auch auf der Suche nach anderen Komplizen der „Missetat“ in unseren Leben und in unseren Beziehungen wühlt, werdet ihr das Gegenteil nicht beweisen können, sicher werdet ihr es versuchen, aber in dem Fall wird es sich einzig und alleine um Fälschungen und den Versuch handeln, irgendeinen Feind des Bestehenden festzunageln. Ich verstehe wenn jemand der sein Leben dem Dienste der Autorität gewidmet hat sich nicht leicht dem Gedanken fügen kann, dass zwei Individuen, nur mit ihrer Entschlossenheit bewaffnet, sich zum Versuch entschliessen können die Räderwerke des techno-industriellen Systems zu blockieren anstatt diszipliniert, ihrem Weiterdrehen beizutragen, aber die Dinge stehen einfach so. Nach Jahren die beim Zuschauen verbracht wurden wie die nie genug gerühmte technologische Entwicklung die systematische Vernichtung der Natur und aller Aspekte, die das Leben lebenswert machen, bewerkstelligte Jahre, verbracht in der Verfolgung mit Interesse, aber immer als Zuschauer, der Erfahrungen jener Rebellen die auch in dieser anscheinend befriedeten Welt den Kopf weiter erheben um die Möglichkeit eines freien und wilden Lebens durchzusetzen. Nach der Katastrophe von Fukushima, als Alfredo mir vorgeschlagen hat ihm in der Durchführung der Aktion gegen Ing. Adinolfi zu helfen, habe ich ohne Zögern zugesagt. Endlich konnte ich meine Ablehnung des techno-industriellen Systems konkret ausdrücken, aufhören an symbolischen Protesten teilzunehmen die zu oft bloss nichts anderes als Ausdrücke von Ohnmacht sind. Niemand mit einem Minimum an Verstand kann sich der Illusion ergeben, dass das Resultat eines Referendums oder die Lumpereien irgendeines Gurus der green economy die tödlichsten der innewohnenden Aspekte der Welt in der wir leben müssen auch nur ausgleichen könnten. Es ist unter den Augen aller die es sehen wollen, das Finmeccanica mit ihrer Kontrollierten weiter Massenvernichtungswaffen produziert; sie tut es einfach ausserhalb der Grenze Italiens, als würden die Strahlungen diese niederträchtigen Barrieren achten. In Rumänien (Cernadova, leidgeprüfte Ortschaft, die vor allem für die zahllosen Unfälle im AKW bekannt ist), der Slowakei und der Ukraine, bloss um die jüngsten und direktesten Investitionen zu nennen, sät Ansaldo Nucleare weiter Tod und Verderben und trägt weiter zur Vernichtung der Umwelt bei. Wie allen klar sein sollte, mit weiteren 190 AKWs bloss in Europa ist das Problem nicht die Frage ob ein weiteres Tschernobyl geschehen könnte, sondern nur wann es geschehen wird. Und als wäre das nicht schon genug dürfen wir nicht vergessen, dass solche Monstrositäten nicht nur töten wenn sie funktionieren, sondern auch mit ihren Abfällen. Diese werden in Europa herumgekarrt, ohne dass jemand wirklich weiss was anzufangen damit. Die der seit Jahrzehnten abgeschalteten italienischen AKWs werden auch heute noch nach Frankreich transportiert um „sicher“ gelagert zu werden: sie ziehen Brennmaterial daraus um andere Reaktoren zu füttern und auch etwelche Kilöchen Plutonium das nur zum Bomben bauen gebraucht werden kann (bloss um daran zu erinnern, dass es, wenn von Atom die Rede ist, keinen Unterschied zwischen zivilem und militärischen Gebrauch gibt), dann schicken sie uns die fast gleich gefährlich wie vorher zurück. Dazu, wer weiss was die Amerikaner mit dem Uran anstellen werden, das in diesem Sommer von einem Lager für Abfälle in der Basilicate in aller Heimlichkeit in die USA verlegt wurde. Ich könnte stundenlang von den Schäden und Zerstörungen sprechen die vom Nuklearen verursacht werden, zahllose Beispiele machen, in Erinnerung rufen was in Fukushima geschieht (wo, wie jemand – d. Üb.: der Atom-Terrorist Adinolfi – gesagt hat, keine der Toten dem AKW angelastet werden konnten...), aber ich bin nicht hier um Rechtfertigungen zu suchen. Das Nukleare ist vielleicht das Element dieser zivilisierten Welt wo die Unsinnigkeit und Monstrosität des techno-industriellen Systems für jedermann verständlich sein kann, aber wir müssen uns bewusst werden, dass wir auf dem Altar der technologischen Entwicklung jeden Bereich unserer individuellen Freiheit und jeden möglichen Bereich opfern, wo man ein wirklich lebenswertes leben führen könnte. Nun liegt es einzig an jedem und jeder Einzelnen von uns zu entscheiden ob gehorsam Untertan zu sein oder versuchen zu wollen, hier und jetzt, die Ablehnung des Bestehenden zu leben. Ich habe meine Entscheidung getroffen, freudig und ohne Gewissensbisse.
