Freitag der rebellischen syrischen Frau

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Nach Diskussionen unter syrischen AktivistInnen um die Benennung des heutigen Protest-Freitags, hat sich das Netzwerk der Lokalen Koordinationskomitees anlässlich des Internationalen Frauentags auf den Slogan "Freitag der rebellischen syrischen Frau" festgelegt. Wir dokumentieren hier ihr Statement dazu.

 

Nicht das erste Mal gab es Diskussionen und Streit um die Benennung dieses Freitags der Demonstrationen. Die Art und Weise, wie die Freitage benannt werden, hat in letzter Zeit zu schrecklichen Namen und Mottos geführt, die sich sogar widersprechen oder gegen die Grundsätze unserer Revolution der Würde verstoßen.

Wir von den Lokalen Koordinationskomitees (Local Cooridination Committees - LCC) haben manchmal ungünstige Namen akzeptiert, um die Einheit des Widerstands gegen die Assad-Diktatur zu bewahren. Doch wir glauben, dass es bei manchen Dingen zu wichtig ist, dass sie Beachtung finden und ein Freitag nach ihnen benannt wird. So haben wir beschlossen, Freitag, den 8. März, anlässlich des Weltfrauentags den Frauen zu widmen. Daher rufen wir dazu auf, die Protest an diesem Freitag unter das Motto "Der Freitag der rebellischen syrischen Frau" zu stellen.

Außerdem rufen wir alle revolutionären Kräfte dazu auf, auf die Verwendung von Namen des Freitags zu verzichten, die nicht mit unserer Revolution der Würde und ihren Prinzipien in Einklang zu bringen sind. Wir sehen die Notwendigkeit, Regeln für die Benennung der Freitage zu finden, um unnützen Streit unter den AktivistInnen zu vermeiden.

Lokale Koordinationskomitees

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Das Motto zum heutigen Tage ist natürlich zu begrüssen. Leider sind die Bedingungen für viele Frauen in den "befreiten Gebieten" alles andere als frei. Hiezu dieser Artikel.

 

Netzwerk für Frieden
Syrien: Frauen organisieren sich für einen Wandel ohne Gewalt. In »befreiten« Provinzen werden sie schon jetzt durch Islamisten unter Druck gesetzt
Von Karin Leukefeld

Als vor wenigen Tagen die oppositionelle Syrische Nationale Koalition (für die Kräfte von Opposition und Revolution) in Gaziantep (Türkei) Wahlen für einen Provinzrat in Aleppo (Syrien) abhielt, waren Frauen nicht dabei. Weder unter den – angeblich von den Einwohnern Aleppos bestimmten – Wahlleuten noch unter den Kandidaten gab es Frauen. Suhair al-Atassi, einzige Frau im Präsidium der Koalition, kritisierte, daß die Wahl ohne Frauen überhaupt abgehalten worden sei, obwohl diese von Anfang an eine wichtige Rolle bei der Revolution gespielt hätten.

Die Islamisten, die die Nationale Koalition dominieren, geben sich keine Mühe, Frauen oder gar Andersdenkende zu Wort kommen zu lassen. Die Syrische Muslimbruderschaft hat sich mit Gotteskriegern und Salafisten zu einer Syrischen Islamischen Front zusammengeschlossen, ihr Ziel ist ein Syrien, in dem das (islamische) Recht Gottes, die Scharia, gelten soll. In vielen inner-oppositionellen Debatten, in denen die verschiedenen Fraktionen versuchten, ein gemeinsames Vorgehen gegen die syrische Regierung zu finden, war für Frauen kein Platz. Dabei gehörte Syrien einst zu den Gründerstaaten der Vereinten Nationen und hat die grundlegenden Abkommen zum Schutz der Menschenrechte und der Kinderrechte und die Konvention gegen die Diskriminierung von Frauen unterzeichnet. Oppositionelle Frauen und Männer fordern, daß diese Vereinbarungen auch nach einem Regimewechsel in Syrien eingehalten werden müssen.

