[Gö] Aufruf zur antikapitalistischen, antirassistischen Demo am 18.05.

Aus gegebenem Anlass

Aus gegebenem Anlass. Gegen Kapitalismus. Gegen Rassismus. Immer. Samstag, 18. Mai 2013 | 18 Uhr | Marktplatz Göttingen

Aufruf zur antikapitalistischen Warm-Up-Demonstration im Vorfeld von Blockupy

 

Der europäische Wirtschaftsraum befindet sich nun bereits im sechsten Krisenjahr und eine Verbesserung der Lage ist nicht in Sicht. Im Gegenteil – inzwischen werden in so kurzen Abständen neue Nachrichten über die Verschlechterung der Lebensbedingungen gemeldet, dass das Credo der ständigen Abwärtsspirale zur Normalität geworden ist. Viele soziale Errungenschaften des vergangenen Jahrhunderts werden im Kontext der Krise immer weiter nach dem Vorbild der deutschen Agenda 2010 abgebaut. So steigt beispielsweise die Zahl der Zwangsräumungen in Portugal und Spanien dramatisch. In Griechenland können sich Menschen den Zugang zu Lebensmitteln und Medikamenten nicht mehr leisten. Doch auch in Deutschland, einem der Gewinner der Krise, hat sich die Lebensqualität für Teile der Bevölkerung verschlechtert. So ist unter anderem bezahlbarer Wohnraum in vielen deutschen Städten zur Mangelware geworden. Der Zwang Kosten zu sparen führte z.B. in Göttingen zu einer Ökonomisierung des Krankenhauswesens. Um die Produktivität zu erhöhen mussten immer weniger Pflegekräfte immer mehr PatientInnen versorgen, was eine Verschlechterung sowohl für die PatientInnen als auch für die LohnarbeiterInnen bedeutete. Es handelt sich also nicht nur schlicht um eine „Wirtschaftskrise“, sondern auch die gesellschaftliche Reproduktion, all jene Tätigkeiten und sozialen Zonen, die vermeintlich abseits kapitalistischer Ausbeutung ihre Grundlagen sichern und erneuern, stecken in einer tiefen Krise. Das noch in den 90er Jahren gültige neoliberale Glücksversprechen, wonach es jedeR durch genug Anstrengung zu Wohlstand und Glück bringen könne, zerschellt an den unmittelbaren Gegebenheiten und ist durch die Angst um die Existenz oder den sozialen Abstieg ersetzt worden.

 

…we want it all

Uns kann es nicht darum gehen, die Zustände vor der Krise zu romantisieren oder unsere Kritik allein an dem Zustand der Krise festzumachen. Vielmehr legen wir unseren Fokus darauf, dass die kapitalistischen Verhältnisse grundsätzlich auf der Ausbeutung von Menschen in und durch Lohnarbeit basieren. Sie sind deshalb auch bereits im Normalbetrieb ursächlich für Ausbeutung und daraus resultierendem Elend. Die Krise ist Ausdruck dieser Verhältnisse und nicht zuletzt dazu geeignet, den menschenfeindlichen Charakter dieser Gesellschaft zu veranschaulichen. Dieser macht sich allerdings nicht nur – wie häufig suggeriert – im Finanzsektor bemerkbar, sondern auch in der Produktionssphäre.

 

