Adopt a Revolution und die Friedensbewegung - Debattenaufruf

Adopt a Revolution

Nahezu täglich - und bis vor einigen Wochen noch in deutlich höherer Frequenz – werden wir mit schrecklichen Nachrichten aus Syrien konfrontiert: Zehntausende wurden mittlerweile getötet und in vielen Fällen bleibt es nicht bei solch relativ abstrakten Zahlen, sondern sind Videos in den Nachrichten ausgestrahlt worden und im Internet zu finden, die Leichenberge, tote Kinder oder die Hinrichtungen selbst zeigen. Man hört die Gefesselten um Gnade bitten, einen Schuss und sieht dann nur noch leblose Körper, man sieht einen Köper zucken, während ein Kind mehrmals mit einem Schwert auf den Hals des Gefangenen einschlägt, um ihn zu köpfen.

Ein Gefühl der Wut und der Hilflosigkeit ensteht, mensch fühlt sich genötigt, etwas zu tun und zu intervenieren. Das Gefühl begleitet viel von uns seit über einem Jahr.

 

Wie üblich in solchen Situationen, in denen nicht nur massenhaft schwerste Menschenrechtsverletzungen stattfindet, in denen eine Gesellschaft in Krieg und Barberei abgleitet UND die Medien hierüber alltäglich und ausführlich berichten, wird von einigen eine militärische Intervention gefordert „um dem Blutvergießen ein Ende zu bereiten“. Die Forderung nach einer militärischen Intervention ist insofern attraktiv, als sie das Gefühl der Hilflosigkeit zu überwinden verspricht, mensch muss ihr nur zustimmen, sie vielleicht noch auf die eine oder andere Weise öffentlich machen und schon scheint mensch seiner Verantwortung Genüge getan zu haben. Ein Nebeneffekt besteht darin, dass die Bilder von Gräultaten in dem Moment deutlich reduziert werden, in dem der NATO-Einsatz beginnt, denn diese überschüttet die Öffentlichkeit mit ihren professionell produzierten Bildern einer sauberen Kriegführung. In Wahrheit aber wurde damit die Verantwortung nur abgegeben an einen mächtigen politisch-militärischen Apparat, der sich der Situation annimmt, dabei aber letztlich eigene Interessen verfolgt oder sich von diesen zumindest nicht frei machen kann und der eine Situation per Gewalt entscheidet, wo die Grundlage für eine Lösung nicht gegeben ist. Doch die Folgen des militärischen Eingreifens werden uns kaum noch ungefragt vor Augen geführt (was hören wir noch vom Kosovo, von Somalia und von Libyen und von wem?) und wo wir sie gezielt suchen, da können wir sie darauf zurückführen, dass falsch eingegriffen wurde, nicht, dass die Forderung nach einer militärischen Intervention falsch war.

 

