Thesen zur Liebe - Eine Reflexion.

Dieser Text stellt 8 vorläufige Thesen zum Thema "Liebe" in den Raum um so Diskussionen und Reflexionen darüber anzuregen.

Meiner Meinung nach wird auch in herrschaftskritischen Kreisen und Strukturen leider noch zu wenig über L(i)ebensweisen reflektiert, was schade ist, denn bekanntlich ist auch das Private politisch und so sollte die Kritik entsprechend weit gehen. (1)

 

1. Liebe ist ein Konstrukt.

Liebe ist nicht einfach da, sondern Produkt von gesellschaftlichen Diskursen, so haben sich die Vorstellungen davon was Liebe ist in der Geschichte immer wieder gewandelt.

 

2. Liebe ist immer eine Form von Reproduktion.

Das Subjekt ist im (strukturell-patriachalen) Kapitalismus immer wieder allerlei Schädigungen ausgesetzt, Erholung davon sucht es u.a. in Liebesbeziehungen (wie viele Leute Teil dieser Beziehungen sind und welches Geschlecht sie haben, ist bei diesem Aspekt von Liebe irrelevant), daher dient Liebe auch immer der Reproduktion und ist somit nichts per se subversives...

 

3. ...deshalb meint "Ich liebe dich" meistens (auch) "Ich brauche dich".

So steht hinter (vermeintlichen) Liebesbekundungen meistens mehr als "nur" die Aussage mensch würde einen anderen Menschen lieben.

 

4. Liebe erscheint meistens in Form der seriellen Monogamie (RZB).

Serielle Monogamie meint Monogamie mit immer wieder wechselnden Partner_innen und ist in der Regel heterosexuell. Kulturell wird dieses Bild immer wieder reproduziert (Bücher, Filme, Songs, etc.).

 

5. Liebe bedeutet nicht automatisch "Glück"...

...dass dem so wäre wird aber unterstellt/erwartet. Eine Suggestion dessen findet gesellschaftlich immer wieder statt, die daraus erfolgende Erwartungshaltung führt allzuoft zu Streitereien, Schmerzen und auch Übergriffen.

 

6. Zärtlichkeiten zwischen Menschen müssen durch "sich lieben" legitimiert werden.

Menschen die z.b. händchenhaltend auf der Straße gehen werden als "Paar" gelesen. Wenn Menschen Zärtlichkeiten austauschen (kuscheln, küssen, Sex haben, etc.) ohne einen Beziehungsstatus (auch außerhalb von Social-Networks) anzugeben wirkt dies komisch, von Bedeutung scheinen nicht die Gesten selbst zu sein, sondern die Beziehungsform: RZB, "Offene Beziehung", Techtel, One-Night-Stand, "Sex-Freundschaft", etc.

Doch nicht nur die "Außenwelt" verlangt dass, Menschen reproduzieren dieses Denken meistens selber, u.a. um durch einen Begriff von dem was gerade zwischen ihnen und (einem) anderen Menschen "abläuft", ein Gefühl von Sicherheit zu erlangen. Wenn Mika und Dani rumknutschen steht das Ereignis so da, sagt Mika aber zu Dani "Ich will mit dir zusammen sein.", suggeriert dies, rumknutschen (etc.) wird es noch öfters geben - ein Gefühl von Sicherheit ist entstanden.

 

7. Liebe sollte ihrem Ideal nach bedingungslos sein.

Liebe die nicht altruistisch ist, macht den anderen Menschen zu einem Erfüllungsgehilfen reiner Funktionalität. Mika will Sex, Dani erfüllt diese Funktion. (2)

Liebe müsste demnach bedeuten sich auch über das Glück, die Freude der geliebten Person zu freuen, polemisch auf den Punkt gebracht wird dies in dem Ausspruch: Eifersucht ist das Gegenteil von Liebe.

 

8. In dieser Gesellschaft ist der Normalzustand die Simulation von Liebe "wie sie sein sollte."...

...deshalb wird Liebe auch so überhöht, weil sie die Ausnahme darstellt.

 

Abschließen möchte ich einem wunderschönen Zitat von Theodor W. Adorno aus der "Minima Moralia - Reflexionen aus dem beschädigten Leben" und weiterführenden Links/Litertaurtipps. (3)

 

"Geliebt wirst du einzig, wo du schwach dich zeigen darfst, ohne Stärke zu provozieren."

 

 

Vielen Dank für eure Aufmerksamkeit!

 

Kuschelkatze,

April 2013.