Wir werden hier als Terroristen abgestempelt herauskommen, das lustige ist, dass ihr das festlegen könnte ohne euch lächerlich zu fühlen: wo es doch das Strafgesetzbuch sagt. Eines ist sicher, Worte haben keinen Sinn mehr; wenn wir Terroristen sind, wie würdet ihr wohl die definieren die Waffen produzieren, Zielvorrichtungen für Raketen, Drohnen, Jagdbomber, Ausrüstungen zur Jagd auf Menschen die versuchen eine Grenze zu überqueren, AKWs, die auf Augenhöhe mit Mördern in Uniform und berühmten Diktatoren verhandeln, kurz, wie würdet ihr Finmeccanica definieren? Sicher, auch eure Mandanten glänzen nicht durch ihre Fantasie, und das dermassen, dass sie, um eventuelle Zweifel über die wirklichen Funktionen dieses Betriebes auszuräumen, kürzlich den Ex-Polizisten Gianni De Gennaro als dessen Chef eingesetzt haben: angesichts seiner Verantwortung für die Folterungen von Bolzaneto und für das Massaker der Diaz, als Polizeichef, während des G8 2001, haben sie logischerweise gedacht es sei der richtige Mann an der richtigen Stelle.
Zurück zum Motiv dieser meiner Erklärung möchte ich einige Präzisierungen zur „brillanten“ Operation machen die zu unserer Verhaftung geführt hat. Wer weiss wie viel Händeschütteln und Schulterklopfen die schlauen Spürhunde erhalten haben, die unseren einzigen fatalen Fehler ausnutzen konnten, der von unserer Unerfahrenheit und dem Drang nach Fukushima etwas zu machen, diktiert wurde, tatsächlich, wir haben die Minikamera nicht bemerkt, die ein eifriger Besitzer einer bar zum Schutze seiner belegten Brötchen montiert hatte. Leider haben wir sie nicht gesehen als wir den Weg studierten der vom Ort wo wir das Mofa zurückgelassen haben zur Bushaltestelle führt, von der aus wir mit einmal Umsteigen zum Stadtrand Richtung Arenzano gelangt wären, wo mein Auto parkiert war, das wir benutzt haben um Genua zu erreichen und zu verlassen. Um die ganze Wahrheit zu sagen, war jener der Kamera nicht der einzige begangene Fehler, wir haben auch kostbare Zeit verloren als wir uns vom Ort der Aktion entfernten, der wütende Aufschrei des Zauberlehrlings des Nuklearen: „Bastarde, ich weiss wer euch schickt!“ hat uns gelähmt. Es liegt sicher nicht an mir Hypothese zur Bedeutung dieses Satzes aufzustellen, der Moment war für gelassene Überlegungen nicht gerade günstig, und umso weniger bin ich gewohnt Luftschlösser über die Worte zu bauen, die eine andere Person von sich gibt, aber persönlich habe ich daraus geschlossen, dass wir die Hände in einen Haufen Scheisse gesteckt hatten. Alle anderen Elemente zur Rechtfertigung unserer Haft sind verzerrt oder, ganz einfach, falsch. Die famose Aufzeichnung des „pistolone“, wo ich gesagt haben soll geschossen zu haben, ist total unverständlich, nun ist es sinnlos Experten zu ihrer Demontage zu bemühen, aber da ich am Lenker des Mofa war, ist es unmöglich, dass ich auch die Pistole in der Hand haben konnte, und überdies scheint mir logischerweise absurd zu sein, dass ich das unbedingt dem erzählt hätte, der an der Aktion teilgenommen hatte, nämlich Alfredo. Zum Drucker, der in der Wohnung meiner Eltern beschlagnahmt wurde und von dem der wissenschaftliche Dienst der Polizei behauptete es sei der mit dem das Flugblatt gedruckt worden sei, gibt es wenig zu sagen, denn den Computer und den Drucker habe ich gekauft und wir haben beide nach Gebrauch vernichtet (hervorzuheben ist, dass, nachdem das Überprüfungsgericht unsere Haft bestätigt hatte, dieselben Wissenschaftler des RIS gemerkt haben, dass es wahrscheinlich nicht derselbe war). Was den Diebstahl des Mofas angeht, wegen