Über den Mord in Biel

Vom Freitag auf Samstag vor einer Woche, starb in Biel (CH) der 17-jährige Moritz beim Versuch, einer Polizeikontrolle zu entkommen. Verfolgt durch zwei Polizisten, wurde er von einem Zug überfahren und verlor dabei sein Leben.

Es ist überflüssig zu erwähnen, wie eklig sich die “öffentliche Meinung” darüber auslässt.
Mit Aussagen wie: “der Junge hatte alles andere als eine saubere Weste” oder Hinweisen auf das angeblich gestohlene Holz, das er mit sich führte, wird versucht, den Tod des Jungen herunter zu spielen, dem Handeln der Polizei eine Legitimität zu verleihen. “Wahrscheinlich waren es ja sogar er und seine Gang, die mir den Müllkübel und im Dorf die Sitzbänke kaputt getreten haben”, “Hätte der Junge sich anständig verhalten und nichts zu verstecken gehabt, wäre so etwas nicht passiert”...

Aussagen einer toten Welt, deren Kriterien auf schuldig oder unschuldig basieren, kriminell oder angepasst, faul oder tüchtig, Papierloser oder Bürger, Frau oder Mann. Einer Welt und deren Menschen, die zum grossen Teil verlernt haben zu fühlen, zu träumen, zu leben ausserhalb einer aufgesetzten Identität, verliehen durch Arbeit, Religion, Nationalität, Status und Lifestyle. Alles Bezeichnungen um Menschen in Kategorien zu pressen, lauter Auswege, um es sich erlauben zu können, mit Vorurteilen um sich zu werfen, vage zu bleiben und dabei selbstgerecht über Menschenleben zu richten, als seien sie austauschbar.


Lasst uns hier und jetzt einmal klar werden:
Bei diesem “Vorfall” handelt es sich nicht um ein tragisches Versehen sondern um Mord.
Ein Mord begangen durch Polizisten. Menschen, die sich dazu entschieden haben, sich in den Dienst des Staates und seiner Maschinerie zu stellen und nicht davor zurückschrecken, andere Menschen täglich zu verfolgen, zu terrorisieren, foltern und töten. Lasst uns deutlich darüber sein, dass der Vorwand, “man tue ja nur seinen Job”, “man führe einzig Befehle aus” keine Ausrede darstellen kann und einzig bedeutet, dass der Mensch seine Individualität aufgegeben hat, um dem demokratischen Dasein als Werkzeug zu dienen, die Macht und die Dominanz über andere zu erhalten und zu verfestigen:
Jene Dominanz, die schon in der Familie beginnt, dort wo bereits den Kleinsten die Flügel gestutzt werden, um sich den Regeln anzupassen, die einzig denjenigen dienen, die sich die Macht über unsere Leben aneignen wollen.
In der Schule wo Kinder auf die Arbeit und das Konkurrenzdenken vorbereitet werden, auf das Streben nach dem Glück, das beinhaltet, sich selbst auf dem Weg dazu aufzugeben oder zu verkaufen. Am Arbeitsplatz, an dem es gilt, angepasst zu sein, seiner Rolle als Untertan oder Ausbeuter zu entsprechen. Immer auf der Lauer, immer dazu bereit, die Leiter der Macht ein bisschen höher zu erklimmen, einmal vielleicht selbst das Sagen über andere zu haben, eine grössere Verantwortungsposition in dieser Gesellschaft zu erlangen, ohne dabei die Verantwortung als Mensch wirklich tragen zu müssen. Alles zu vernetzt, zu verwoben, zu bürokratisch um sich selbst noch als handelndes und Entscheidungen fällendes Wesen wahrzunehmen.

Es ist an der Zeit deutlich zu werden und die Spinnweben der demokratischen Lügen und Undeutlichkeiten herunterzureissen.
Der Mord an Moritz ist einer von vielen Morden, die tagtäglich durch den Staat, die Mächtigen und ihre Handlanger begangen werden. Sei es in den Ausschaffungsknästen, wo jemand tot in seiner Zelle aufgefunden wird, ein Arbeiter, der unter einem stürzenden Betonblock begraben wird oder ein Bettler, der im Winter auf der Bank erfriert.

Es gibt unzählige Beispiele davon, lasst uns diese und die Menschen, die sich dahinter verbergen nicht vergessen, genauso wenig wie diejenigen, die die Verantwortung dafür tragen.
Die Polizisten, Richter, Wärter, Pfarrer, Bossen, Politiker, Sozialarbeiter und alle anderen, die sich unserer aller Freiheit in den Weg stellen, um ihr Bestehen und jenes dieser Welt zu sichern.

Denn sie sind auch für das langsame Töten zuständig, das zu einem Überleben reduzierte Dasein, die zu Gewohnheiten gewordenen Übergriffe auf unsere Leben, wie die Jagd auf Migranten, das Einsperren in Gefängnisssen und Heimen, das Verbreiten von Elend und das Dahinsiechen in Städten, umgeben von trüben Betonblöcken und Autoschlangen, das Alleinsein, isoliert sein, da die Macht ein Verbünden zwischen Menschen verhindern will, die nicht auf einen Sportsverein, einen Schiessclub oder Kirchenchor hinauslaufen, sondern aus der Idee der Freiheit wachsen und dem Bedürfnis, dafür zu kämpfen.

Lasst uns mit all unserer Wut, all unserer Liebe und Klarheit gegen diese Welt der Ausbeutung, der Unterdrückung und gestohlenen Träumen vorgehen. Und während dem Sich-Erheben, die eigene Kraft dazu kennen lernen. Um die einem zugewiesenen Zuschauerplätze, weit hinter sich zu lassen. Gegen das Vergessen. Damit wir endlich leben können.