Am Dienstagabend, den 30.4., zwei Monate vor Ende der Kündigungsfrist des Nutzungsvertrags, startete die Kampagne „Kein Tag ohne!“ zur Verteidigung des Autonomen Zentrum Köln ihren Auftakt. Um 20 Uhr sammelten sich ca. 150 Leute vor der Unimensa. Mit etwas Verspätung zog die Demo dann gegen 21:00 Uhr los. Innerhalb kürzester Zeit wuchs diese auf ca. 350 bis 400 Menschen an, die lautstark mit Parolen wie "Kein Tag ohne - Autonomes Zentrum" oder "Reisst ihr unsere Häuser nieder, sehen wir uns in euren wieder" an den mittlerweile gut gefüllten Kneipen und Bars der Zülpicher Strasse vorbeizogen.
Schnellen Schrittes und guter Stimmung ging es - mit einer kurzen Sprinteinlage - sehr laut und entschlossen die Ringe entlang. Am Rande der Demo wurden zahlreiche Flyer und AZ-Programme verteilt, die über die aktuelle Situation des AZ, die Vertragskündigung, die Abrisspläne der Kölner Politiker_innen und den geplanten Widerstand informierten. Die Demo endete am zentralen Büro der Kölner SPD in der Magnusstraße (nähe Friesenplatz).
Die SPD ist als gemeinsam mit den Grünen regierende Partei im Stadtrat und in Person des Kölner Oberbürgermeisters hauptsächlich für die derzeitigen Pläne verantwortlich, die just an der Stelle wo das AZ steht, einen Grünstreifen vorsehen. Jeglichen Gesprächen und Lösungsversuchen verweigert sie sich konsequent.
Da auch der Polizei bekannt ist, dass dieses Verhalten geeignet ist, Wut und Ärger zu schüren, positionierte sie sich mit einem sichtlich nervösen Aufgebot vor den Türen und Fenstern der SPD-Zentrale. Doch an diesem Abend wurde sie von den Demoteilnehmer_innen weitestgehend ignoriert. Stattdessen gab es an dieser Stelle einen abschließenden Redebeitrag. Mit emotionalen, wie auch selbstkritischen Worten wurden die letzten drei Jahre reflektiert und die Beweggründe für den kommenden Widerstand gegen eine mögliche Räumung des AZ formuliert. Anschließend löste sich die Demonstration ohne Verhaftungen auf.
Wir werten die Demonstration als einen erfolgreichen Auftakt für die Kampagne "Kein Tag ohne!", da es geschafft wurde innerhalb kurzer Mobilisierungszeit 350-400 Menschen auf die Straße zu bringen. Die durchgängigen Parolen und die Entschlossenheit der Demoteilnehmer_innen zeigen, dass viele Menschen ein Köln ohne AZ nicht hinnehmen werden. Vielen Dank an alle, die mit uns auf die Straße gegangen sind.
Die nächsten Termine der Kampagne stehen bereits fest: Am Samstag, den 4. Mai um 14 Uhr, findet eine offene Vollversammlung im AZ statt. Dort wird es die neusten Infos geben, sowie die Möglichkeit sich der Choreographie des Widerstandes anzuschließen.
Der Mai wird ganz im Zeichen der Vielfalt stehen. Das (fast schon) legendäre Barrikadenfest am 11. Mai lädt zum Organisieren, Bauen und Revue passieren lassen ein. Dort wird es ein buntes Programm von Barrikadenbau über Bezugsgruppen-Inputs, Molotow-Cocktailbar und Häuserkampf Filmen geben. Die Rote Hilfe Köln gibt im Rahmen der Veranstaltung "Was tun wenn's brennt?" bereits zwei Tage zuvor, am 9. Mai, einige wichtige rechtliche Tipps zum Verhalten auf Demos, bei Hausbesetzungen und Räumungen.
Am 17. Mai findet die große RAK-Antiräumungsgala statt. Und am Wochenende 24.-26. Mai wollen wir im Rahmen des Sommerblutfestivals, das in diesem Jahr unter dem Titel "Flucht" steht, zeigen wie an einem Ort wie dem AZ innerhalb kurzer Zeit eine geballte Ladung Kunst, Kultur und Politik entstehen kann.
Den vorläufigen Höhepunkt der Kampagne bilden die Aktionswochen Ende Juni/Anfang Juli, zu denen wir euch alle, sowie befreundete Gruppen und Projekte europaweit einladen. Es geht zum einen darum eine Räumung, die mit Ende der Kündigungsfrist am 30. Juni möglich ist, abzuwenden, zum anderen zusammen zukommen, sich auszutauschen und gemeinsam auf die Straße zu gehen. Für den 6. Juli ist eine große Demonstration in Köln geplant.
Weitere Ankündigungen dazu folgen in nächster Zeit, auf der Website der Kampagne: http://keintagohne.az-koeln.org
Auf einen widerständigen Sommer!
Eine Räumung wird es nicht geben!
Kein Tag ohne AZ!
