Subjektive Wissenschaft - Subjektive Medien

Kohlekraftwerk

Nach der Veröffentlichung der Gesundheitsstudie von Greenpeace hagelte es in vielen Medien Kritik an der Studie. Hauptargument in der Kritik ist die Tatsache, dass Greenpeace eigene Interessen mit der Studie verfolgen würde, und diese deswegen gar nicht objektiv sei. Das Ziel sei es Angst zu erzeugen. Diese Skepsis der Öffentlichkeit gegenüber der Wissenschaft ist sehr begrüßenswert. Ist es doch stets wichtig zu wissen, mit welchem Interesse eine Studie in Auftrag gegeben wurde (bei jeder Studie ist es üblich das gewünschte Ergebnis im Vorhinein zu benennen, und je unrealistischer das gewünschte Ergebnis, desto teurer wird die Studie).

 

So ist eine Skepsis gegenüber jeder Form von Wissenschaftlichkeit angebracht. Ist gerade die "Wissenschaft" mit ihrer Behauptung "Wissen" zu "schaffen" eine Form von Herrschaft. Was wissenschaftlich ist, gilt als objektive Tatsache, also als Wahrheit. Weißkittlige Wissenschaftler_innen haben also eine extreme Machtposition in dieser Gesellschaft, die der Stellung von Priester_innen in religiösen Gesellschaften gleichkommt. Die behauptete Objektivität aber gibt es nicht - kann es nicht geben.

Weil kein Mensch fähig dazu ist, sich außerhalb von bestehenden Interessensfelder zu stellen. Schon alleine durch die Vorprägung der Wissenschaftler_innen (zu allergrößtem Teil sind es WissenschaftlER mit 3 Ws als Hintergrund: Weiß, westlich, Wertsubjekte) sind ihre Forschungen immer subjektiv. Hinzu kommt, in dieser kapitalistisch geprägten Welt, dass stets daran geforscht wird, wofür es Gelder gibt. Und Gelder gibt es für die Dinge, wo wirtschaftliche Interessen dahinterstehen - die Forschung also keinesfalls ergebnisoffen stattfindet. Ein Beispiel: Die grüne Gentechnik ist derzeit ein ausgeprägtes Forschungsfeld der Wissenschaft. Aber über 99 Prozent aller Wissenschaftler_innen die an der grünen Gentechnik forschen tun das in Auftrag - und mit Geldern - von Firmen, die ein Interesse daran haben die grüne Gentechnik kommerziell zu vermarkten. Nur unter einem Prozent, der Wissenschaftler_innen forscht unabhängig, und hat somit überhaupt die Möglichkeit zu kritischen Ergebnissen zu kommen.

Wo diese generelle Wissenschaftskritik also eine nötige ist, ist es begrüßenswert, wenn die Medien sie nun einmal teilweise aufgreifen im Zuge der Gesundheitsstudie, und auf die dahinterstehenden Interessen verweisen. Noch begrüßenswerter wäre es allerdings, wenn die Öffentlichkeit diese Disziplin auch einmal ausüben würde, wenn die Wissenschaftlichkeit einmal nicht auf seiten der Sorge um die menschliche Gesundheit ist, sondern auf seiten der Profite, die eben mit der Zerstörung menschlicher Gesundheit gemacht werden. Wenn also RWE Studien durchführt, mit dem Ergebnis, dass die Wiederaufgeforsteten Gebiete auf der Sophienhöhe artenreicher seien, als der Hambacher Forst, oder wenn RWE Studien über Fracking in Auftrag gibt. Stattdessen sieht es in der Praxis (hier zum Beispiel beim Kölner Stadtanzeiger) so aus wenn "die Expertenansicht" sich mit wirtschaftlichen Interessen deckt: "Nach Expertenansicht sind daher vor allem Abgase aus dem Verkehr und von Wohnraumheizungen sowie andere Industrieprozesse zu berücksichtigen" wird der VGB PowerTech (die europäische Energieerzeugungslobby) unkommentiert zietiert.

Da eine Offenlegung der dahinterstehenden Interessen genau dann nicht passiert, wenn es um wirtschaftliche Interessen geht, müssen wir eine weitere Form der suggerierten Objektivität kritisieren: Auch die Medien versuchen die Mär einer objektiven Berichterstattung aufrecht zu erhalten. Als ob eine Berichterstattung auserhalb der Interessensfelder möglich wäre. Auch die ist aus den selben oben genannten Gründen nicht möglich. Auch jede_r Journalist_in ist erstens vorgeprägt und zweitens in eigenen Interessen, oder den Interessen des Verlagshauses unterwegs. Gerade wenn klar ist, dass RWE in der ganzen Region der größte Auftraggeber von Anzeigen ist, ist klar dass auch die Medien zum Beispiel oft nach den wirtschaftlichen Interessen dieses Konzerns schreiben.

Eine Wissensschaftskritik, die also in dem einen Fall (bei einer konzernkritischen Studie) geführt wird, im anderen Fall (bei Studien mit Konzerninteressen) unterbleibt, ist also eine, die die Herrschaftsform der suggerierten Objektivität nicht angreift, sondern stützt.

