Heidenheim: Zum laufenden Prozess um die tödliche Messerstecherei in der Bergstraße

OB Bernhard Illg auf Trauermarsch

Seit Dienstag dem 19.2. läuft das Verfahren gegen einen 22jährigen Geislinger als Haupttäter einer Auseinandersetzung im September 2012 Heidenheim, in deren Verlauf der 22jährige Stefan E. durch Messerstiche tödlich verletzt wurde. Über den genauen Ablauf der Tat gehen die Aussagen von Beschuldigten und Zeugen weit auseinander. Laut eines Berichts der HZ nehmen beide Seiten für sich Anspruch, durch ihr Gegenüber Drohungen und rassistischen Pöbeleien ausgesetzt worden zu sein. Von wem die ersten Aggressionen ausgingen, die in in dem tödlichen Waffeneinsatz eskalierten, ist bis jetzt ungeklärt.

 

Schon Tage nach der Tat kam es auf regionalen Neonazi-Seiten zu den erwarteten Versuchen der Instrumentalisierung des Vorfalls. So veröffentlichten Faschisten des "Infoportal Schwaben" sowie der "AN Göppingen" auf ihren Homepages Hetzartikel, in denen mit den üblichen Parolen gegen "Ausländergewalt" Stimmung gemacht und im gleichen Atemzug die Gefährlichkeit rechter Gewalt verharmlost wurde. Dass diese Parolen gerade aus dem Umfeld rechter Gruppierungen stammen, die für mehrere Mordanschläge in Göppingen sowie dem Rems-Murr-Kreis verantwortlich sind sowie Kontakte zu Rechtsterroristen pflegen (zu nennen wäre hier vorallem der verhinderte Bombenleger Thomas Baumann, sowie die Brandstifter von Winterbach), ist bezeichnend und bedarf keines weiteren Kommentars.

Es lässt sich hier ebenfalls eine Parallele zu den Ereignissen im Jahre 2005 in Heidenheim ziehen, wo ebenfalls eine tödliche Auseinandersetzung in der Innenstadt zu zwei Neonazi-Aufmärschen führte, die zugleich das erstmalige Aufttreten seitens "Autonomer Nationalisten" im Südwesten der Republik darstellten. Antifaschistische  Gegenaktivitäten führten damals zur Verhinderung des ersten sowie zur massiven Störung des zweiten Aufmarsches. Eine dritte Konfrontation von Faschisten aus dem Umfeld des "Freien Widerstand-Süd" mit Heidenheimer Antifas im Rahmen eines Fachtages gegen Rechts im September 2005 sollte schließlich das Ende öffentlicher Aktionen von Neonazis in Heidenheim markieren. Die im Kreis Heidenheim ansässigen rechten Kader hielten sich infolge lokal eher bedeckt und verlagerten ihre Aktivitäten auf den Großraum Ulm.

Ein offenes Zurschaustellen rechter Symbolik, sowie Übergriffe auf alternative Jugendliche und Migranten blieben in den Folgejahren eher marginal. Dies änderte sich mit dem Entstehen einer Ultra-Szene in Heidenheim, in deren Reihen sich auch Rechtsradikale aus dem Heidenheimer Umland bewegen. Insbesondere die Gruppierung "Hellenstein Ultras", der auch der Getötete Stefan E. angehörte, fiel hierbei durch eine Reihe entsprechender Vorfälle auf. So rotteten sich im Juni 2012 ca. 15 Anhänger der Gruppe, unter ihnen Stefan E., vor dem Cafe Swing in der Heidenheimer Innenstadt zusammen, um gezielt einen Antifaschisten zu überfallen, den sie irrtümlich im Inneren vermuteten. Bereits wenige Wochen zuvor hatte E. im Gefolge mehrerer Gesinnungsgenossen zwei linksalternative Personen in einer Kneipe in der Heidenheimer Innenstadt angepöbelt und aufgefordert, "doch mal mit vor die Tür zu kommen". Als die besagten Personen nicht auf die Provokationen eingingen, zogen die rechten Fußballfans weiter. Am selben Abend kam es vor einer anderen Kneipe zur Schlägerei zwischen dem rechten Klientel und einer Gruppe alternativer Jugendlicher.

Der Übergriff vor dem Cafe Swing, sowie weitere Vorfälle, führten mittlerweile zu einem Hausverbot für die Anhänger der HSU in mehreren Kneipen der Heidenheimer Innenstadt. Ebenso wird auch die Distanzierung und Ausgrenzung der Nazis in der Heidenheimer Fußball-Szene durch einen Teil der Ultra-Gruppen inzwischen verstärkt vorangetrieben.

