"Asyl in der Republik Zypern" - Eine Dokumentation

Asyl in der Republik Zypern

Zusammenfassung der Dokumentation „Asyl in der Republik Zypern - Verfahrensstandards, Rechtslage und Lebensbedingungen auf dem Prüfstand“

Die Asylverfahrensstandards, Rechtslage und Lebens-bedingungen von Asylsuchenden in der Republik Zypern untersucht die neu erschienene Dokumentation "Asyl in der Republik Zypern". Die 60-seitige Broschüre beleuchtet Defizite in der Bearbeitung von Asylanträgen, die zum Teil mangelhafte Umsetzung europäischer Richtlinien und widerrechtliche Inhaftierung von Asylsuchenden sowie die schwierige soziale Situation von Flüchtlingen mit unterschiedlichem Aufenthaltsstatus.

 

Der Hintergrund

 

Die im April 2013 erschienene Dokumentation „Asyl in der Republik Zypern“ wurde von der Fachgruppe „Zypern“ der Kontakt- und Beratungsstelle für Flüchtlinge und MigrantInnen e.V.(KuB) verfasst. Sie untersucht das zyprische Asylsystem und nimmt dabei unterschiedliche Aspekte unter die Lupe. Zum einen beleuchtet die 60 Seiten umfassende Analyse die Standards beider Durchführung des Asylverfahrens. Zum anderen befasst sich die Untersuchung mit demStand der zyprischen Asylgesetzgebung, der praktischen Umsetzung rechtlicher Grundlagen undder Implementierung europäischer Richtlinien. Außerdem gibt die Dokumentation Einblick in dieLebensbedingungen von Asylsuchenden mit unterschiedlichem Aufenthaltsstatus.

 

Die Erkenntnisse stützen sich auf ein vielseitiges Datenmaterial. Im September/Oktober 2012führten die AutorInnen 85 Leitfadeninterviews mit MitarbeiterInnen von der am Asylsystem beteiligten Institutionen, AnwältInnen und MitarbeiterInnen von NGOs und Beratungsstellen sowie mitzahlreichen Asylsuchenden. Eine quantitative Befragung der Asylsuchenden lieferte zusätzlicheInformationen. Im Folgenden sollen die wichtigsten Ergebnisse der Untersuchung in Kürze vorgestellt werden.

 

Durchführung von Asylverfahren

 

Für die Entscheidung über Asylanträge sind der Asylum Service (1. Instanz), die Reviewing Authority (2. Instanz) und der Supreme Court (3. Instanz) zuständig. Für alle Phasen des Asylverfahrens wurden erhebliche Mängel festgestellt, sodass davon ausgegangen werden muss, dassein Großteil der Asylsuchenden in der Republik Zypern kein angemessenes Asylverfahrennach den Standards europäischer Richtlinien erhält.

 

Bereits in erster Instanz ergeben sich Probleme dadurch, dass der Asylum Service Asylsuchendenur unzureichend über den Ablauf des Verfahrens informiert. Nur jede achte Person gab an, überihre Rechte und Pflichten während des Verfahrens aufgeklärt worden zu sein. Schriftliche Informationsmaterialien sind veraltet und ausschließlich in englischer Sprache erhältlich. Die Qualität der Anhörungen zu den individuellen Fluchtgründen variiert stark in Abhängigkeit von den Kenntnissen der AnhörerInnen und SprachmittlerInnen. Die Mehrzahl der SprachmittlerInnen verfügt über keine spezielle Ausbildung, teilweise beherrschen sie die zu übersetzende Sprache sogar nur unzureichend.

 

Bei der erstinstanzlichen Entscheidung kommt es in vielen Fällen zu unangemessen langen Wartezeiten, oft erhalten die AntragsstellerInnen erst nach mehr als zwölf Monaten ihren Bescheid. Negative Bescheide werden ausschließlich in griechischer Sprache begründet, der Zugang zu den persönlichen Fallakten als Hilfe zur Begründung eines Widerspruchs ist nur begrenzt möglich und wird erst in der dritten Instanz gewährleistet – eine deutliche Verletzung der europäischen Asylverfahrensrichtlinie.

