Das 1.-Mai-Fest im Grün war jahrelang eine charmante Grauzone – jetzt demontiert sie sich selbst
Die alternativen Maifestlichkeiten, die vom 30. April bis zum 1. Mai in Freiburgs Stadtteil Grün stattfinden, waren viele Jahre lang der bunte Gegenentwurf zur üblichen Freiburger Bier-bank- und Blasmusik-Kultur. Jetzt droht es auch an seiner eigenen Attraktivität zugrunde zu gehen.
In mancher Hinsicht waren das 1.-Mai-Fest im Stadtteil Grün sowie die zugehörige Nacht auf den ersten Mai immer eine vorbildliche Veranstaltung. Denn obwohl zuletzt mehrere tausend Menschen dort feierten, obwohl es für weite Teile des Areals weder Organisator noch Ordner gab, kam das Fest immer ohne Schlägereien oder ähnliche unschöne Szenen aus – was kaum ein Weinfest oder Dorfhock schafft. Nur im Jahr 2008 hatte die Polizei ein Aufgebot ins Grün abgestellt – damals war eine linke Demonstration zum Straßenfest gestoßen, ein in der Folge entzündetes Lagerfeuer auf der
Kreuzung war den Behörden dann zu weit gegangen.
Ansonsten erfreuten sich die Gäste jährlich am Gegenentwurf zur üblichen Freiburger Bier-bank- und Blasmusik-Kultur. Zwischen den regulären Hoffesten im Grether-Gelände und dem Josfritz-Cafe pendelten die Menschen hin und her, vorbei an WGs, die ihre Wohnzimmer nach draußen verlegt hatten, an Jongleuren, Falafel-Verkäufern und den unvermeidlichen Trommlern. Kinder bemalten die Wilhelmstraße mit Kreide.
Die Idylle ist zu Ende. Ähnlich wie bereits im vergangenen Jahr veröffentlichte die Stadt diesen Dienstag eine „Allgemeinverfügung“, die Aktivitäten vom 30. April bis 2. Mai im Viertel verbietet. Am Mittwoch wurden die Kneipenwirte des Viertels ins Ordnungsamt geladen. Dort wurde ihnen eingeschärft, keine Getränke nach draußen zu verkaufen. „Störungen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung sind zu unterbinden“, steht in der Verfügung. „Dazu werden die nicht genehmigten Veranstaltungen untersagt und das Mitführen von Glas verboten.“
Der Amtsapparat, der das Fest im Grün viele Jahre in seiner Grauzone existieren ließ, ist in Bewegung geraten – eine Reaktion auf Beschwerden der Anwohner, denen es auf die Nerven ging, dass das Fest in den vergangenen Jahren immer größer geworden war – und vor allem nächtens immer länger und lauter. Insbesondere vor dem Szenetreff Kyosk in der Adlerstraße war bis morgens früh zu lauten Beats gefeiert worden, Anwohner beklagten zudem den entstandenen Müll. Die Kommunikation klappte schlecht. Verärgerte Anwohner fanden wenig Gehör, weil es eben keine Organisatoren gibt.
Und weil manche derjenigen, die das Fest in den letzten Jahre ständig ausweiteten, nicht zu den Diplomaten gehören. Bewirkt hatte die vom Ordnungsamt erlassene Verfügung vergangenes Jahr dann aller dings nur, dass das traditionelle Kinderfest auf der Wilhelmstraße nicht mehr stattfinden konnte – die Feierwilligen waren einfach trotzdem gekommen und hatten eben ohne Erlaubnis tagswie nachts die Straßen gefüllt.
Ob dafür dieses Mal viel Raum bleibt, ist fraglich. Ausgerechnet die Fest-Befürworter zwangen die Stadt im Vorfeld fast schon dazu, ihre Haltung zum Maifest öffentlich zu zementieren, über gemeinderätliche Anfragen und auch über die gescheiterte Klage gegen die Allgemeinverfügung
von 2012 – mit der die Fest-Freunde unfreiwillig die juristische Bestätigung der städtischen Haltung einforderten.
