Der Staat ist die in "ein System gebrachte Herrschaft und Ausbeutung" (Bakunin). Zur anarchistischen Staatskritik. Vortrag von Philppe Kellermann

 Mittwoch, 19. Juni -  Der Staat ist die in „ein System gebrachte Herrschaft und Ausbeutung“ (Bakunin). Zur anarchistischen Staatskritik

Daß Marx’ Arbeiten über Staat und Politik „fragmentarisch, unvollendet und inkonsistent“ seien (Bob Jessop), ist ein Gemeinplatz der materialistischen Staatstheorie. Auch der sich auf Marx berufende Staatssozialismus und die in dessen Gefolge zum Himmel schreienden Greuel machten die Frage notwendig, was eine sich auf Marx beziehende Staatstheorie in kritischer Absicht zu leisten vermag. Hatte Ernst Bloch, nach seinen Ausflügen in stalinistische Gefilde, immerhin vom „ganz kleinen Tribut“ gesprochen, „den der Marxismus Bakunin zu zollen“ habe, da dieser doch „die Gefährlichkeit des Staatsapparates schärfer“ als Marx gesehen hätte, kommentierte Robert Kurz unlängst, dass der „ewige Rivale der marxistischen Doktrin in der radikalen Gesellschaftskritik“, theoretisch vollkommen unbrauchbar sei und „völlig überschätzt“ werde. Der alte Vorwurf, wonach der Anarchismus sich im abstrusen Projekt eines „Kommunismus mit Warenproduktion“ (Karl Kautsky) erschöpfe, wird erneuert, indem darauf hingewiesen wird, dass der Anarchismus „das Verhältnis von Kapital und Staatlichkeit“, damit die „Grundfrage einer kritischen Staatstheorie“ nicht einmal stellen könne (Robert Kurz), kurz: „permanent unter dem Niveau der Verhältnisse“ agiere (Fabian Kettner) und sich so als „der ins Äußerste getriebene Liberalismus“ erweist, der „die politische Form der bürgerlichen Gesellschaft ohne ihren sozialen Inhalt“ wolle (Joachim Bruhn). Erscheint der Anarchismus solcherart aus dem Feld ernstzunehmender Theorien der Emanzipation verbannt, höchstens höflich aufgrund eines netten Willens hofiert, stellt sich zuallererst die Frage, warum es gerade der Anarchismus war, der die beiden großen Niederlagen der sozialistischen Bewegung vorhergesehen hat: die Nationalisierung der Sozialdemokratie, tatkräftig im Ersten Weltkrieg unter Beweis gestellt; und die auf die Spitze getriebene Barbarei im Gefolge der Oktoberrevolution, kulminierend im Stalinismus. Es wird nicht zuletzt deshalb zu erörtern sein, ob der Anarchismus vielleicht doch etwas Nützliches über den Staat mitzuteilen hat.

 

Es spricht Philippe Kellermann (Berlin), Autor und Herausgeber verschiedener Publikationen, die sich vor allem mit dem Verhältnis von Anarchismus und Marxismus beschäftigen, u.a. von „Marxistische Geschichtslosigkeit“ (Edition AV). Um Belehrung durch Hegelianer und Kapitallogiker wird gebeten!

 

Um 20°° im Jos Fritz-Café, Wilhelmstraße 15 (Spechtpassage). 

 

 


 


Initiative Sozialistisches Forum

Jour fixe

Frühjahr / Sommer 2013

 

Der Einleitungstext „Das Fleisch der Deutschen“
sowie das Kommentierte Programm unter: www.isf-freiburg.org

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die oben erwähnten marxistischen kritiker des anarchismus taten bzw. tun so, als würde sich die anarchistische bewegung an bakunin orientieren. das war nie in besonderem maße der fall. seit ende des 19. jahrhunderts hat sich in der anarchistischen bewegung die anarchokommunistische position durchgesetzt, also eben keine warenproduktion, sondern eine eigentumslose gesellschaft wird gefordert. nix mit kaufen und verkaufen und auch kein tausch! die leute geben an, was sie brauchen, und was sie herstellen können/wollen. dann wird gemeinsam überlegt, wie das in einklang zubringen ist (sehr verkürzt dagestellt). auch heute haben die meisten anarchistinnen eine kommunistische wirtschaft als ziel, so die in der ifa föderierten gruppen, die plattformistinnen, die meisten insurrektionalistinnen, die meisten anarchosyndikalistinnnen (die lager überschneiden sich zum teil). auf bakunins wirtschaftsvorstellungen bezieht sich heute so gut wie niemand mehr. allerdings ist unser kommunismusmodell dezentral und darauf bedacht, den bedürfnissen der einzelnen individuuen gerecht zu werden. die kommunismusvorstellung von marx und engels und der sich an ihnen orientierenden leute ist dagegen zentralistisch und freiheitsfeindlich. die parteiführung beschliesst was wir für bedürfnisse haben sollen und bestimmt, was und wie wir produzieren sollen.

ich finde es eigenartig, daß die isf so eine veranstaltung macht. seit wann interessieren die sich denn für staatskritik?