Die Aktionen der Friedensbewegung und anderer Linke hingegen zielen meist primär darauf ab, ein solches militärisches Eingreifen zu verhindern, gegen entsprechende Forderungen zu argumentieren und der Dämonisierung und Entmenschlichung des „Gegners“ und „Aggressors“ entgegenzuwirken. Viele schießen dabei deutlich über das Ziel hinaus, bedienen sich vergleichbarer Mittel der Desinformation, wie diejenigen, die eine Intervention befürworten, und machen sich damit unglaubwürdig. Die Versuche, Angebote zu machen, wie die Hilflosigkeit der Betrachtenden überwunden und der Konflikt zu lösen sei, wirken oft hilflos. Es ist von Vermittlung und Verhandlungen die Rede und prinzipiell soll dabei allen Akteuren ein legitimes Interesse zuerkannt werden. Abgesehen von der grundsätzlichen Schwierigkeit, Konflikte wie in Syrien zu lösen, erscheint eine solche Verhandlungslösung unter Einbeziehung aller Akteure im Angesichts der vorherrschenden Dämonisierung einer und Heroisierung anderer Parteien unattraktiv und auch moralisch fragwürdig. Die Geheimdienste des Assad-Regimes hatten auf ganz überwiegend zivile und legitime Proteste früh mit der Inhaftierung und Verschleppung Zehntausender, mit der Folterung Tausender und der Ermordung Hunderter reagiert, soviel steht außer Frage, und die Forderung, dass Assad gehen müsste, gebot sich unter diesen Umständen wahrlich von selbst. Je länger sich der Konflikt allerdings entfaltete, desto offensichtlicher wurde, dass zumindest seine sog. „Anhänger_innen“ und „Unterstützer_innen“ - ganz unabhängig davon, ob sie tatsächlich bis heute in der Mehrheit sind, das je waren oder nicht - durchaus ein legitimes Interesse in diesem Konflikt hatten, nämlich nicht marginalisiert, unterdrückt, geplündert und massakriert zu werden. Weitere Handlungsangebote, die traditionell von dieser Seite gemacht werden, bestehen neben Forderungen und Bemühungen um einen Waffenstillstand und sicheren Gebieten in Forderungen nach einer Aufnahme und verstärkten Hilfe der Flüchtenden sowie der Organisierung eigener humanitärer Maßnahmen. Dass letzteres von der Friedensbewegung in letzter Zeit vernachlässigt wurde, mag dieser durchaus vorzuwerfen sein, hat sicherlich jedoch auch damit zu tun, dass solche Hilfe zunehmend selbst in die Kriegführung integriert wird und es dadurch immer schwieriger wird, sich unparteiisch oder nur auf Seiten der Kriegsopfer zu positionieren – es ist zumindest deutlich anspruchsvoller und voraussetzungsvoller, als ein Kommentar bei Facebook.

 

In dieser Situation hat sich im Syrien-Konflikt, wie es schien – eine dritte Möglichkeit aufgetan, eine kleine Gruppe von Aktivist_innen ein drittes Angebot unterbreitet, nämlich die Revolution zu „adoptieren“ und Revolutionspatenschaften durch Spenden an lokale Koordinationskomitees des Aufstands gegen Assad zu übernehmen. Sowohl die anfängliche Begeisterung für, als auch das Misstrauen von Teilen der Friedensbewegung gegen diese Kampagne sind nachvollziehbar. Die Kampagne bot an, die Hilflosigkeit zu überwinden, ohne eine militärische Intervention zu fordern und hat hierzu einfache Möglichkeiten angeboten, die „gute Seite“ zu unterstützen. Sie hat bestehende ideologische Auseinandersetzungen in der Frage von Krieg und Frieden überbrückt und Massen erreicht. Das freilich hatte seinen Preis: Vorgegangen wurde nach den Prinzipien des Marketings, der Konflikt wurde unterkomplex dargestellt, es wurden eine einfache, realisierbare Lösung in Aussicht gestellt und niedrigschwellige Angebote unterbreitet, wie man sich an dieser Lösung beteiligen könne. Die Nachricht war simpel: „Das Volk will das Regime stürzen“, wenn das Regime gestürzt ist, wird das Volk in Demokratie und Selbstbestimmung leben. Während Darstellungen, wonach „das Volk“ hinter Assad stehe, scharf angegriffen wurde, erfuhr diese ebenso unwahre und vereinheitlichende Aussage erstaunlich wenig Kritik. Erste prominentere Kritik an der Kampagne äußerte hingegen die Informationsstelle Militarisierung (neben der paternalistischen Namensgebung) v.a. dahingehend, dass aus dem Beirat der Kampagne offen und in unmittelbaren Zusammenhang mit dieser eine militärische Intervention gefordert wurde und diese mit ihrer einseitigen Darstellung des Konfliktes die Voraussetzung einer solchen schaffe. Das war im Frühjahr 2011, als eine Intervention sehr konkret diskutiert wurde, die „Freunde Syriens“ sich konstituierten und Waffenlieferungen an die Rebellen aufnahmen und die Bundesregierung und ihre Verbündeten Sanktionen erließen, die diplomatischen Beziehungen zum Assad-Regime weitgehend kappten, offen dessen Ende forderten und Unterstützung hierbei in Aussicht stellten. Diese Schritte wurden von Adopt a Revolution mehr oder weniger offen begrüßt, obgleich sie angesichts einer Situation, in der eben doch Teile der Bevölkerung hinter der Regierung (oder zumindest in Opposition zu den Rebellen) standen, eine militärische Eskalation unausweichlich machten. Zu dieser Zeit leugneten Vertreter_innen der Kampagne auch noch geopolitische Interessen der Nachbarstaaten und Großmächte (mit Ausnahme Russlands) und sahen all diese Maßnahmen, welche die Weichen in Richtung Krieg stellten, als humanitär begründet, ja sogar: geboten. Die FSA war nach ihrer Darstellung von Deserteuren gegründet worden, um zivile Demonstrationen zu schützen, hatte den bedingungslosen Rückhalt der Bevölkerung und galt ihnen als „eine der drei Säulen des Widerstandes“.