Wirkungslos dagegen blieb die Initiative zahlreicher Anwohner und Wirte des Viertels, die sich zu einem Runden Tisch zusammengefunden hatten, um einen Rahmen zu finden, in dem das Fest stattfinden kann – das drohende Ende hatte auch viele Kritiker der mittlerweile erreichten Fest-Ausmaße erschreckt. Einen offiziellen Veranstalter, den das Ordnungsamt jetzt sehen will, bot aber auch die Initiative nicht an. „Wir hatten einfach gehofft, dass sich das Amt noch mal überzeugen ließe, die Augen zuzudrücken, so wie früher“, sagt Christian Dicken, einer der Initiatoren des Runden Tischs. Vergeblich.
Was macht die Demo?
Viele Maifest-Sympathisanten aus der Anwohnerschaft fragten sich schon nach dem Polizeiaufgebot im vergangenen Jahr, inwieweit das nächste Fest verstärkt diejenigen anziehen würde, die sich mit der Polizei gerne ihre Spielchen liefern. Also schaut man argwöhnisch auf die „libertäre 1. Mai-Demonstration“, die ihr Eintreffen im Grün für 14 Uhr angekündigt hat. „Inwiefern die Polizei diese (Allgemeinverfügung) auch rigoros durchsetzen kann, hängt nicht zuletzt von uns ab“, liest man auf der zugehörigen Webseite.
Der Teufel ist ein Eichhörnchen
Was am schlimmsten an diesem Artikel ist, dass er beim ersten Lesen positiv rüber kommt. Der Journalist hat eine eigene Vorstellung vom 1. Mai Fest und diese ist ehrlich positiv. Diese eigene Vorstellung ist aber erstens, dass es ein unpolitisches Fest ist und dass es sich über die letzten Jahre grundlegend verändert hat. Zweitens ist diese Vorstellung, dass das Amt für öffentliche Ordnung auf diese Änderungen nur reagiert und eigentlich kein Eigeninteresse hat, dieses Fest in Grund und Boden zu stampfen.
Was eigentlich selbstverständlich sein soll, ist, dass der 1. Mai ein Tag zum Feiern ist und dass auch eine Feier politisch sein kann. Der Stadtteil Grün hat eine spezifische Geschichte und dazu gehört, dass eine unkommerzielle 1. Mai Feier im Stadtteil Grün selbstverständlich politisch ist. Es geht um Freiraumnehmen und die Straße ein Mal im Jahr selbstbestimmt nutzen ohne kommerziellen Zwang.
Dies ist ein politisches Fest, wir müssen nicht jedes Mal inhaltliche Flyers und Transpis machen, damit es politisch wird.
Dass das Fest sich über die Jahre verändert hat, gehört auch dazu. Kultur ändert sich über die Zeit; es ist klar, dass es nicht das selbe Fest ist wie in den 90er Jahren. Wir werden auch älter und betrachten manche Dinge auch anders. Ob mehr Leute dazu stoßen oder nicht, kann ich nicht feststellen. Ich stelle mehr fest, dass bei gutem Wetter mehr Leute kommen als bei Regen.
Die Demo von 2008 wird auch als Rechtfertigung herangezogen. Demos fangen an und enden häufig im Grün, weil es dort weniger Repression gibt, weil ein teilweise offener Raum schon erkämpft ist. Wer will schon sofort eingekesselt werden?
Wenn wir dieses Fest nicht nutzen wegen Angst vor Repression, dann ist dieser Raum schon verloren.
Klar sollte für uns sein, dass das salomonische Amt für öffentliche Ordnung alternative-linke Kultur wegdrängen will. Es geht nur im ersten Schritt um den 1. Mai selbst. Hier können die in ihrem Ruhebedürfnis gestörten Einwohner als Rechfertigung dazugeholt werden. Aber es geht um mehr.
Es geht um Stadtentwicklung. Das Amt will Kyosk weg haben und wenn Kyosk weg ist, kommt das Grethergelände auch in Frage, und dann können es schicke Straßencafes usw entstehen.
Dieser Artikel schafft es, die Politik als Störfaktor bei einem niedlichen Straßenfest darzustellen. Am Ende sollte klar sein, die Stadt will diesen Bereich auch kommerzialisieren und alles was stört soll weg. Zu diesen Störfaktoren gehört das 1. Mai Straßenfest. Wer denkt, dass es hier um Lärmschutz geht, täuscht sich gründlich.
you gotta fight for your right to party!