Schnöggersburg ist überall. Antimilitaristisches Aktionscamp ab 21. Juli in Sachsen-Anhalt

GÜZ Flyer

In diesem Sommer wird es in der Colbitz-Letzlinger Heide nahe Magdeburg zum zweiten Mal ein Camp der Kampagne »war starts here« geben - gegen das dortige Gefechtsübungszentrum Altmark (GÜZ). Schon jetzt üben auf dem riesigen 30 mal 15 km großen Gelände jährlich etwa 25.000 Soldaten ihre bevorstehenden Auslandseinsätze. Das wird nun noch weiter professionalisiert. In der Altmark wurde im Dezember 2012 der Grundstein für den Neubau einer kompletten Großstadt unter dem impressionistisch-depperten Namen »Schnöggersburg« gelegt: Nach den bislang vorgestellten Plänen, deren Realisierung weit über 100 Millionen Euro kosten soll, wird die Stadt einiges zu bieten haben: Bahnanlagen, ein U-Bahnhof, eine Neu- als auch eine Altstadt, Tankstellen Hochhaussiedlungen, ein Flughafen mit Autobahnzubringer sowie ein Industriegebiet. Und da Schnöggersburg erklärtermaßen die ganze Welt widerspiegeln soll, darf dort auch ein »Elendsviertel« nicht fehlen – ob es dort auch ein Hartz-IV-Verwaltung-Jobcenter geben wird, ist derzeit nicht bekannt.

 

Warum das alles? Richtig geraten! Die NATO erwartet in ihren Kriegsszenarien der Zukunft, dass sich die sozialen Unruhen um Reichtum, Ressourcen und ein glückliches wie gerechtes Leben in den wachsenden Städten der Welt abspielen werden und die müssen – Auftrag ist nun mal Auftrag – in »urbanen Operationen« gegebenenfalls militärisch unterdrückt werden. Dazu gehört dann das Abriegeln ganzer Stadtteile sowie das Einüben von Häuser- und Straßenkämpfen.

 

Und ehe man sich versieht, träumt der bis November 2012 amtierende Leiter des GÜZ, Oberst Dieter Sladeczek, nicht mehr nur von Kampfeinsätzen in der Ferne wie beispielsweise in Afghanistan: »Wenn Sie das nächste Mal durch Magdeburg gehen, versetzen Sie sich mal in die Lage eines Panzergrenadierzugführers der – mit vier Schützenpanzern Marder – egal welchen Auftrag zu erfüllen hat. Unter ihm Kanalisation, vor ihm enge Straßen, links und rechts Gebäude mit vielen Stockwerken, schwer zu übersehen, mit ganz vielen Möglichkeiten eines Gegners in Stellung zu gehen, Sprengfallen zu legen«. Die Moderatoren dieses MDR-Fernsehberichts denken dieses Planspiel dann mit der Ansage konsequent zu Ende: »Genau dafür üben Soldaten der Bundeswehr und der NATO ab 2015 in der größten militärischen Kulissenstadt Europas.«

 

Die mit dem GÜZ verknüpften trostlosen politisch-militärischen Perspektiven sind den Verantwortlichen klar: Schnöggersburg ist überall, eben auch in Magdeburg! Auch in diesem Sinne sprach Sladeczek vor den antimilitaristischen Aktionstagen im vergangenen Jahr Klartext: »Wir wollen die Ausbildung unserer Kameraden, die wir auf Afghanistan vorbereiten, planmäßig durchführen. Wir werden verhindern, dass Infrastruktur Schaden nimmt. Und wir verhindern, dass wir Verletzte und im schlimmsten Fall sogar Tote haben. Dafür sind wir mit Kräften im Raum und wir werden uns nicht überraschen lassen.«

 

Diese Ansage war wahr und falsch zugleich. Einerseits gab es durch den antimilitaristischen Protest schon wieder keine »Toten« aufseiten der Bundeswehr. Dafür sorgte eine reibungslose Zusammenarbeit von 500 Feldjägern mit mehr als 1000 Polizeibeamten. Sie übten in einer rund 250 Quadratkilometer großen Demonstrationsverbotszone eine harte polizeilich-militärische Repression gegen die rund 400 CampaktivistInnen aus. Dabei kehrten sie in ihrem Einsatz die Tötungsobsessionen des GÜZ-Leiters einfach um, konkret: Immer wieder führten sowohl Feldjäger als auch Beamte eines Sondereinsatzkommandos Festnahmen mit gezückter Knarre durch, aus denen sich aber noch nicht – wie einst bei Karl-Heinz Kurras am 2. Juni 1967 – ein Schuss löste.

 

Und doch konnten Sladeczek und seine tötungsorientierten Mannen durch den kreativen Protest einer Vielzahl von gewieft agierenden SaboteurInnen taktisch ausmanövriert und operativ überrascht werden. So gelang es Mitte September 2012 etwa 200 AktivistInnen über Stunden, sich weitgehend frei und vor allem unkontrolliert auf dem Militärgelände zu bewegen. In einem Fall sorgten 40 AntimilitaristInnen dafür, einen Panzer zu umzingeln die Sichtluke voll zu sprühen und anderweitig politisch zu markieren. Legal ist das natürlich nicht, aber eben auch nicht scheißegal, wenn man beansprucht, die als Normalzustand behaupteten Kriege der Gegenwart durch die »Einsatzarmee« Bundeswehr fundamental abzulehnen.

 

In den Protesten gegen Schnöggersburg schlummert eine große Chance: Seit dem Ende der 70er Jahre des vergangenen Jahrhunderts weiß jeder und jede in diesem Land, das »Gorleben überall« ist, um sich auch so den Atommülltransporten entsprechend in den Weg zu stellen. »Schnöggersburg ist überall« soll zur Parole dafür werden, dass spätestens in fünf Jahren nicht 400, sondern mindestens 40.000 Leute gegen dieses grauenhafte Projekt direkt auf dem GÜZ antimilitaristisch »in Stellung gehen.«

Zeige Kommentare: ausgeklappt | moderiert