Rede auf der Abschlusskundgebung
In den nächsten Wochen und Monaten werden wir uns immer wieder aufeinander beziehen, gemeinsame Aktionen machen, einander besser kennen und vertrauen lernen, wir werden gemeinsam für den Erhalt des AZ kämpfen. Doch wer ist dieses wir auf das wir uns beziehen? Es sind die Leute, die seit nun mehr 3 Jahren immer wieder in unser Haus in der Wirsbergstraße kommen, Veranstaltungen, Film oder Kneipenabende, Konzerte oder Parties besuchen oder sie sogar organisieren, die Leute, die auf Plenas mitdiskutieren, die sich Nächte um die Ohren schlagen, um Sachen im Haus zu reparieren. Wir, das sind die Leute, die auch wenn sie aus anderen Städten kommen im Internet mitlesen was passiert und immer wieder mal vorbeikommen. Wir alle haben einen Haufen wundervoller Erinnerungen, die mit diesem Haus verbunden sind:
Einen besonderen Kuß auf einer Party. Das Lachen zusammen mit anderen GenosInnen auf der Treppe. Die ersten Nächte nach der Besetzung mit Nachtwache auf dem Dach. Die Freunde, die jeder von uns in diesem Haus gefunden hat.
Wir wissen, dass niemand uns diese Momente wegnehmen kann, denn wir haben sie bereits erlebt. Wir wissen auch, warum es ein besonderes Gefühl ist im AZ oder in anderen squats zu sein. Es sind unsere Räume, in einer Welt, in der wir sonst keine Orte haben. Wir haben dieses Haus besetzt, damit wir endlich leben können.
Alle die ihren Weg in dieses Haus gefunden haben scheinen vor irgendwas davon zu laufen. Es ist wohl diese kalte, sterile, wirtschaftliche, verstaatlichte, scheiß kapitalistische Welt voller Knäste, die das Leben verachtet. Für uns ist es eine Welt, in der wir keine Orte haben, außer wenn wir sie uns nehmen. Wir fühlen uns nicht wohl in ihren Schulen, Fabriken, Büros, Gerichten, in ihren Banken, ihren Supermärkten und Universitäten.
Wir wissen auch, dass dieses Wir privilegiert ist, dass dieses Wir an vielen Punkten gescheitert ist und scheitern wird. Dass es nicht zu dem geworden ist, was es sich selbst vorgenommen hat zu sein. Zu wenig haben wir uns an konkreten Kämpfen in Köln und anderswo beteiligt – und einen Ort geschaffen, der doch eher dem Szenesumpf entsprach, den wir doch eigentlich vermeiden wollten. Die weißen Mittelstandskids, die das AZ-Umfeld dominieren, wirken auf weniger privilegierte Gruppen oftmals eher abschreckend als einladend. Immer wieder begegnen wir im AZ hierarchischen und patriarchalen Strukturen. Ja, wir befinden uns in einer herrschaftlichen, rassistischen und patriarchalen Gesellschaft, davon kann sich das AZ nicht befreien. Aber wir befinden uns auch in einem Prozess, der immer wieder Reflexion bedarf und der niemals abgeschlossen sein wird. Wir versuchen uns die Zeit zu nehmen, diese Welt, die wir jeden Tag aufs neue reproduzieren zu reflektieren. Wir haben immer wieder neue Ideen und Pläne, neue Experimentierfelder und Umstrukturierungsprozesse. Wir bleiben nicht stehen, wir lernen aus Konflikten, wir entwickeln uns weiter und niemand hat je gesagt, dass wir bereits angekommen wären.
Uns ist klar, dass wir Orte wie das AZ brauchen, um als Bewegung existieren zu können. Orte des Dissenz, die dem Lauf der Dinge widersprechen und versuchen sich selbst zu bestimmen anstatt bestimmt zu werden. Uns ist klar, dass wir absolut kein Vertrauen in den Staat oder irgendwelche Politiker*innen haben (, irgendwelche Finanzinstitute, Technokraten und Wirtschaftsweisen). Wir glauben, dass wir innerhalb dieser Gesamtscheiße keine andere Möglichkeit haben, als grundlegend zu widersprechen, Widerstand zu organisieren und neue Wege auszuprobieren.
Anfänglich waren wir oft naiv und haben geglaubt, dass wir in der Politik doch bestimmt Unterstützer*innen für das Projekt AZ gewinnen könnten. Wir haben geglaubt, dass doch bestimmt gesehen wird, dass es Alternativen braucht und das ein AZ als eine solche Alternative gesehen wird. Wir haben immer wieder gefragt, ob denn die Stadt nicht groß genug sei für ein AZ. Wir haben gefragt, ob es eine andere Welt in dieser geben kann. Meist haben die Verantwortlichen geschwiegen und wenn sie geantwortet haben, dann mit Vertragsklauseln, Lügen und Beleidigungen und am Ende mit Gewalt. Wir haben verstanden, dass wir nichts mehr von dieser Stadt zu erwarten haben, als dass sie letztendlich mit Gewalt antwortet. Wir haben uns daran gewöhnt, dass wenn es um Gewalt geht, die Tatsachen verdreht werden. Wenn ein Haus im Leerstand gelassen wird, damit eine Bank und letztendlich der Staat später daran verdienen kann, dann wird das kapitalträchtig genannt. Wenn wir es besetzen, dann ist es Gewalt. Wenn Räumpanzer aufgefahren werden, um die Leute aus dem Haus zu vertreiben, welches leerstehen soll, dann ist es das Recht des Eigentümers. Wenn wir Barrikaden bauen, um den Ort zu beschützen von dessen Notwendigkeit wir überzeugt sind, dann nennen sie es gewaltbereit.