Knete, Monete, Para – Zur gedanklichen Spaltung des Kapitals

Selbst in den dämlichsten Fernsehtalkshows steht die bisher unantastbare Marktwirtschaft im Fadenkreuz der Kritik. Die Schere zwischen arm und reich drifte immer mehr auseinander und die Reichensteuer müsse her sagen die einen, man dürfe die Märkte nicht ängstigen die anderen. Das Finanzwesen habe jegliche Bodenhaftung verloren und die Managergehälter seien ja eh viel zu hoch. Auffallend ist dabei, dass die öffentliche Meinung die sogenannte Finanzwirtschaft disziplinieren will. Dabei wird schlichtweg ignoriert, dass eine Finanzwirtschaft ohne Realwirtschaft gar nicht existieren kann und insofern nichts anderes ist als Wetten auf noch nicht realisierten Wert, den nur die Lohnarbeit schaffen kann. Doch in dem vermeintlichen Wunsch die Finanzsphäre zu regulieren, wird das Kapital gedanklich aufgespalten. Die vermeintlich gute, nationale, produktive Arbeit steht dabei der vermeintlich unproduktiven mit Geld und Zins jonglierenden gegenüber. Am deutlichsten wird dies im Rahmen der unzähligen Managergehaltsdiskussionen. Massiv überbezahlt, unnötig und zumeist illoyal gegenüber dem nationalen Standort, werden Manager oder Banker an den Pranger gestellt. Die Bilder, die Manager als Heuschrecken darstellen, knüpfen dabei nahtlos an antisemitische Stereotype an. Nichtsesshaft, dynamisch, abstrakt sind die Charakterisierungen gegenüber den Zirkulationsarbeiten im Rahmen des Finanzbusinesses. Die Maloche als schweißtreibendes Männlichkeitsideal des Fordismus wird dabei als gute ehrliche Arbeit überhöht. Diese Aufspaltung von Zirkulation und Produktion ist eine brandgefährliche ideologische Formation. Die am meisten zugespitzte und krasseste Form geht von der Geldmacht der Banken zur Kritik an den Bänkern zu bestimmten Orten der Finanzwirtschaft (zum Beispiel Ostküste/New York) und gipfelt in der wahnhaften Personifizierung des Geldes in Jüdinnen und Juden. Diese Ideologie ist also Hass auf das abstrakte Prinzip der Wertverwertung. Selbstverständlich ist dieses nur ein Momentum in der ideologischen Spezifik des modernen Antisemitismus. Historische Formen, Ideologeme und religiös motivierte Stereotype überschneiden sich dabei und sind sehr flexibel in ihrer Artikulation und Form.

Es gilt jedoch festzuhalten, dass die EZB als europäische und politische Institution, die im Rahmen der Troika handelt, sehr wohl kritisiert werden kann. Die EZB ist also nicht verantwortlich für die Krise, sie muss jedoch als Institution begriffen werden, die Verelendungsprogramme plant und durchsetzt. Wenn jedoch von „den Verantwortlichen der Krise“ die Rede ist, denen etwas gezeigt werden solle, sollten reflexionsfähige Linke deutlich klarmachen, dass der Kapitalismus nicht an seinen Charaktermasken zu kritisieren ist, sondern als die Totalität der Produktion und Reproduktion gesellschaftlicher Verhältnisse, die gutes Leben für alle verunmöglicht. Wir wollen die falsche Kritik an den Zuständen aufs Korn nehmen, wobei es uns wichtig ist zu zeigen, dass Kredit, Schulden und Zinsen eine notwendige Grundlage für die angeblich gute ursprüngliche kapitalistische Produktion sind. Eine Kritik die nur auf sogenannte Auswüchse zielt und nicht die Grundlagen des Elends erkennen will, greift notwendig ins Leere. Jeglicher personalisierten Kritik und Appellen an den Staat ist eine materialistische, staatskritische und antinationale Position entgegenzusetzen.

 

Rassismus und Nationalismus

Die ursprüngliche Idee von einem Europa als politischen Raum über nationale Grenzen hinweg scheint angesichts der Krise passé zu sein und die Bedeutung nationaler Kollektividentitäten hat zugenommen. Die rechten Parteien Europas finden mit rassistischer und antisemitischer Hetze so viel Gehör wie schon lange nicht mehr und machen mobil. Ob in Griechenland die Chrisy Avgi (Goldene Morgenröte), in Ungarn die Jobbik usw., Rassismus, Antisemitismus und nicht zu vergessen Antiziganismus führen in Europa zu einem Klima der unmittelbaren Bedrohung und Angst. Die Ein- und Ausschlussmechanismen der Nationen funktionieren besonders gut in Zeiten der Krise. Auch wenn der NPD in Deutschland eine momentane strukturelle Schwäche attestiert werden kann, sollte klar sein, dass gerade der Terror der NSU und ihre Verstrickungen mit dem Verfassungsschutz sowie die Kameradschaften immer noch brandgefährlich für alle sind, die nicht in ihr völkisches Weltbild passen. Auch die neue Partei „Alternative für Deutschland“ ist nur ein Gemisch aus kulturalistischen DVU Phrasen kombiniert mit dem VWL-Chick der FDP und dem hohlen Gequatsche eines Hans Olaf Henkel. Getreten wird dabei vor allem in eine Richtung – nach unten bzw. geografisch betrachtet gen Süden. So sorgt aus deutscher Perspektive einerseits eine vermeintlich „südländische Mentalität“ in den von der Krise betroffenen Staaten für Unverständnis und Spott, andererseits erfolgt eine gesellschaftliche Mobilmachung gegen sogenannte „Sozialschmarotzer“ und „spätrömische Dekadenz“. Der Druck im Rahmen der weltweiten Konkurrenzverhältnisse und Sachzwanglogiken diszipliniert die Subjekte. Wer in dem Run auf Lohnarbeit, den internen Streitigkeiten zwischen LohnarbeiterInnen nicht den passenden Ellenbogenmove durchführt, dem wird dieses Unvermögen als persönliches Versagen vorgeführt und damit individualisiert. So werden gesellschaftlich, kapitalistisch produzierte Verhältnisse als individuell verursachte Schuld an einer abstrakten Allgemeinheit – der bürgerlichen Gesellschaft – gewertet. Die Betroffenen erscheinen den jeweils anderen als verachtenswerte Dummköpfe, und erlauben es so noch dem kleinsten Rädchen, sich mit Standort und Lohnsystem zu identifizieren.

