Am 27. Juli 2009 marschierten um 8 Uhr rund 1.500, mit "G36" und "Famas"-Gewehren "leicht bewaffnete" Soldaten der deutsch-französischen Brigade, ein Pferd und ein Dackel, geschützt von Militärpolizei, StaatsschützerInnen, BFE und Hundertschaften von Polizeikräften aus dem gesamten Bundesland, schweigend durch das badische Müllheim. Der Anlass zur Durchsetzung des militaristischen Aufmarsches war das 20-jährige Bestehen der Brigade, die neben ihrer Rolle einer EU-Battle-Group und NATO-Response-Force auch die Wirtschaft der badischen Gemeinde maßgeblich mitbestimmt. Für diese weitere Steigerung militärischer Salonfähigkeit unter dem Deckmantel der Völkerfreundschaft wurde für Gestern und Heute mal eben das Müllheimer Stadtfest anektiert und ein Riesenkäfig aus Hamburger Gittern um die Hauptstraße Müllheims gestellt um eine Störung der "Festlichkeit" zu verhindern.
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Auch die Jubelrufe blieben nicht aus. Ehrlich gesagt überwog die Zustimmung unter der Bevölkerung am Rande der Absperrgitter. Viele schwenkten Fähnchen und bejubelten klatschend die 1.500 paradierenden Soldaten. Der Inspekteur des Heeres, Hans-Otto Budde - der am Vorabend das Stadtfest mit einer Festrede eröffnet hatte, nahm die salutierende Soldatenparade stolzen Herzens ab, während es aus dem Hintergrund schallte: "Gegen Krieg und Militär, Feuer und Flamme der Bundeswehr!".
Insgesamt waren etwa 200 Linke gekommen, um ihre Kritik an der Brigade, der Parade oder auch den Verhältnissen zu äußern. Der Markgräfler Friedensrat, der mit der Polizei so intensiv kooperierte, dass er schlußentlich eine Kundgebung vor der Post anmelden "wollte" und vom Aufruf zu ungehorsamen Aktionen zurückruderte, sang Friedenslieder durch Megafone. Viele hatten Luftballons, Pace- und Taubenfahnen mitgebracht.
Jedoch wurde auch radikale Kritik geäußert: Viele junge DemonstrantInnen prägten das Bild auf dem auch "Soldaten sind Mörder"-Schilder, Antifa-Fahnen, Anti-NATO und antikapitalistische Transparente zu sehen waren. Unter anderem stand dort "Korpulieren, statt marschieren", "Krieg dem Krieg" oder "Kapitalismus zerschlagen", aber auch "Holt die Jungs in Afghanistan nach Hause". Viele Parolen richteten sich gegen den Afghanistan-Einsatz, die Rolle Frankreichs in Afrika oder die Militarisierung der Region. Hervorzuheben war die äußerst kreative Parole "Auch wenn wir euch nicht kennen - die Bundeswehr muss brennen!".
Zur Absicherung der Marschroute - es hätte vom Polizeiaufgebot her ein Naziaufmarsch sein Können - wurden PolizistInnen und Sondertrupps aus allen Baden-Württembergischen Kasernen zusammengezogen. Militär-Polizei sicherte die Strecke mit Hunden und ein doppeltes Spalier der Bereitschaftspolizei stand an den Hamburger-Gittern vor der Gegendemonstration.
Die Parade dauerte keine 20 Minuten und wurde neben dem Klatschen vieler BürgerInnen auch konstant mit "Haut ab!", "Mörder!" und Buhrufen beschenkt. Glücklicherweise hatten die Soldaten auf ihre Schlachtgesänge und die Kappelle verzichtet. Einige Papierflieger stürzten in die Soldatentrupps, zumindest an einem Teil der Strecke wurde der Unmut über den Marsch lautstark auch für die SoldatInnen spürbar. Behindert wurde die Parade nicht. Sie bog um die Ecke, dann war alles wieder normal.
Hochrangige Militärs, Generäle im Ruhestand und VeteranInnen, die Familien der "Jungs", der freundliche Einzelhandel und die NachbarInnen der MörderInnen. Alle können sie nun anstoßen: Auf das Wohl der Brigade und die Prosperität "ihrer" Gemeinde. Die Heldenhafte und vielseits gerühmte "Brigade der Völkerverständigung" die Wohlstand und Stabilität in "unsere" Region bringt und uns vom Victorasee bis Kunduz verteidigen würde. Eine moderne Armee von der die "Lebensqualität" in der Stadt abhängt und die heute offenbar nach einer Bestätigung suchte und sie fand: Rückhalt aus der Mitte der Gesellschaft.
Während die Brigade in der Robert-Schumann-Kaserne ihren Fahnenappell absolvierte und die Hundertschaften, ZivilpolizistInnen und FriedensaktivistInnen wieder nach Hause fuhren, konnte das Stadtfest der badischen Gemeinde so richtig in Schwung kommen. Neben Fritten-, Würstchenbude und Saufgelage stehen Militärjeeps. Die Volksmusik rasselt aus den Boxen. Die Identitätsbildung der Stadt Müllheim hat einen weiteren Schritt vollzogen.
created by friends of mg -
created by friends of mg - das dürfte außer eine unklaren wunschvorstellung, der man sich evtl. gar nicht bewusst ist, wohl bloße (leere) wort-radikalität sein.
aus der verfassung der schilderung geht zweierlei nicht deutlich hervor: dass müllheim insoweit die 'normalität' der heutigen gesellschaft spiegelt, was vielleicht noch nicht überall angekommen ist. tatsächlich ist die dt-frz.-brigade ein teil der bereits gegenwärtigen interventionspolitik, wie sie auch stolz auf ihrer eigenen internet-seite verkünden.
gleich neben müllheim liegt neuenburg mit einer filiale der dicken rüstungsschmiede rheinmetall (arbeitsplätze auch für müllheimerInnen!) und etlichen granaten-produktionen, wobei es hin und wieder mal kleinere 'unfälle' gibt). das ergibt eine - wie bei oberndorf (heckler-koch und mauser) - eine ökonomisch-politisch-militärische verbindung, die sich aber nicht nur dort, sondern auch in der unmittelbaren rüstungsforschung an den unis und den fraunhofer-instituten zeigt.
die oben angemerkte - wohl etwas unerwartete - repression durch die polizeilichen truppen ist nicht ganz neu (s. strasbourg), dagegen ist offenbar zunächst wenig kraut gewachsen. ob sich daraus der hinweis auf 'mg' erklären lässt, als wunsch-vorstellung? darüber wird aber weniger geredet als gehandelt.