Wir haben nichts anderes erwartet, denn wir haben in der Tat eine Frage gestellt, auf die der Staat nur mit Gewalt antworten kann. Nicht nur haben wir etwas genommen, was ihr euer Eigentum nennt, wir haben auf diesem Weg zueinander gefunden. Wenn wir zueinander finden, dann dauert es nicht mehr lange, bis wir uns gemeinsam auflehnen. Wir haben zusammen einen Ort gestaltet, darin gefeiert, uns eingemischt und uns nicht zufrieden gegeben, wir haben uns kennengelernt, gelernt zu vertrauen, sich zu streiten und zu lieben. Wir haben uns größeren Kämpfen an anderen Orten verbunden gefühlt. Wir haben über die Möglichkeiten für ein anderes Leben zu kämpfen geredet und den Geschichten anderer widerständiger Herzen an anderen Orten gelauscht. Immer wieder haben wir uns selbst über den Haufen geworfen und sind an uns selbst gescheitert. Leben so radikal wie die Wirklichkeit. Für viele von uns wurden die Risse zwischen der Wirklichkeit im Haus und der Wirklichkeit im bürgerlichen Alltag immer tiefer, für andere hat es diese Vereinbarung nie gegeben.
Auch wenn wir nur selten, aber dafür in intensiven Zeiten in diesem Haus gewohnt haben, so war es doch ein Dreh und Angelpunkt vieler Leben. Was passiert wenn tausend Leben explodieren, nicht jedes für sich sondern alle zusammen?
Wir bauen eine Barrikade aus drei Jahren Leben, aus all dem, was seinen Wert in eurer Welt verloren hat. Wenn ihr den Ort zerstören wollt, an dem unsere Leben hängen, dann müsst ihr diese Mauer durchbrechen – und das nicht mit Paragraphen und Verordnungen und auch nicht mit Worten.
Der Angriff auf das AZ in Köln findet nicht im luftleeren Raum statt, sondern ist Ausdruck für die alltäglichen Bedrohungen, unter denen selbstverwaltete, libertäre und emanzipatorische Projekte nicht erst seit heute leiden. Diesem Angriff wollen wir nicht in reiner Abwehrposition entgegenstehen, sondern immer wieder Risse in der Idee der konsumierten und diktierten Stadt erzeugen. Bereits vorhandene Risse mit Leben füllen – Distel im Beton!
Der Aufstand wird greifbar, wir spüren diese kommende Wärme, als ob erstarrte Hände kribbelnd wieder zum Leben erwachen. Wir beschweren uns nicht mehr, dass in der uns aufgezwungenen Gesamtscheisse kein Raum für Strukturen gelassen wird, die den bestehenden Verhältnissen etwas entgegensetzen wollen. Wir erkennen, dass unsere Politik, Kunst und Kultur erkämpft werden muss, da sie den Interessen der herrschenden Klasse sowieso messerscharf entgegensteht…
Das autonome Zentrum in Köln war in den vergangenen Jahren Kristallisationspunkt unserer Debatten und Kämpfe – so soll es weitergehen. Die Ideale, die in diesem Haus spürbar waren und sind; für die in diesem Haus gestritten und gefeiert, diskutiert und gearbeitet wurde, sind von keinem starren Gebäude abhängig. Ein Gebäude ist nur ein kleiner Raum in einer Welt voller Gewalt und Unterdrückung aber wir wollen nicht nur dieses Gebäude, sondern eine andere Welt.
Die Verteidigung eines geliebten Projekts kann symbolisch hierfür sein, oder auch der Anfang einer neuen Welle von Besetzungen und Versuchen einen aufständischen Alltag herbeizuführen.
Ihr könnt dieses Haus zerstören, doch niemals die Idee die dahinter steht.
Kein Tag Ohne
Guter Text!
Nur eine Stelle stört mich. "Wir erkennen, dass unsere Politik, Kunst und Kultur erkämpft werden muss, da sie den Interessen der herrschenden Klasse sowieso messerscharf entgegensteht…"
Sehe ich anders:
Es gibt keine herrschende Klasse, es gibt einen apersonalen Herrschaftszusammenhang der sich schon längst verselbstständigt hat: den Kapitalismus.
Klar, es gibt ganz konkrete Akteure die staatliche Interessen oder die einens Unternehmes (manchmal fällt das auch in eins) durchsetzen/vertreten, aber diese sind eben keine Klasse, sondern Akteure unter vielen.
Was es zu bekämpfen gilt sind Mechanismen und Sachzwänge, keine Klasse.
Außerdem: Das AZ wird nicht geräumt werden - weil wir es verhindern!