dem ihr gegen uns und imaginäre Unbekannte vorgeht, sind die Dinge weniger kompliziert als ihr euch anstrengen werdet sie zu rekonstruieren. Wir gingen durch die Stadt und versuchten das Problem zu lösen, da wir keinerlei Erfahrung mit dieser Praxis hatten. Wie man weiss gewinnt wer wagt, tatsächlich sind wir in der lieblichen Ortschaft Bolzaneto über einen Skooter mit vergessenen Schlüssel im Schloss gestolpert, die haben wir genommen und entschieden nach einigen Tagen mit einem Helm zurückzukehren. Das Mofa war immer noch an der gleichen Stelle, ich konnte einfach in den Sattel steigen, es anlassen und in die Nähe des Friedhofs von Staglieno bringen, wo es bis fünfzehn Tage vor der Aktion blieb als ich es in die Nähe der Wohnung des Ing. Adinolfi brachte. Ich entschuldige mich beim Eigentümer, die Helme und die anderen Dinge unter dem Sitz weggeräumt und den hinteren kleinen Koffer weggeschmissen zu haben, leider störten sie uns, und die Idee zu versuchen die zurück zu geben war entschieden ungesund. Ein weiteres Element das die Ermittler ausgeschmückt haben und, fürchte ich, in Zukunft als wackere Inquisitoren versuchen werden zu brauchen, ist die im C.S.L. (d.Üb.: Libertäres Sozialzentrum) von Neapel gemachte Aufzeichnung, wo einige Genossen das Flugblatt kommentiert hätten das sie, in weltweiter Voraufführung, via elektronische Post erhalten hätten. Ich habe keine Ahnung wovon sie sprachen, und lasse mich nicht darüber aus wie, gelinde gesagt, schwer verständlich dieser Dialog ist, und es ist auch nicht der Fall bei der offensichtlichen Assonanz zwischen „Valentino“ und „volantino“ - d.Üb.: Flugblatt – zu verweilen, aber ich weiss sicher, dass die Erklärung nur über B-Post spediert wurde (die Briefe haben wir auf dem Rückweg beim Umsteigen in einen Briefkasten an der Strandpromenade in der Nähe des Fährterminals eingeworfen), folglich ist es schlicht unmöglich, dass sie die Erklärung via E-Mail erhalten haben.
Ich weiss mit Sicherheit, dass ihr unseren Fall gebrauchen werdet um ein Exempel zu statuieren, dass die Rache drakonisch sein wird, dass ihr alles tun werdet um uns zu isolieren (es genügt zu sagen, dass unsere Post seit mehr als einem Jahr der Zensur unterworfen ist), aber ich will euch eine schlechte Nachricht geben: es handelt sich um nutzlose Anstrengungen.
Seit etwa 150 Jahren versuchen auch brutalere Richter als ihr die Idee der Möglichkeit eines autoritätsfreien Lebens auszuradieren, aber mit dürftigen Resultaten. Ich kann euch gelassen versichern, dass eure repressiven Aktionen, seien sie noch so umfassend, seien sie noch so beliebig, überhaupt nichts zerlegen oder ausrotten werden. Wenn ihr meint über uns zu weiteren Anarchisten zu gelangen, die entschieden haben die chaotische, spontane und informale Möglichkeit der FAI zu erleben, täuscht ihr euch gewaltig und könnt bloss den x-ten Schlag ins Wasser führen; weder ich noch Alfredo kennen Leute die diese Wahl getroffen haben. Ihr jagt einem Gespenst hinterher das ihr nicht in die engen Kästchen eurer Gesetze sperren könnt. Das weil es sich in dem Moment manifestiert, in dem die zerstörerischen Neigungen von denen die es beseelen sich vereinen um zu handeln, in dem Moment, in dem freie Frauen und Männer sich zur konkreten Erfahrung der Anarchie entscheiden. Jetzt wo die Erfahrung der Zelle Olga abgeschlossen ist, kann ich euch nur versichern, dass ich neue Gründe um meinen Hass zu nähren und Motive gefunden habe, um die Vernichtung des Bestehenden, das aus Autorität, Ausbeutung und Zerstörung der Natur fabriziert ist, zu wünschen.