 

Seit dem ist viel geschehen. Viele Berichte aus der frühen Phase des Konfliktes entpuppten sich als Propaganda, den Mythos, dass die FSA vorwiegend aus Deserteuren bestand, entlarvte die Bundesregierung selbst gemeinsam mit der Bekanntgabe, dass sich darunter djihadistische Kämpfer aus aller Welt befänden. Öffentlich wurde zudem, dass die FSA von den Geheimdiensten zahlreicher NATO-Staaten und insbesondere von der Türkei unterstützt wird und selbst Adopt kam nicht mehr umhin, auch diesen eigene Interessen hinter ihrer Einmischung in den syrischen Konflikt zu attestieren. Insgesamt zeigte sich die Kampagne sehr flexibel: Auf Kritik hin distanzierte sie sich von Forderungen nach militärischer Intervention – obgleich diese weiterhin von Mitgliedern an verschiedenen Stellen erhoben wurde, während sie denjenigen Teilen der Friedensbewegung, die diese entschieden ablehnten, verbohrten Antiimperialismus vorwarfen und die Fraktion DIE LINKE dafür diffamierten, dass sie eine Anfrage an die Regierung stellte, die klar zwischen gewaltsamen und gewaltlosen Widerstand in Syrien unterschied. Auch ihre Sympathie für die Freie Syrische Armee bringt sie bis heute offen zum Ausdruck, bejubelte, wenn diese den Krieg in Städte trug („befreite“), die zuvor vom Assad-Regime kontrolliert und von den kriegerischen Auseinandersetzungen weitgehend verschont geblieben waren. Sie räumte lediglich ein, dass sich Islamisten dieser angeschlossen hätten, die allerdings eine eigene Agenda verfolgen und veröffentlichte Appelle an die FSA, Zivilistinnen zu schonen. Die Verantwortung für die Eskalation und die „religiöse Hetze“ rechnet sie bis heute alleine dem Regime bzw. Assad selbst zu.

 