 

Auch der Durchlauf der zweiten Instanz kann teilweise Jahre dauern. Dennoch macht die Reviewing Authority nur selten von ihrer Möglichkeit Gebrauch, neue Elemente und veränderte Sachlagen zu erörtern und ExpertInnen oder Behördenangestellte hinzuzuziehen. Folglich werden erstinstanzliche Urteile größtenteils bestätigt.

 

Der Supreme Court prüft als dritte Instanz lediglich das juristisch korrekte Vorgehen der vorherigen Instanzen. Somit können KlägerInnen nicht auf eine Veränderung der Sachlage (z.B. Situation im Herkunftsland) hinweisen oder neue Beweismittel vorlegen. Diese Praxis verstößt gegen europäische Gesetzgebung. Es muss davon ausgegangen werden, dass den Asylsuchenden kein wirksamer Rechtsbehelf gegen Asylentscheidungen zur Verfügung steht. Da seit 2009 nur in drei Fällen Prozesskostenhilfe bei einer solchen Klage zugestanden wurde, scheinen die Behörden den Zugang zum Klageverfahren zusätzlich zu erschweren. Entgegen der europäischen Vorschrift, nach welcher Abschiebungen während des Klageverfahrens unzulässig sind, kommt es regelmäßig zu unrechtmäßigen Abschiebungen vor Beendigung des Verfahrens.

 

Lebensbedingungen der Asylsuchenden

 

Eine Vielzahl von Problemlagen bedingen, dass die Lebensbedingungen für Asylsuchende in der Republik Zypern als äußert schwierig zu bewerten sind. Insbesondere die Mängel bei der Bewilligung und Auszahlung von Sozialleistungen führen dazu, dass der Lebensunterhalt einer Vielzahl der Asylsuchenden zumindest zeitweise nicht gesichert ist. Häufig werden Sozialleistungen Monate nach der Ankunft von Asylsuchenden erstmals ausgezahlt und auch nach Feststellung des Sozialleistungsanspruchs sind Verzögerungen der Auszahlungen keine Seltenheit. Hinzu kommen zahlreiche bürokratische Hürden, wie beispielsweise die Vorauszahlungspflicht für die erste Miete vor Bezug von Wohngeld seitens der AntragsstellerInnen. Viele Asylsuchende sind auf die Unterstützung aus dem sozialen Umfeld angewiesen oder können ihren Lebensunterhalt nur durch irreguläre Arbeit sichern.

 

Auch in Bezug auf die medizinische Versorgung von Asylsuchenden wurden gravierende Mängel festgestellt. Es besteht ein grundsätzlicher Anspruch auf medizinische Grundversorgung, doch in der Praxis erhalten zahlreiche Asylsuchende dennoch keine „medical card“, da sie über ihren Anspruch auf medizinische Versorgung nicht aufgeklärt worden sind oder an den bürokratischen Hürden zur Erlangung der Gesundheitskarte scheitern. Diskriminierendes Verhalten des medizinischen Personals erschwert den Zugang zu einer ausreichenden Versorgung – in einigen von Asylsuchenden geschilderten Fällen wurde die Behandlung gänzlich verwehrt. Für besonders schutzbedürftige Asylsuchende, wie traumatisierte Personen oder schwangere Frauen, gibt es in der Republik Zypern keine speziellen Programme.

 

Zur Unterbringung von Asylsuchenden gibt es in der Republik Zypern nur drei Unterkünfte für insgesamt etwa 450 Personen, in denen nur ein Bruchteil der AntragsstellerInnen untergebracht werden können. Die Auswahl der Asylsuchenden, die einen Platz in einer solchen Unterkunft erhalten, scheint willkürlich zu erfolgen. Auf die Bedürfnisse besonders schutzbedürftiger Personen wird dabei keine Rücksicht genommen. In den Sammelunterkünften werden die Asylsuchenden mit Fertigmahlzeiten versorgt, welche von den meisten Personen als einseitig und mangelhaft beschrieben werden. Aufgrund der finanziellen Schwierigkeiten der Republik Zypern wurde im vergangenen Jahr in einer Unterkunft das Frühstück gestrichen, in einer anderen die Ausgabe von Milchpulver und Windeln für Kleinkinder. Die ohnehin zu geringen Barleistungen von 85 Euro für alleinstehende Personen und Familienoberhäupter sowie 17 Euro für weitere Familienangehörige monatlich wurden indes nicht erhöht.

