Nazigedenken in Karl-Marx-Stadt (zur Zeit Chemnitz) zerdeppert

Kein bisschen Friede
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Zum fünften Mal wollten Neonazis am 05.03.2013 in Chemnitz einen "Gedenkmarsch" anläßlich der Bombardierung der Stadt im zweiten Weltkrieg durchführen. Um die 1000 Blockierer aber auch eine Polizeitaktik, die die Nazis nicht um jeden Preis laufen lassen wollte verhinderten dieses Vorhaben. Nach den mittlerweile jährlich verhinderten Aufmärschen in Dresden stellt dies eine erneute, schwere Niederlage für die neonazistische "Gedenkkultur" dar.

 

Die Stadt und die lokalen Medien

 

In Chemnitz ist es seit jeher üblich mehr den Tätern als den Opfern zu gedenken. So fand auch in diesem Jahr eine offizielle Kranzniederlegung am Mahnmal für die Opfer der Bombardierung von Chemnitz, auf dem städtischen Friedhof, statt. Um die 400 Personen nahmen vormittags an der städtisch organisierten Täter-Opfer-Umkehr teil. Auf dem Chemnitzer Neumarkt sollen ab 16 Uhr laut der Chemnitzer Stadtverwaltung 2000 Menschen an einem antiextremistisch ausgerichteten Friedenstag teilgenommen haben.

 

Die Chemnitzer Lokalzeitung "Freie Presse" war auch in diesem Jahr williges Sprachrohr der Stadtverwaltung. In einem Special zum Friedenstag erschien unter anderem ein Artikel über das persönliche Schicksal von "zwei Chemnitzer Kriegskindern die zur Welt kamen, als die Stadt zum Trümmermeer wurde". Kritische Worte zum Gedenken an die Täter oder die Darstellung von Schicksalen, die unter der nationalsozialistischen Herrschaft leiden mussten, waren auch in diesem Jahr nicht zu finden.

 

Das offizielle Gedenken der Stadt verblieb somit im besten Fall Image- und Standortpflege, wenn es nicht sogar in eben jene Argumentationsmuster verfiel, derer sich auch die Nazis bedienen.

 

Die Nazis

 

Die Mobilisierung, Kommunikation und Durchführung des neonazistischen Aufmarsches war 2013 äußerst schwach. Eine Meldung auf dem Kurznachrichtendienst Twitter, eine auf der offiziellen Seite des Veranstalterkreises und ein Plakat stellten die Mobilisierung zum diesjährigen "Gedenkmarsch" dar. So fanden sich schließlich auch nur 250 Nazis am Chemnitzer Südbahnhof ein.

 

Der Aufmarsch verkam zum völligen Desaster. Die Polizei war nicht willens zwei Blockaden auf der Wegstrecke zu räumen, Verhandlungen der Anmelder über Ersatz- oder Ausweichrouten wurden ergebnislos abgebrochen. Den Nazis wurde eine Wegstrecke von etwa 400 Metern zugesagt von denen der Aufmarsch die Hälfte zurücklegte und dann, nach einer Kundgebung, von den Anmeldern aufgelöst wurde. Der rechte Mob kündigte kurz nach der Auflösung "dezentrale Aktionen an, die Polizei antwortete mit Platzverweisen für das gesamte Stadtgebit Chemnitz.

 

Die von mehreren Twitteraccounts angekündigte Berichterstattung fiel ebenso ins Wasser wie der Aufmarsch selbst. Die Meldungen stammten inhaltlich von linken Tickern, sofern diese nicht gleich übernommen oder retweetet wurden.

 

Der Gegenprotest

 

Wie bereits 2012 waren zwei Gegendemonstrationen angekündigt. Das Bündnis "Chemnitz Nazifrei" mobilisierte ab 16 Uhr zum Chemnitzer Hauptbahnhof, der Studentenrat der TU Chemnitz ab 17 Uhr zur Mensa in der Reichenhainer Straße.

 

Die Demonstration am Hauptbahnhof setzte sich mit etwa 1500 Menschen in Bewegung und zog auf direktem Weg zum Tietz. Dort fanden einige Redebeiträge statt und schließlich versuchten große Teile der Demo in Richtung der Naziroute zu gelangen. Nachdem es zunächst zu einem Pfeffersprayeinsatz der Polizei kam erreichten Verhandlungen mit selbiger ein Weiterkommen auf die Strecke des Naziaufmarsches, die erste Blockade des Tages stand am Bernsbachplatz.

 

Die Demonstration des StuRa konnte um die 600 Menschen mobilisieren. Sie erreichte über Umwege und das Durchbrechen einer Polizeikette ebenfalls die Naziroute auf Höhe der Turnstraße. Diese Blockade machte klar, dass die Nazis nicht einmal einen Bruchteil ihrer geplanten Strecke zurücklegen können.

 

Das Fazit

 

Ohne das Verhalten der Polizei wären beide Blockaden an diesem Tag nicht möglich gewesen. Hätte sie, wie in den Jahren zuvor, massive Gegenmaßnahmen gegen blockadewillige Personen angewendet, wären wohl beide Blockaden nicht zustande gekommen. Demnach ist der Tag nicht vollständig als Erfolg einer antifaschistischen Mobilisierung anzusehen.

 

Die extrem verärgerten Nazis konnten in mehreren Kleingruppen nach Beendigung des "Gedenkmarsches" das Gebiet um den Südbahnhof unbehelligt verlassen. Zudem wurde eine junge Frau nach einem Übergriff mit Kopfverletzungen in ein Chemnitzer Krankenhaus eingeliefert.

 

Trotzdem bedeutet der Tag eine krasse Niederlage für die Nazis und ihre "Gedenkkultur". Nach und nach verschwinden für die Szene wichtige Aufmärsche sang- und klanglos von der Bildfläche. Wunsiedel, Halbe und Dresden sind hier nur einige Beispiele. 2013 war es in Chemnitz zum ersten Mal möglich den "Trauermarsch" der Nazis effizient zu blockieren und somit faktisch zu verhindern. Es bleibt zu hoffen, dass auch in Chemnitz von einer radikalen Linken der Naziaufmarsch und das städtische Gedenken thematisiert wird!

 

Sonstiges

 

Pressemitteilung der angry birds

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Wisst ihr ob es tatsächlich 250 Nazis waren? Als die Faschos dann zum Südbahnhof zurückgebracht worden, hätte ich sie auf vielleicht 100 Leute geschätzt.