Zum Tag der Menschenrechte veröffentlichte die Kampagne nun gemeinsam mit der angesehenen linken Hilfsorganisation medico international den Aufruf „Freiheit braucht Beistand“, der von zahlreichen Prominenten und Linken unterzeichnet wurde. Im Wesentlichen wird auch hier eine Geschichte des Konfliktes nacherzählt, wonach die alleinige Schuld an der Eskalation das Assad-Regime trägt und somit dessen bedingungsloser Rücktritt die einzige Lösung sei. Während in Deutschland die Entsendung von Patriot-Raketen und Bundeswehrsoldaten an die türkisch-syrische Grenze unter dem Schlagwort „Bündnissolidarität“ debattiert wurde (die oft als „Beistandsverpflichtung“ bezeichnet wird) verlor der Aufruf hierzu kein Wort, jedoch heisst es zutreffend, „jede Waffenlieferung – ob aus Russland, den USA, dem Iran, Europa, der Türkei oder den Golfstaaten“ werde „die ohnehin bestehende humanitäre Katastrophe verschlimmern“ und berge die „Gefahr einer Regionalisierung des Krieges“. Außerdem werde „jede andere Form der offenen militärischen Intervention", "die politischen Kräfte an den Rand drängen und die Opposition in Syrien weiter spalten.“ Da aber ein Sieg der „militärischen Gegengewalt nicht absehbar“ sei, sei „die fragmentierte politische Opposition im Exil aufgefordert, ihren Beitrag zu einem unabhängigen und pluralistischen Syrien zu leisten“. Dieser Beitrag besteht in der Logik des Aufrufes im Sturz Assads (entsprechend begrüßte die Kampagne auch die Anerkennung der „Syrischen Nationalen Koalition“ durch die „Freunde Syriens“ als „legitimer Vertreter des Syrischen Volks“). Zugleich wird diese Lösung als vielversprechend dargestellt, da eine „neue Generation Syriens, … Tag für Tag den Boden für ein zukünftiges demokratisches, multi-ethnisches und multi-religiöses Land bereitet.“ Diese gelte es nun mit einer Spende für die Kampagne zu unterstützen.

 

Mittlerweile hat Konstantin Wecker, der zu den Erstunterzeichner_innen gehörte, seine Unterschrift unter den Aufruf zurückgezogen, da Ferhad Ahma, ebenfalls Erstunterzeichner und Beirat der Kampagne, in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang „effiziente und bessere Waffen“ für die Rebellen gefordert hatte. „Im Lichte dieses Zitats wird dann leider auch der Appell interpretiert werden und dessen Beklagen der 'anhaltenden Selbstblockade im UN-Sicherheitsrat' - einer Blockade des Bombardements Syriens, das ich keinesfalls unterstütze. Dieser Aufruf darf nicht zum Einfallstor werden zu einer militärischen Option.“ Mohssen Massarrat schrieb kurz darauf, dass bereits beim Lesen des Aufrufs dieser ihm „merkwürdig vorkam“ und „starke Bedenken “ ausgelöst hätte, die er „einem kleinen Freundeskreis aus der Friedensbewegung “ mitgeteilt habe. Hans-Peter Dürr etwa habe sich daraufhin gefragt, wie sein Name überhaupt auf die Liste der Erstunterzeichner_innen gekommen sei. Mohssen Massarrat begründet ausführlich „Warum ich den Syrien-Aufruf von medico international und adopt a revolution 'Freiheit braucht Beistand' nicht unterschreiben kann“. In seiner Begründung verweist er auf die einseitige Darstellung des Konfliktes, die „einen regime change suggestiv als alternativlos erscheinen“ ließe und auf die völlige Verleugnung aller Kompromisse. Von einer solchen „Alternative würde gerade die unbewaffnete syrische Opposition am meisten profitieren können, für die sich der Aufruf stark macht“. „Damit wird der scheinbar positive Ansatz des Aufrufs, der unbewaffneten Opposition eine Stimme geben zu wollen, unglaubwürdig“. Ein entscheidender Punkt in seiner Argumentation jedoch besteht darin, dass „jegliche konkrete Forderung, wie der Konflikt ohne Krieg beendet werden kann, was ja eigentlich ein zentrales Anliegen eines friedenspolitischen Aufrufes sein müsste, fehlt “ Das ist zwar nicht ganz zutreffend, trifft aber dennoch den Punkt. Denn der Aufruf fordert explizit zweierlei: zu spenden und dafür zu sorgen, dass „Syrien nicht  aus dem Blickpunkt der Öffentlichkeit verschwindet“.

 

Die Frage, was dieser Aufruf eigentlich will, hätte andere der teilweise verdienstvollen Unterzeichner_innen stutzig machen sollen. Es bieten sich mehrere Antworten an: Vielleicht will der Aufruf einfach nur – kurz vor Weihnachten und Steuererklärungen – um Spenden werben. Das ist nicht per se legitim, insbesondere, wenn mit diesem Spendenaufruf eine Stimmung verbreitet wird, die sowohl dazu beiträgt, eine zukünftig offene militärische Intervention wahrscheinlicher zu machen, als auch die gegenwärtige verdeckte Intervention zu legitimieren. Gewarnt wird schließlich nur vor den Folgen „jeder Form der offenen militärischen Intervention“, „Abwarten und Zuschauen“ drohe aber „zu ähnlich verheerenden Resultaten zu führen“ wie selbst offene Interventionen.

