Weil sie eine „kriminelle Vereinigung“ gebildet haben sollen, müssen sich acht Männer aus Radevormwald (Oberbergischer Kreis) und Wuppertal vor dem Landgericht Köln verantworten. Unter ihnen ist auch Tobias Ronsdorf, der ehemalige Fraktionsvorsitzende von „pro NRW“ in Radevormwald. Die Anklage bezichtigt sie, Mitglieder des „Freundeskreis Rade“ zu sein. Der Neonazi-Kameradschaft werden zahlreiche Straftaten vorgeworfen, darunter auch brutale Gewalttaten gegen MigrantInnen und Linke.
Befangenheitsantrag eingereicht
Zu einer Verlesung der Anklageschrift kam es gestern allerdings
nicht. Die ProzessteilnehmerInnen waren nicht vollzählig erschienen. Der
Kölner Rechtsanwalt Jochen Lober fehlte, er hatte kurzfristig ein
ärztliches Attest eingereicht. Jochen Lober, der den Angeklagten Marius
D. vertritt und den man durchaus als „Szeneanwalt“ bezeichnen kann, will
offenbar auch in diesem Fall einen politischen Prozess führen und hat
einen Befangenheitsantrag gegen die Vorsitzende Richterin eingereicht.
Die acht Angeklagten und sieben Strafverteidiger mussten deshalb nach
wenigen Minuten wieder abreisen. Der Kammer blieb keine andere
Möglichkeit, als den Prozess zu verschieben.
Ermittlungen nach §129
Die Staatsanwaltschaft wirft den Angeklagten vor, neben der „Bildung einer kriminellen Vereinigung“ (§129) diverse weitere Delikte begangen zu haben. Die Anklage führt mehrere gefährliche Körperverletzungen auf, bei denen die Angreifer Waffen wie Baseballschläger oder Schlagstöcke einsetzen, um ihre Opfer zu verletzen. Über einige dieser Gewalttaten hatte “NRW Rechtsaußen” bereits berichtet. So verletzten die Neonazis im Februar 2011 einen Kioskbesitzer und dessen Sohn, am 20. April 2011 attackierten sie drei vermeintlich linke Jugendliche und im Januar 2012 wurde ein Polizist durch den Einsatz von Pfefferspray verletzt.
Razzia gegen die Neonazi-Szene
Am 25. April 2012 holte die Polizei dann zum großen Schlag gegen die Szene
aus, sie durchsuchte die Wohnungen von 18 Beschuldigten und nahm drei
von ihnen vorübergehend in Untersuchungshaft. Es war das erste Mal, dass
Polizei und Innenministerium in Nordrhein-Westfalen auf Grundlage des
§129 gegen eine neonazistische Kameradschaft vorgingen. Sicherlich gab
und gibt es in anderen Landesteilen Neonazi-Gruppen, die über einen
längeren Zeitraum als der „Freundeskreis Rade“ aktiv waren und noch mehr
Straftaten begingen. Aber in Radevormwald konnte man vor allem im Jahr
2011 eine starke Zunahme rechter Gewalt und einen steigenden
Organisierungsgrad der Neonazi-Szene verzeichnen. Vermutlich sollte nach
der Selbstentarnung des NSU auch in NRW ein politisches Signal gesendet
werden. Im Mai 2012 folgte das Verbot der Kölner “Kameradschaft Walter
Spangenberg”, im August 2012 das der “Kameradschaft Aachener Land”, der
“Kameradschaft Hamm” und des “Nationalen Widerstands Dortmund”.
Verbindungen zu „pro NRW“
Die acht Neonazis im Alter von 17 bis 26 Jahren, die sich den kommenden Monaten – angesetzt sind 20 Verhandlungstage – vor dem Landgericht verantworten müssen, sind BeobachterInnen der Neonazi-Szene bekannt. LOTTA berichtete bereits einen Monat vor den Polizeiaktionen ausführlich über den „Freundeskreis Rade“. Im besagten Artikel wurden vor allem die Verbindungen des „Freundeskreis Rade“ zur „Bürgerbewegung pro NRW“ offen gelegt. Mehrere Angeklagte betätigten sich in der Vergangenheit für die Partei. Der 24-jährige Tobias Ronsdorf galt sogar als die „Nachwuchshoffnung“ von „pro NRW“. Als seine Partei bei den Kommunalwahlen 2009 mit 5,1 Prozent in den Stadtrat einzog, wurde er zum Fraktionsvorsitzenden ernannt. Ronsdorf war es gelungen, zahlreiche Gleichaltrige für die Partei zu gewinnen und die „pro NRW Jugend Bergisches Land“ aufzubauen. In der Jugendgruppe betätigte sich beispielsweise der ebenfalls angeklagte Jonas R. Erst vier Monate nach den Razzien trennten sich Ronsdorf und „pro NRW“. Ein anderer Angeklagter, Daniel Ku., kandidierte auf der Liste von „pro NRW“. Die Angeklagten Marius D. und Daniel K. wurden von „pro NRW“ als sachkundige Bürger in Ausschüsse des Stadtrats entsandt. Ihre Funktionen gaben sie erst einige Zeit nach den Razzien auf. Unterstützung bei Demonstrationen und Infoständen von „pro NRW“ leisteten die Angeklagten Jack S. und Sascha H..
Prozess soll in der nächsten Woche starten
Sollte der erkrankte Rechtsanwalt Lober wieder gesunden und sein Befangenheitsantrag negativ beschieden werden, kann der Prozess am kommenden Mittwoch mit der Verlesung der Anklageschrift starten. Den volljährigen Angeklagten drohen Höchssttrafen zwischen fünf und 10 Jahren, sollten sie nach dem Erwachsenenstrafrecht verurteilt werden.
Artikel ist erschienen im Blog NRW Rechtsaußen der Zeitschrift LOTTA.
Termin
ksta schreibt