Bundesweit war für den 17. Juni eine Bildungsstreik-Demo gegen Bildungsabbau und für eine freie und emanzipatorische Bildung in über 90 Städten angesetzt. Diesmal wollten SchülerInnen und Studierende zusammen für ihre Interessen demonstrieren.
Am Tübinger Europaplatz trafen sich ab 8.30 Uhr die SchülerInnen.
Anfangs noch wenige wurden es schnell mehr und bis zum Demo-Start war
die SchülerInnen-Menge auf schätzungsweise knapp tausend angestiegen,
davon etwa 4-500 auch aus Reutlingen, wo diesmal mehr geworben wurde
als zur letzten SchülerInnen-Demo.
Diese Tausendschaft setzten sich dann, angeführt von einem Wagen mit
Musik und DJ, in Bewegung und umrundete den Anlagensee-Park. Ein
cleverer Schachzug! Führte diese Demoroute doch an vier Schulen vorbei
und bot so den dortigen Klassenzimmer-Sklaven die Chance zum
Aufspringen auf den Demo-Zug. Über die Neckar-Brücke ging es dann zur
„Neuen Aula“, um dort die Studis zu treffen. Diese ließen aber auf sich
warten. Es war erstmal nur ein kleiner Haufen anwesend. Später wurden
es mehr, aber insgesamt war der Anteil der Studis beschämend gering.
Jedenfalls wurde vor der Neuen Aula ein längerer Halt gemacht und
Redebeiträge gehalten. Einer davon richtete seinen Blick auch über die
Grenzen auf die bedrohliche Lage für die Studierende und SchülerInnen
im Iran, mit denen sich solidarisiert wurde.
Auch eine Uni-Mitarbeiterin konnte zu Wort kommen. Das ist daher
besonders erwähnenswert, weil in Vergangenheit Studi-Aktivisten die
Lage der (einfachen) Uni-MitarbeiterInnen oft ignorierten bzw. diese
Gruppe schlicht vergaßen. Die Uni-Mitarbeiterin hielt keine große Rede,
sondern solidarisierte sich schlicht mit allen Forderungen von Studis
und SchülerInnen.
In den Redebeiträgen und den Demo-Aufrufen kamen teilweise recht
unterschiedliche Forderungen zum Vorschein. Die SchülerInnen, bzw. die
Schülerorganisation FSO, war in ihrer Kritik grundsätzlicher und
radikaler als die Studis, die eher nach mehr Geld verlangten.
DozentInnen, sowohl Schul- als auch HochschullehrerInnen, waren weit
und breit nicht zu sehen. Trotz der verordneten Unterwerfung im
Beamten-Angestelltenverhältnis hätte es sicher keine ernsthaften
Konsequenzen gehabt, hätten sich auch ein paar LehrerInnen auf die
Straße getraut.
11.30 Uhr wurde die große Demonstration auf dem Marktplatz regulär
beendet. Gegen Ende war die Masse der Demonstrierenden stark
angestiegen, was die Differenz bei der Teilnehmer-Zahl zwischen
Veranstalter-Schätzung (2.500) und Behörden-Schätzung (800-1.500)
erklären könnte, wenn Letztere früher ihre Schätzung vorgenommen haben.
Doch damit war noch längst nicht alles aus.
Bereits gegen 11 Uhr hatte eine kleinere Gruppe die Kreuzung am
Stadtgraben besetzt. Diese Gruppe blockierte mit ihrer Aktion effektiv
den Verkehr, der von der Polizei deswegen großräumig umgeleitet werden
musste. Mit der Zeit vergrößerte sich die Menge der
SpontanbesetzerInnen auf 150-200 Personen. Davon etwa 1/3 SchülerInnen.
Das ist daher zu betonen, weil die Medien diese Aktion oft als reine
Studierenden-Angelegenheit darstellten.
Später verlagerte sich diese Besetzung mit einer Spontan-Demo und einem Ziellauf zum Lustenauer Tor.
Von Seiten der Polizei und Ordnungsamt wurde mit Einsatzhundertschaften
gedroht. Dieses Bedrohungsszenario erwies sich als Schreckgespenst ohne
Inhalt. Riotcops wurden nirgendwo gesichtet. Lediglich ein Hubschrauber
schwebte zeitweise über der Blockade am Lustenauer Tor.
Nachdem das nicht funktioniert hatte, versuchte es die Obrigkeit
anders. Ein Scheinargument zur freiwilligen Selbsträumung der Blockade
waren mögliche Feuerwehr- und Krankenwagenfahrten, die durch die
Blockade behindert werden würden. Warum angenommen wurde, dass die
BlockiererInnen im konkreten Fall nicht Platz gemacht hätten, ist
unbekannt.
Wie oft in solchen Situationen, ließ es sich auch Boris Palmer nicht
nehmen noch aufzutauchen und den Mediator (Vermittler) zu spielen. Auch
Rektor Engler tauchte auf und stellte sich den BlockiererInnen zur
Diskussion.
Eine öffentliche Plenums-Diskussion fand 15 bis 16 Uhr statt. Gegen 16 Uhr wurde die Blockade aufgelöst.
Fazit: Seit langem mal wieder eine kraftvolle Demo und eine anschließende ungehorsame Aktion in Tübingen. So darf es jetzt gerne weitergehen!