 

Die Forderung, die Medienaufmerksamkeit für Syrien aufrecht zu erhalten, zielt letztlich in die selbe Richtung, denn damit wird eben dieses Gefühl der Hilflosigkeit generiert, das sowohl die Spendenbereitschaft als auch die Zustimmung zu einer Intervention erhöhen kann. Der Versuch, diese Aufmerksamkeit auf die vermeintlich zivilen Teile der Opposition zu lenken, die mit der FSA und der Exilregierung kooperiert und vermeintlich mitten im Bürgerkrieg „den Boden für ein zukünftiges demokratisches, multi-ethnisches und multi-religiöses Land bereitet“, wirkt unglaubwürdig und würde eine differenziertere und kritischere Betrachtung dieser Bestrebungen voraussetzen.

 

Es bleiben deshalb Spekulationen über unlautere Motive. In gewisser Weise wird in diesem Aufruf durchaus der verdeckten Kriegführung das Wort geredet. Die Forderungen an „die fragmentierte politische Opposition im Exil“ und die westlichen Regierungen bleiben unkonkret, die einseitigen Schuldzuweisungen für die Opfer im angesichts einer immer offeneren terroristischen Kriegführung der „militärischen Gegengewalt“ kann als Zustimmung zu dieser gewertet werden. Es steht außer Frage, dass westliche und andere Geheimdienste mit militanten Gruppen zusammenarbeiten, diese ausbilden und mit Informationen versorgen und deshalb nicht unwahrscheinlich, dass auch so mancher Anschlag auf Regierungsgebäuder oder beispielsweise derjenige auf den syrischen Sicherheitsrat mit deren Hilfe erfolgte. Viele, auch Linke, gehen davon aus und eine offizielle Verurteilung dieser Anschläge blieb bislang demonstrativ aus. Die Duldung terroristsicher Mittel und die Unterstützung entsprechender Gruppen durch westliche Regierungen UND ihrer Bevölkerungen bis hinein in die außerparlamentarische Opposition stellt wahrlich einen Dammbruch dar und setzt ein hohes Maß an propagandistischer Einrahmung voraus. Auch wenn diese nicht Ziel der Adopt a Revolution-Kampagne sein mag, so leistet sie doch genau diesen Dienst. Nebenbei noch trägt sie mit ihrer Diffamierung „antiimperialistischer“ Positionen in der Friedensbewegung und ihrer gezielten Integration anderer Teile der Friedensbewegungen zu deren Spaltung bei. Angesichts der Anti-Linken Hetze, die sich v.a. bei Facebook im Umfeld der Kampagne offenbarte, ist auch das als Motiv nicht auszuschließen.

 