 

Was die Lebensbedingungen der Asylsuchenden in der Republik Zypern betrifft, lässt sich feststellen, dass Behörden und Regierung ihre Pflicht zur Sicherung der Lebensgrundlage der Asylsuchenden nicht ausreichend erfüllen. Ihr Verhalten offenbart, dass sie die Unversehrtheit der Asylsuchenden durch restriktive Maßnahmen und Unterschlagung von Leistungen bewusst gefährden.

 

Inhaftierungen

 

Alle in die Republik Zypern nach der Dublin II-Verordnung überstellten Personen werden als sogenannte „prohibited immigrants“ betrachtet und ausnahmslos inhaftiert. Obwohl in vielen Fällen möglich, findet eine Wiederaufnahme des Asylverfahrens keinerlei Anwendung. Darüber hinaus sind insbesondere abgelehnte Asylsuchende von Inhaftierungen bedroht, da Inhaftierung als alternativlose Maßnahme zur Erwirkung der Ausreise abgelehnter AntragstellerInnen erachtet wird. Auch Personen, deren Klage gegen ihre Asylentscheidung noch läuft, werden regelmäßig inhaftiert. Entscheidungen des Supreme Courts über die Unrechtmäßigkeit der Inhaftierung werden nicht selten von der Polizei ignoriert. Die Dauer der Inhaftierung überschreitet in vielen Fällen die rechtlich festgelegte Maximaldauer von Inhaftierungen. So sind die Inhaftierungen von Asylsuchenden häufig in ihrer Begründung sowie in ihrer Länge widerrechtlich. Aufgrund des fehlenden Rechtsbeistands gelingt es allerdings nur wenigen inhaftierten Personen die Rechtmäßigkeit der Haft richterlich überprüfen zu lassen.

 

Unterdessen sind die Haftbedingungen für Asylsuchende in der Republik Zypern alarmierend. Häufig werden die Betroffenen nicht in den regulären Haftanstalten, sondern im Polizeigewahrsam festgehalten. Sie bleiben auf meist unbestimmte Zeit in Zellen untergebracht, die lediglich für eine sehr kurze Nutzung ausgelegt sind. Zum Teil haben die Inhaftierten nur sehr eingeschränkte oder gar keine Möglichkeit zum Hofgang, teilweise nicht einmal Zugang zu Tageslicht. Individuelle Rechte wie die Nutzung von Mobiltelefonen und das Recht auf Besuch werden von Einrichtung zu Einrichtung mehr oder weniger willkürlich gewährt. Asylsuchende berichten zum Teil von physischer und psychischer Gewalt seitens der BeamtInnen, auch Fälle von sexueller Gewalt, Verwehrung medizinischer Hilfe und Entzug von Nahrungsmitteln wurden bekannt. Inhaftierten Asylsuchenden werden in der Republik Zypern grundlegende Rechte verwehrt und teilweise unmenschliche Bedingungen zugemutet – das alles ohne Straftatbestand.

 

 

Veranstaltungshinweis 2. Mai 2013


Vorstellung der Broschüre „Asyl in der Republik Zypern – Verfahrensstandards, Rechtslage und Lebensbedingungen auf dem Prüfstand“. Eine Dokumentation der Kontakt- und Beratungsstelle für Flüchtlinge und MigrantInnen e.V.


Zur Präsentation der Broschüre und ihres Entstehungshintergrundes sowie zur Vorführung von Filmausschnitten laden wir alle Interessierten herzlich ein.

 

02. Mai 2013 

17:00 – 19:00 in der Europäischen Akademie 

Bismarckallee 46/48, 14193 Berlin 


Download der Dokumentation hier


Bestellt die Printversion unter Angabe eurer Anschrift und der gewünschten Stückzahl per E-Mail an kontakt@kub-berlin.org              

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könnt ihr ähnliche berichte für andere länder hier reinstellen?

Hier ein paar links zu weiteren Berichten:
Malta: content.bordermonitoring.eu/Malta.2012.pdf
Ungarn: http://content.bordermonitoring.eu/bm.eu--ungarn.2012.pdf
Italien: http://content.bordermonitoring.eu/bm.eu--italien.2012.pdf
beide von bordermonitoring.eu
http://bordermonitoring.eu

weitere Infos gibts bei:

http://www.borderline-europe.de/
http://www.proasyl.de
http://fortresseurope.blogspot.de