Zeige Kommentare: ausgeklappt | moderiert

Keine Wissenschaft behauptet objektive Erkenntnisse im Sinne allgemeingültiger Wahrheiten zu produzieren. Wissenschaft ist der Versuch sich an die Wahrheit anzunähern, auch wenn sie nicht erreichbar ist. Das ist exakt der Unterschied zur Religion: Jeder Wissenschaftler akzeptiert, dass morgen jemand daherkommen kann und all seine Ergebnisse falsifiziert. Umso besser die Wissenschaft, desto unwahrscheinlicher, dass dies passiert.

 

Es wäre schön, wenn all die Wissenschaftskritikerinnen und Wissenschaftskritiker klug würden. Zumindest so klug, dass sie den Gegenstand ihrer Kritik verstehen. Dann müsste man nicht mehr Abwertungen auf Grund von Geschlecht, Hautfarbe oder Herkunft ("WissenschaftlER", "Weiß", "westlich") in linken Internetforen lesen und ich müßte nicht solch grundlegende Kenntnisse vermitteln. 

Zwar ist es das formulierte Ziel der Wissenschaft sich an eine Wahrheit anzunähern, aber im Sinne "etwas wird solange als wahr behauptet bis es wiederlegt ist". Herrschaftstheoretisch ist es egal ob etwas als "zeitlose Wahrheit" oder als "zeitliche Wahrheit" daherkommt, wer die aktuelle "Wahrheit" produziert, die_der hat damit ein wesentliches Herrschaftselement auf der eigenen Seite.

Gerade wenn mensch sich anschaut, dass es "wissenschaftlich" möglich ist gegenteilige Dinge zu "beweisen" müsste mensch aus einer herrschaftskritischen Sicht immer dann sehr hellhörig werden, wenn jemensch von bewiesenen Tatsachen spricht. In der Regel soll damit nämlich eine Debatte beendet werden, und die eigenen Interessen durcgedrückt werden.

 

Schon dein ganzer Schreibstiel spricht von der Arroganz der "Erkenntnis" als alleinige Erkenntnis, eine Debatte ist also gar nicht möglich.

 

Warum du von "Abwertungen aufgrund von Geschlecht, Hautfarbe und Herkunft" redest kann ich nicht verstehen. Es geht um eine Benennung von Privilegien.

Herrschaftstheoretisch ist es egal ob etwas als "zeitlose Wahrheit" oder als "zeitliche Wahrheit" daherkommt, wer die aktuelle "Wahrheit" produziert, die_der hat damit ein wesentliches Herrschaftselement auf der eigenen Seite.

Und das ist eben nicht egal. Eine zeitlose Wahrheit ist unantastbar, man kann nicht gegen einen Kaiser aufbegehren, wenn seine Herrschaft der Wille Gottes ist. Es ist der große Verdienst der Aufklärung solch zeitlose Wahrheiten vom Thron gestoßen zu haben.

Dass "die Gedanken der herrschenden Klasse [...] in jeder Epoche herrschende Gedanken" sind, ist banal und es gibt wohl keinen linken Theoretiker, der nicht schon darauf gekommen ist.

Die Wissenschaftskritiker ziehen daraus den Umkehrschluss, dass im Grunde jede wissenschaftliche Erkenntnis nur das Produkt herrschender Interessen ist. Und das ist unbeschreiblich dumm. Was soll man zu jemandem sagen, der den Beweis eines mathematischen Satzes mit dem Hinweis auf die Hautfarbe seines Entdeckers abtut? In der gesamten Grundlagenforschung wird doch nicht aus Eigeninteresse heraus geschummelt. Sicher werden manche Bereiche mehr gefördert als andere, aber deshalb sind die Ergebnisse doch nicht falsch.

Wissenschaftskritik, die man ernst nehmen könnte, müsste dezidiert zeigen, wo und weshalb wissenschaftliche Erkenntnisse interessengeleitet sind. Wer dazu nicht in der Lage ist, sondern nur auf biologische Eigenschaften rekurrieren kann (die du mit Privilegien gleich setzt, was wieder ein Logikfehler erster Güte ist) oder pauschal die Theoretische Physik zusammen mit VWL in den großen Topf des manipulierten Wissens schmeißt, der sollte vielleicht besser schweigen. 

Manipulierte oder interessengeleitete Erkenntnisse sind vorallem in wenigen Bereichen zu finden: In Teilen der Biologie, Jura oder Sozialwissenschaften und in der gesamten BWL und VWL. Aber davon kann man auf die Wissenschaft als solche schließen.

 

Im Übrigen sind die "Wissenschaften", in denen Wissenschaftskritik mit Verweis auf Hautfarbe und Geschlecht betrieben wird, noch viel interessengeleiteter! Dort ist es nur nicht das Geld, sondern die Gutmenschen-Moral, aus denen sich ihre Erkenntnisse speisen.