Keinesfalls auszuschließen ist jedoch auch, dass sich hier eine kleine Gruppe erfahrener und talentierter Kampagnenarbeiter_innen mit einem diffus linken Weltbild und besten Absichten zusammengefunden haben, um fortschrittliche Kräfte in Syrien zu unterstützen, dabei unwillentlich zu einer militischären Eskalation beigetragen haben und sich das nun nicht eingestehen wollen. Gegen diese Annahme spricht auf den ersten Blick das hohe Maß an Unehrlichkeit, dass die Kampagne von Anfang an gekennzeichnet hat: Ihre Beteiligung am Day After Projekt der Bundesregierung wurde nicht öffentlich gemacht, zu Finanzierung, Organisation, Verwicklungen mit dem Auswärtigen Amt, dem BMZ und PR-Agenturen wurden bei Veranstaltungen widersprüchliche Angaben gemacht, die Zusammenarbeit und Abgrenzung mit der FSA und dem Syrischen Nationalrat nie eindeutig dargestellt, unklar ist auch bis heute, in welchem Verhältnis die für die Öffentlichkeitsarbeit in Deutschland geleisteten Gelder zu den tatsächlich nach Syrien überwiesenen Summen stehen (letztere jedenfalls nehmen sich im Vergleich zur Anfangsfinanzierung durch Organisationen der Friedensbewegung und kostenträchtige Anzeigenkampagnen recht gering aus). Auch wurde das eigene Handeln nie öffentlich kritisch reflektiert oder korrigiert – auf formulierte Kritik wurde eine flexible Anpassung der Rhetorik bei gleichbleibender Grundausrichtung vorgenommen. All dies jedoch spricht nicht gegen eine gutgemeinte, wenn auch blauäugige Kampagne, die auf ein klares Ziel – den Sturz Assads – ausgerichtet war und in ihrer politischen Unbestimmtheit zum Sammelbecken und zur Projektionsfläche unterschiedlicher Interessen wurde, dann aber die nötige Selbstkritik hat missen lassen. Professionelle Kampagnenarbeit kann bei Unverständnis der politischen Dynamiken eben leicht nach Hinten losgehen... (siehe Kony 2012).

 

Andere Fragen jedoch stellen sich hinsichtlich der bis heute anhaltenden Unterstützung der Kampagne durch medico international. Dieser Organisation ist weder Blauäugigkeit noch Unvrständnis gegenüber internationalen politischen Dynamiken zuzutrauen. Während sich die anderen unterstützenden Organisationen mittlerweile eher stillschweigend verabschiedet haben, war medico auch am jüngsten Aufruf beteiligt. In ihrem zeitgleich erscheinenden „Rundbrief“ redete sie jedoch gleich der nächsten Intervention das Wort – mit einer Vergleichbaren Diffamierung „antiimperialistsicher“ Positionen. Ihren Referenten bei einer Veranstaltung zu Mali am 25.10.2012 im Club Voltaire in Franfurt zitiert sie so: „Für Dicko steht unumstößlich fest, dass nicht nur die religiöse Freizügigkeit Malis, sondern auch seine politische Unabhängigkeit auf dem Spiel steht. Deshalb, und damit beginne das malische Dilemma, 'braucht unser Militär Hilfe von außen' – afrikanische Truppen und zur Not europäische Unterstützung. Nicht wenige im Publikum reagierten irritiert und wiesen auf die Gefahren 'imperialer Einmischungen' hin. Ob er das Schicksal von Patrice Lumumba vergessen habe? 'Lumumbas Ermordung liegt 50 Jahre zurück', entgegnete Dicko, 'und wir Afrikaner haben mittlerweile besser verstanden, wie der Westen funktioniert'.“

 

Wenn also auch die Kampagne Adopt a Revolution in Zukunft bedeutungslos werden und ohnehin absehbar auf beschränkt bleiben wird, werden uns die Probleme, die sie mit sich brachte oder zumindest aufgedeckt hat, weiter begleiten. Deshalb ist eine Diskussion dessen, was passiert ist, (wenn die Kampagne schon selbst keine kritische Reflexion betreibt) nötig und hoffentlich fruchtbar. Denn Defizite bestehen offensichtlich, nicht nur bei professioneller Kampagnenarbeit, als auch in der Friedensbewegung – und womöglich auch in der Gesellschaft insgesamt, die gerne helfen, aber sich dann doch nicht zu genau damit auseinandersetzen möchte.