 

 

(1) Um Missverständnisse vorzubeugen: Intention dieses Textes ist es weder "Polyamorie" als neue Norm zu setzen, noch Monogamie (Szenesprech: RZB, Romantische Zweierbeziehung) als per se böse, reaktionär, regressiv, whatever, abzustempeln.

 

(2) Manche Thesen sind bewusst scharf formuliert um Klarheit in eine Diskussion zu bringen, ob das sinnvoll ist wird sich zeigen.

 

(3)  http://liebe.arranca.de/

http://jungle-world.com/artikel/2007/35/20264.html

http://anti.blogsport.de/2009/09/28/notizen-zu-adornos-liebesbegriff/

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Ja, den Text der wunderbaren sinistra! kenne ich, hat mir viel gegeben, hab ich leider vergessen bei den links anzugeben.

Als Grundlage ist das schon sehr gut!

 

Und um dieses Nachdenken gleich mal etwas zu forcieren eine kleine Anmerkung zu Punkt 7:

7. Liebe sollte ihrem Ideal nach bedingungslos sein.

Liebe die nicht altruistisch ist, macht den anderen Menschen zu einem Erfüllungsgehilfen reiner Funktionalität. Mika will Sex, Dani erfüllt diese Funktion. (2)

Liebe müsste demnach bedeuten sich auch über das Glück, die Freude der geliebten Person zu freuen, polemisch auf den Punkt gebracht wird dies in dem Ausspruch: Eifersucht ist das Gegenteil von Liebe.

Warum es keinen "freien Willen" gibt?

--> man will immer ETWAS.

Warum es keinen "echten Altruismus" gibt?

--> man WILL immer etwas.

was mich an dieser ganzen Poly-Diskussion nervt:

 

- Poly-Typen, für die das ganze nur eine weitere Möglichkeit darstellt ihren Schwanz raushängen zu lassen, weil man ja "ganz unverkrampft" darüber reden kann mit wem man denn alles gerne sex haben würde oder schon hatte

 

- Die Vorstellung (und manchmal implizite Erwartung) auf einmal alle Menschen furchtbar gerne haben zu müssen. Tu ich nich. Will ich nich. Will ich vor allem nich müssen

 

- Die teilweise krass ausgeprägte Ich-Bezogenheit die sich in den zwischenmenschlichen Beziehungen teilweise daraus ergibt (Peron X kommt nicht damit klar, dass ich mehrere Partner_Innen habe? Nicht mein Problem! Ich bin Poly! oder auch gerne: deine These 7. Dass es dem angeblich doch so sehr geliebten Menschen dabei scheiße geht ist den ensprechenden Menschen dabei oft egal)

 

Als jemand, der sich in RZBs unwohl fühlt aber keine Lust auf Menschen hat, die nach einer politisch korrekten Rechtfertigung für ihr Mackerverhalten  oder ihre grenzenlose Ichbezogenheit suchen, oder aber in demonstrativ zur schau gestellter Menschenliebe alles und jeden Umarmen wollen, habe ich gelernt besser einen großen Bogen um alles zu machen, was sich Poly nennt.

liebe hat viel damit zu tun, was uns früher mal gefehlt hat. wir wollen, dass andere die traumata ungeschehen machen.

 

ich erwisch mich immer mal wieder dabei, wie ich anderen eine unlösbare aufgabe vorsetze.

Ein bisschen gebe ich dir da recht, andererseits frage ich mich inwieweit dass verallgemeinerbar ist...

Ich könnte nicht so einfach sagen, was besser oder schlechter ist.

 

Ja, es gibt Besitzdenken und eine selbstgerechte Selbstverständlichkeit in langfristigen monogamen Beziehungen, was dazu führen kann, dass diese "absterben" und nur noch aus Gewohnheit weitergeführt werden - aber natürlich gibt es auch eine Konsum- und Wegwerfmentalität, die keineswegs ein revolutionärer Gegenpol zu diesem Besitzdenken ist, sondern nur eine andere Form von Verdinglichung.

 

Beides gilt aber jeweils nicht für alle Menschen, die diese oder jene Beziehungsform gewählt haben.

 

Was eher für Monogamie spricht: Der Kapitalismus lässt Menschen, die sich noch das zweifelhafte Glück haben, sich durch Lohnarbeit zu ernähren, eigentlich kaum Zeit für zwei oder mehr Liebesbeziehungen, die den Namen verdienen - also menschlich nicht oberflächlich sind und eine gewisse Sicherheit im Sinne von "Dein Problem ist auch mein Problem" beinhalten.