In der Krise werden Menschen noch mehr als zuvor nach ökonomischem und ideologischem Bedarf sortiert. Ihre Begründungsmuster sind jedoch dynamischer und flexibler geworden. Religiöse und kulturalistisch geprägte Rassismen überlagern dabei den völkischen Rassimus, der die Nichtanerkennung von MigrantInnen als Subjekte impliziert. Die Integrationsdebatten in Deutschland führen die Dynamik und Flexibilität der Rassismen vor. „Ausländische Fachkräfte“ sollen nicht immigrieren, weil Deutschland offener geworden ist und die Vielfalt liebt, sondern weil der Bedarf an Fachkräfte für eine bestimmte Zeit nicht mit deutschem Arbeitsmaterial aufgefüllt werden kann. Das Nutzenkalkül im Rahmen der Mirgrationspolitik führt dazu, dass ein Großteil der nach Europa kommenden Flüchtlingen nicht einmal einen Fuß auf europäisches Festland setzen kann.

 

Locker easy? – Mitnichten!

Es sind genug Anlässe gegeben um auf der Straße den Unmut zu äußern. Und das haben wir vor. Im Vorfeld von Blockupy wollen wir auch regional ein Zeichen gegen die kapitalistische Vergesellschaftung, ihre Zumutungen und Zwänge sowie ihre ausschließenden Ideologien setzen. Wir wollen deutlich machen, dass der Kapitalismus in Göttingen und überall eine Schneise der emotionalen, geistigen und materiellen Verwüstung hinterlässt. Er macht die Menschen weltweit physisch und psychisch fertig und zerstört damit systematisch seine eigenen Grundlagen. Sein Wachstumszwang vernichtet langfristig die Grundlage allen Lebens – die Umwelt – daran wird auch kein „Green New Deal“ etwas ändern. Im Rahmen der Konkurrenz um gesellschaftliche Teilhabe und Anteile am gesellschaftlichen Reichtum entfalten sich diverse Ideologien, deren rassistische und antisemitische Ressentiments an Plausibilität scheinbar gewinnen. Diese gilt es zu benennen und abzuschaffen. Nicht nur bei Blockupy wollen wir ein politisches Signal setzen, dass ein kapitalistisches weiter-wie-bisher auf Grundlage regressiver Ideologien mit uns nicht zu haben ist. Machen wir Schluss mit der selbstverschuldeten Mündigkeit (sic!) im Kapitalismus und seinen binnenrationalen Erklärungen für Lohnarbeit, Profit und Verwertung sowie die Reproduktion des Gesamtverhältnisses. „Eine andere Welt ist möglich“, aber nicht mit Staat, Nation und Kapital. Daher verstehen wir sowohl die Warm-up-Demo als auch die Blockupyproteste als Versuch, Kapitalismuskritik breiter aufzustellen und gesellschaftlich wahrnehmbar zu machen und regressive Antworten als das zu benennen, was sie sind: Ideologien des Ausschlusses. Sie stehen unserer Vorstellung eines Zusammenschlusses freier Individuen – dem Kommunismus – konträr gegenüber.

Daher kommt aus gegebenem Anlass zur Warm-Up-Demo, fahrt zu den Blockupyprotesten und zur Antira-Demo in Berlin.

 

Für eine befreite Gesellschaft!

Zeige Kommentare: ausgeklappt | moderiert

neueste infos zur demo immer auf der seite von redical [M]

 

www.redical.org

Der Link funktioniert nicht, zumindest nicht mit www. davor. Ohne www. lässt sich die Seite problemlos aufrufen.

redical.org