An diesen Lehrstühlen, seien es Gender-, Ethnologie- oder Umweltschutz-Fachbereiche, wird die restliche Wissenschaft in Bausch und Bogen verdammt, aber selber generieren sie ausschließlich Erkenntnisse, die man nur dann überzeugend findet, wenn man langjähriger taz-Leser ist.

Eine solche Wissenschaftskritik braucht die Welt sicher nicht.

vermittel mal schnell weiter solche Grundlegenden Kenntnisse, von denen du ja eine Menge zu haben scheinst. Vielleicht machst du ja mal einen Workshop ("Wissenschaftlichkeit in drei Schritten selber lernen" z.B. )

 

Derweil kümmern sich linke Kritiker_Innen darum den Leuten beizubringen, dass es auch die "objektive" Wahrheit an die sich seine wissenschaftlichkeit anzunähern versucht nicht gibt sondern immer nur ein Idealbild davon, dass (rein zufällig natürlich) den Herrschenden Verhältnissen entspricht. So kann man sich prima ergänzen!

Und zwar den Unterschied zwischen dem wissenschaftsinternen Diskurs und der Art wie wissenschaftliche Ergebnisse dem Rest der gesellschaft kommuniziert werden. Was du da beschreibst gilt für den Diskurs unter Wissenschaftlern. Und ist für die im Artikel angebrachte Kritik gelinde gesagt - scheißegal.

 

Ich bin Biologe und beobachte das verdammt häufig. Unter (Natur)wissenschaftlern ist klar dass Ergebnisse unter bestimmten Bedingungen gültig sind unter Berücksichtigung einer bestimmten Fehlerwahrscheinlichkeit. (Vom die passende Standardabweichung zu meinen Ergebnissen suchen und schlechter Statistik fang ich hier gar nicht erst an)

 

Wenn aber wissenschaftliche Ergebnisse an die breite Öffentlichkeit kommuniziert werden, wie eben in solchen Studien ändert sich das aber ganz schnell. Das funktioniert dann nach dem Schema "XYZ ist die Wahrheit weil die Wissenschaftler das sagen, und die tragen Laborkittel und haben den Zugang zur Wahrheit." Wenn es um Biologie geht kommen meistens noch plattheiten über die "Natur des Menschen" und ein guter schuss Sozialdarwinismus dazu.

 

Dein erster Satz, "Keine Wissenschaft behauptet objektive Erkenntnisse im Sinne allgemeingültiger Wahrheiten zu produzieren." ist schlichtweg falsch.

Genau das muss jede Wissenschaft nach aussen hin behaupten die finanziert werden möchte. Keine Unterstützung der Herrschaftsmythologie dieser Gesellschaft - kein Klassenprivileg für die WissenschaftlerInnen.

 

Es wäre schön, wenn all die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler klug würden. Zumindest so klug, dass sie die mittelbaren Auswirkungen ihres Handelns sowie die Bedingungen ihrer wirtschaftlichen Existenz verstehen. Dann müsste ich mir von Fachidioten nicht mehr hahnebüchende Scheisse darüber anhören, wie die Grüne Gentechnik den Menschen hilft weil sie die Erträge steigert, und ich müßte nicht solch grundlegende Kenntnisse vermitteln.

 

 

Herzliche Grüße


Ein Angepisster Biologe der manchmal sehr Traurig ist wenn eigentlich Intelligente leute sich schlichtweg weigern über ihr Handeln zu reflektieren, weil das ihre Karriere gefährden könnte.

Erst mal: wissenschaftlich ist die Studie OK, aber das was da Greenpeace draus macht, ist unzulässig, dafür müßte sie besser aufgebaut sein! Deswegen aber von einer allgemeinen Angstkampangne gegen fossile Dreckschleudern zu sprechen, ist genau so fehl am Platz!

Wo sind die Probleme?

1. Die Studie legt die mittlere NO4 und SO2-Belastung, als Faktoren für die Entstehung von Feinstaub, in DE zu Grunde. Es gibt keine weitere Abstufung für die Basiswerte z.B. eine Unterscheidung zwischen Innenstadt/stark befahrene Straße, normales durchscnittliches Stadtgebiet und ländlicher Raum.

Dementsprwchend tötet an stark befahrenen Straßen/Autobahnen wohl eher der Dieselfeinstaub, als der nicht meist nicht mehr nennenswerte Anteil des Feinstaubs der nächsten fossilen Dreckschleuder.


Auf dem Land ist es dann sicher umgekehrt, da liegt die Feinstaubbelastung sicher oft unter dem Mittelwert und somit töten dann dort die Kohlefraftwerke als Feinstaubquelle tatsächlich.

Man muß sich aber nichts vor machen: das es nicht gerade gensund ist, neben Autobahnen, Industriegebieten, chemischen Fabriken, AKWs oder auch Kohlekraftwerken zu leben, ist ein durch Untersuchungen und Berichte bestätigter Fakt!

Es ist aber typisch für Lobbygruppen wie Greenpeace, das man solche Fakten unzulässig medial auszuschlachten versucht, obwohl eine differenzierte Betrachtung angebracht und auch glaubwürdiger wäre!