Liebe und Komplizität den Schwestern und Brüdern die mit ihren Aktionen, überall auf der Welt, den irren Traum der FAI/FRI wirklich werden lassen.
Liebe und Komplizität den Genossinnen und Genossen die, anonym oder nicht, im Namen der Möglichkeit eines autoritätsfreien Lebens mit dem Angriff weitermachen.
Liebe und Freiheit allen anarchistischen gefangenen.
Es lebe die schwarze Internationale der Unbeugsamen gegenüber der todbringenden Ordnung der Zivilisation.
Hoch lebe die Anarchie!
Nicola Gai, Ferrara, September 2013, Mittwoch 30.10.2013
Solidarität – Kurz vor dem Prozess gegen Alfredo und Nicola
Solidarität – Kurz vor dem Prozess gegen Alfredo und Nicola
Info aus der Internetseite INFORMAZIONE, Üb. mc, Knast Lenzburg, CH, Nov. 2013
Auf wessen Lebensgefahr
Während die Herren des Atoms mit dem Bau von AKWs auf der halben Welt weitermachen und die Atomindustrie die Erforschung vielseitiger und tödlicher Systeme und Anwendungen vorantreibt, wird das Gericht von Genua am nächsten 30. Oktober über Alfredo Cospito und Nicola Gai richten, zwei Anarchisten die angeklagt sind den Geschäftsführer von Ansaldo Nucleare Roberto Adinolfi ins Bein geschossen zu haben.
Wer an den Atomstrom glaubt und dafür arbeitet, tut es unter Lebensgefahr für alle anderen. So kann dann auch geschehen, dass Blei erntet wer Radioaktivität sät: ein makellos klarsichtiges Ursache/Wirkungsverhältnis. Mutige Gesten, die die Finsternis der Resignation in einer auf Unterwerfung und Delegierung gegründeten Welt vertreiben. Ein Ereignis, das die Debatte über die revolutionäre Gewalt neu eröffnet, die allzu oft unter Bergen von Gerichts- und Gefängnisakten begraben liegt und durch eine kulturelle Gehirnwäsche vernebelt wird, die dazu da ist um den wahren Sinn der Begriffe zu deformieren. Damit wird zum Terroristen wer diese Gesellschaft aufrechterhaltende Terror- und Ausbeutungssystem auch gewalttätig und zielgerichtet angreift, und nicht wer alle und alles vergiftet, zerstört und unterwirft. Die Gewalt darf nicht das Monopol derjenigen bleiben die unsere Leben kontrollieren, vielmehr es ist ein Instrument zu dem einige zur Auferlegung ihrer eigenen Macht greifen und andere hingegen um ein wenig Gleichgewicht wiederherzustellen und um einmal mehr zu beweisen, dass Widerstand möglich ist.
Im Krieg, den der Staat und das Kapital alltäglich gegen die Freiheit zur Selbstbestimmung der Individuen und der Gemeinschaften und das eigentliche Überleben des Planeten führen, sind alle Einzelnen zur Leistung ihres eigenen Beitrages berufen. In der Vielfältigkeit der Formen und Instrumente des Angriffs auf diese Welt ist jede einzelne Geste ein wichtiger Teil eines Weges, dessen Ziel eine radikale Veränderung der sozialen Ordnung ist. Als Instrumente und Praktiken, die die RevolutionärInnen aller Zeiten schon immer gegen einen gemeinsamen Feind ergriffen haben, im dichten Netzwerk von Beziehungen, Kenntnissen und Methoden als der grosse Reichtum und das Erbe jeder Kampfbewegung.
Wie immer stehen wir jenseits aller Riten und Urteile eines elenden Gerichtes mit der Überzeugung an der Seite Nicolas und Alfredos, dass die in ihren möglichen Formen und Ausdrücken getätigte Unterstützung der revolutionären Gefangenen ein wesentliches Element jedes Kampfes ist.
Tausende Weisen, ein einziger Horizont: Freiheit!
Cassa AntiRepressione delle Alpi Occidentali – AntiRepKasse der westlichen Alpen
Oktober 2013