Doch in den »befreiten« Gebieten in den Provinzen von Idlib und Aleppo werden die Frauen bereits jetzt aufgefordert, ihr Haar zu bedecken und nicht mehr Auto zu fahren. Und ein Mitglied des geheimen oppositionellen Militärrates von Lattakia meinte kürzlich, wenn man erst an der Macht sei, werde man ihnen auch das Schwimmen verbieten. Die nichtreligiöse säkulare Bevölkerung der beiden Provinzen stimmt mit den Füßen ab. Die Menschen fliehen vor dem Krieg – und vor den islamischen Kampfgruppen. Einige ziehen in den Osten des Landes, die meisten aber kommen in die Küstenstädte Lattakia und Tartous oder nach Damaskus. Selbst Sweida, die Hauptstadt der syrischen Drusen, hat viele der Inlandsvertriebenen aufgenommen. Wer Geld hat, flieht in den Libanon, nach Zypern oder nach Ägypten. Von dort versuchen viele Familien, nach Kanada, Australien, Lateinamerika oder die USA auszuwandern.

Nicht so Nasreen Hassan aus Tartous. Der 31jährigen Arabischlehrerin fehlt das Geld, um Syrien zu verlassen. Sie will sich um ihre Mutter, die arbeitslosen Geschwister und um ihren kleinen Sohn kümmern, erzählt die Alleinerziehende bei einer Tasse Kaffee in Damaskus. Wegen der EU-Sanktionen konnte der Vater sein Geschäft nicht halten, er wurde krank und starb. Nasreen pendelt zwischen Tartous und der Hauptstadt, wo sie einen Teilzeitjob gefunden hat. So kann sie zum Lebensunterhalt der Familie beitragen.

»Frauen sind die Leidtragenden in diesem Krieg. Sie verlieren ihre Söhne, Ehemänner, Väter, Brüder«, sagt die schmale Frau mit leiser Stimme. Zunächst wirkt sie schüchtern, aber sie weiß genau, was sie will. Seit Jahren engagiert sie sich in der Organisation »Syrische Frauen für das Leben«, die benachteiligten Müttern und ihren Kindern eine neue Perspektive geben will. »Frauen tragen keine Waffen, sie wollen diesen Krieg nicht«, sagt Nasreen, die das Vorgehen der bewaffneten Opposition ebenso ablehnt wie das westlicher Staaten, die den Syrern Vorschriften machen wollen. Gewalt sowohl der Truppen des Assad-Regimes als auch der Opposition richte sich gegen vertriebene Frauen, sagt Nasreen und verweist auf eine Studie, die vom Internationalen Hilfskomitee (IRC) im März 2012 durchgeführt wurde. Zahllose alleinstehende Frauen fliehen demnach, um Entführung und Vergewaltigung zu entkommen. Aus Scham und Angst würden sie über das, was ihnen angetan wurde, nicht sprechen. Die wirtschaftliche Not treibe Familien außerdem dazu, Mädchen früh und oft gegen den eigenen Willen zu verheiraten. Der Krieg zerstöre die Gesellschaft.

Als die Lage sich im Laufe des vergangenen Jahres weiter verschlechterte, machte Nasreen sich auf die Suche nach Gleichgesinnten und traf auf das »Forum für Frauen und Demokratie«. Das wiederum initiierte die Kampagne »Frauen für Frieden in Syrien«, mit der es den politischen Wandel aktiv und gewaltfrei voranbringen will. Die Frauen haben ein landesweites Netzwerk geknüpft, um Verbündete zu gewinnen. Frauen müßten lernen, sich für ihre humanitären, politischen und sozioökonomischen Rechte zu organisieren und dafür zu kämpfen, ist Nasreen überzeugt. Diejenigen, die inzwischen in der Kampagne mitarbeiten, kommen aus »allen ethnischen und religiösen Gruppen und jeder Altersstufe. Sie kommen aus allen Teilen des Landes und aus verschiedenen gesellschaftlichen Schichten«, berichtet die junge Frau.

 Nasreen nennt Vorbilder für ihr Engagement, das sie schon als 16jährige Schülerin in die Armenviertel ihrer Heimatstadt Tartous führte: Nawal al-Saadawi, die Schriftstellerin und Frauenrechtlerin aus Ägypten – und den afroamerikanischen Bürgerrechtler Martin Luther King: »Ich habe einen Traum, hat er damals gesagt. Und ich habe einen Traum für Syrien: einen friedlichen Wandel, ohne Waffengewalt.« (Junge Welt) 

Berichte syrischer Frauen in Flüchtlingslagern auf der deutschen Internetseite der Hilfsorganisation Oxfam: www.oxfam.de