 

https://www.adoptrevolution.org/aufruf/

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Diese Diskussion verstehe ich nicht. O.k. aus Sicht der deutschen Friedensbewegung wird jede Form von bewaffneter Konflikt abgelehnt. So weit ja auch richtig. Anderseits sollten einem emanzipatorische Bestrebungen in anderen Teilen der Welt nicht egal sein. Und dazu zählt der Kampf um Freiheit und Brot in Syrien. Ich denke, dass diese Leute ein Recht auf Selbstverteidigung haben. Und dass viele dieser Leute nach so vielen Monaten sich mit Waffen verteidigen wollten, finde ich verständlich. Den Leuten dies von hier abzusprechen finde ich nicht O.k.. Daher würde ich ohne es zu wissen auch eher annehmen, dass diese deutsche Diskussion um pazifistischen versus militanten Widerstand in Syrien eine geringere Rolle spielt. (In Deutschland hieß es mal bei einigen Aktionen "ob friedlich oder militant, wichtig ist der Widerstand", wobei das hier natürlich ein anderes Level war.) Und das sollte man vielleicht auch bedenken, wenn man von in Deutschland lebenden Syriern die Forderungen nach Bewaffnung von Aufständigen vorschnell verurteilt. Dass aber adopt a revolution nur den friedlichen Widerstand unterstützt, ist doch sehr richtig, schließlich ist es besser, diesen Teil zu stärken. Kommunikationsmittel sind wahrscheinlich auch effektiver als Waffen. Aber vom friedlichen Widerstand eine Distanzierung vom militanten Widerstand zu erwarten, wird nicht funktionieren. Wichtig ist doch, dass sich in Syrien emanzipatorische Ideen durchsetzen können und eine Zivilgesellschaft ohne Assad entstehen kann und dass das Töten möglichst schnell aufhört. Dass das Leben in einem Post-Assad-Syrien auch für Minderheiten freier wird. Ob der Widerstand in Syrien auch militärische Unterstützung (z.B. Flugverbotszone) von Außen braucht, soll er doch selbst entscheiden, wie es dem am besten passt. Ihm wird es wohl kaum darum gehen, sich einer anderen Diktatur zu unterwerfen. Wenn die Aufständigen das nicht wollen, dann sollte man dagegen sein. Aber warum sollte man vorher Nein schreien? Und jetzt sieht es bald so aus, dass die Aufständigen keine militärische Unterstützung von Außen mehr wollen. Der Fall Libyen scheint da ein relativ positives Beispiel zu sein. Ohne NATO-Intervention wären die Aufständigen nicht erfolgreich gewesen. Vieles scheint dort zwar chaotisch aber immer noch relativ geordnet zu sein und der direkte Einfluss von USA und EU relativ gering. (siehe http://www.freie-radios.net/52729 ab min 47:00) Deswegen muss ich doch NATO und Bundeswehr nicht toll finden und kann deswegen trotzdem gegen Zapfenstreiche protestieren. Aber wie geschrieben, in Syrien entwickelt es sich anders. (ich bin nicht von adopt a revolution und habe hier nicht deren Meinung wiedergegeben)

ENI To Invest $ 8 Billion In Libya

http://www.northafricapost.com/1840-eni-to-invest-8-billion-in-libya.html

 

Libya seeks to boost naval ties with France

http://www.libyaherald.com/2012/12/16/libya-seeks-to-boost-naval-ties-wi...

 

EU plans border security help for Libya

http://news.yahoo.com/eu-plans-border-security-help-libya-214046130.html

 

Libya closes borders, declares martial law in south

http://www.bbc.co.uk/news/world-africa-20751650

 

Ich find den Artikel aber auch nicht prikelnd. Viel Text um ums offensichtliche Herumzureden: Querfront der Interventionisten halt...

gemeint ist, die entsprechenden Firmen oder Staaten können ihre Interessen nicht mit Hilfe einer Besatzungsarmee durchsetzen, sondern sie müssen Verträge abschließen, die auch von der libyschen Gegenseite unterschrieben werden müssen, deren Regierung sich nun im Gegensatz zu früher auch mehr nach den Interessen seiner Bürger richten muss, weil es sonst Proteste oder Abwahl geben könnte. Vergleichen muss man hier, dass es solche Abkommen auch schon mit Gaddafi gab. Ja diese ganze Flüchtlingsabwehr ist Scheiße, aber das macht das vorherige Regime auch nicht besser. Aber darum geht es hier im Artikel nicht, also zurück zur Revolution in Syrien....