Vor dem Hintergrund vergangener rechter Aktivitäten in Heidenheim, der versuchten Instrumentalisierung der Bluttat auf rechten Internet-Seiten, sowie der polit. Vorbelastung des Opfers und seiner Umfeldes, erschien auch eine antifaschistische Beobachtung des Trauermarsches sinnvoll, der im Dezember 2012 in Heidenheim stattfand. Die befürchtete Teilnahme organisierter Neonazis aus dem Umland blieb hierbei glücklicherweise aus. Der Trauermarsch, an dessen Spitze auch Heidenheims Oberbürgermeister Berhard Illg Seite an Seite mit rechten Ultras aus dem Umfeld der HSU marschierte, wurde hierbei von jenem Kevin Barth angemeldet, dessen antisemitische Äußerungen als Kreisvorsitzender der Heidenheimer Piraten 2012 zu bundesweiter Medienaufmerksamkeit und letztlich seinem Rücktritt führten.

Ein weiterer Skandal wurde den Heidenheimer Piraten beschert, als deren Direktkandidat Marco Geupert im Oktober 2012 seine Kandidatur zurückzog. Begründet wurde dieser Schritt mit rassistischen Parolen von Anhängern des Ortsverbandes, die nach der Bluttat in der Bergstraße gefallen seien und für die Geupert "nicht mehr den Kopf hinhalten wolle". Die betroffenen Personen gehörten hierbei, ebenso wie Barth, zum Umfeld Stefan E.'s.

Es ist festzuhalten, dass sich abseits organisierter rechter Strukturen im Heidenheimer Fußball vielmehr eine Gemengelage aus rechts-subkulturellem Lifestyle und rechtsoffener Kumpanei herausgebildet hat, die für Teile der  Ultra- und Hooligan-Bewegung in Deutschland leider mittlerweile kennzeichnend ist. Positiv zu bewerten ist hierbei das zunehmende Bewusstsein und offene Vorgehen gegen das rechte Klientel der FCH-Anhängerschaft durch einen Teil der Ultra-Szene, der die (vermeintliche) Trennung von Politik und Fußball eben nicht mit der Toleranz von Nationalismus und Rassismus gleichsetzt. Dieser erfreulichen Entwicklung gehört unsere Sympathie und volle Unterstützung.

Nichtsdestotrotz erscheint uns eine Wortmeldung zum laufenden Prozess und seiner Rezeption in rechten Medien notwendig. Wir wollen und können den Hintergrund der Bluttat in der Bergstraße nicht bewerten, sprechen uns aber mit unserer Stellungnahme gegen jede lokale Legendenbildung aus. Einer Wahrnehmung des Vorfalls als "hinterhältiger Mord einer Ausländerbande an einem unbescholtenen deutschen Jungen", wie sie von rechten Hetzern propagiert wird, gilt es die genannten Fakten und Vorgeschichten entgegen zuhalten, auch um jeder Selbstdarstellung der "Hellenstein Ultras" und ihres Umfeldes als "harmlosem, unpolitischem Freundeskreis" entgegenzuwirken.

Hintergrundartikel:
https://linksunten.indymedia.org/de/node/62683
https://linksunten.indymedia.org/de/node/53455
http://www.swp.de/heidenheim/lokales/heidenheim/Toedliche-Messerstiche-a...
http://www.swp.de/geislingen/lokales/geislingen/Prozess-wird-zum-Puzzle;...
http://www.swp.de/heidenheim/lokales/heidenheim/Piraten-Kandidat-fuer-di...

 

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Nicht zu vergessen ist in diesem Zusammenhang auch der Dreifachmord eines Neonazis im Jahr 2003 in Heidenheim. Dieser lässt jedes Trauern von Neonazis in Heidenheim (obwohl es das sowieso schon immer ist) extrem zynisch aussehen.

Das sind ja tolle Ultras mit dem CDU-Bürgermeister durch die Stadt laufen - Sehr extrem (ultra) :-)

 

Die Ultras Hellenstein haben Freundschaft zu den Compadres Ahlen und waren wohl bei diesen Vorfällen auch involviert:

http://www.die-glocke.de/lokalnachrichten/kreiswarendorf/ahlen/Ultras-liefern-sich-wilde-Schlaegerei-5d82c7a3-900e-4c19-8313-277dffdf492e-ds

 

Ja und die Ahlener waren auch an diesem Vorfall beteiligt.

http://www.wn.de/Muensterland/Kreis-Warendorf/Ahlen/2009/04/Ahlen-ANA-Gruppe-contra-RW-Fans

Die Hellenstein Ultras haben kaum Kontakt zur Ahlener Ultras Szene...

Ahlener betreiben seit cirka 2 Jahren ne beschränkte Freundschaft zu Mitgliedern der Fanatico Boys

Zu Compadres kann ich nur sagen, das es eine eher Unwichtige Gruppe in Ahlen ist... Tribuna Unida hat da wohl das sagen bei denen im Block G...