"The Day After", die Stiftung Wissenschaft und Politik und der syrische Aufstand

"The Day After", die Stiftung Wissenschaft und Politik und der syrische Aufstand

Verschiedene Medien und auch wir haben in den letzten Wochen über das Projekt der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) "The Day After" , gefördert und initiiert von BRD und US Regierungsstellen, berichtet. Hier manifestiert sich die Strategie des Westens, den Aufstand in Nordafrika und Nahost zu einer Modernisierung der dortigen Herrschaftsverhältnisse zu nutzen, ohne dabei an Einfluss zu verlieren. Angepasst an die jeweilige spezifische Situation im Land werden neue Eliten hofiert, neue Machtbündnisse moderiert und arrangiert.

 

In Ägypten gelang es der US Administration eine funktionierende Machtbalance zwischen Militär und den Moslembrüder zu schmieden, auf der Strecke blieben die radikaleren Salafisten, die "Gruppen der revolutionären Jugendbewegung" und die sozialen Anliegen des ägyptischen Aufstandes. Einer der ersten Beschlüsse des (mittlerweile aufgelösten) von den Moslembrüder kontrollierten Parlaments richtete sich gegen die grassierenden Streiks und sozialen Kämpfe.

Im Yemen konnte unter Einbeziehung von Saudi Arabien Saleh dazu gebracht werden, offiziell zurückzutreten.
Auch wenn im Hintergrund immer noch Machtkämpfe toben und der Salehclan und seine Verbündeten mit gezielten Provokation wie militärischen Operationen, die von mit ihnen allierten Offizieren der Eliteeinheiten ausgeführt werden, versuchen, ihren Anteil an der Macht zu erhalten, konnte die Massenbewegung von den Strassen und Plätzen vertrieben werden.

In Hinblick auf den Aufstand in Syrien gestaltete sich die Situation für den Westen schwierig.

Das syrische Regime hatte sich schon vor längerer Zeit von den Resten eines staatskapitalistischen Überbaus verabschiedet (was erhalten blieb, war eine totalitäre Geheimdienststruktur), entgegen der staatlichen "antizionistischen" Propaganda war Syrien Israel ein "vertrauter Feind", die neoliberale Umgestaltung Syriens war abgeschlossen.
Assad II war noch kurz, bevor das Feuer der Revolte Syrien erreichte, u.a. vom US Aussenministerium als vielversprechender "Reformer" abgefeiert worden.
Westliche Analysten prophezeiten ein baldiges Ende des Proteste, zu sicher sitze das Regime im Sattel, zu allgegenwärtig seien die Geheimdienste, zu unglaubwürdig die "Figuren" der Opposition. Entsprechend wurde auch in den westlichen Massenmedien (und übrigens auch in der westlichen Linken) der syrische Aufstand anfänglich nur wenig wahrgenommen.

Die Beharrlichkeit des Aufbegehrens in Syriens, getragen von Basisstrukturen vorort (u.a. die Lokalen Koordinierungskomitees) machten dann jedoch eine Neuorientierung der Politik des Westens, der arabischen Staaten und der Türkei notwendig.

Entgegen der (gerade auch in der westlichen Linken) kolportierten Anschauungen ging es dabei jedoch nie um eine militärische Intervention. Drohgebärden gegenüber dem syrischen Regime sollten im Verbund mit sogenannten Friedensmissionen (erst der arabischen Liga, später der UN) und wirtschaftlichen Sanktionen einen Regimechange unter Einbeziehung (von Teilen) der alten syrischen Elite zustandebringen.
Die Bestialität des syrischen Regimes und die damit einhergehende Militarisierung des Konfliktes lassen allerdings diese Option zunehmend unwahrscheinlicher erscheinen.

Exkurs:
Niemand weiß zuverlässig, in welchem Umfang westliche Staaten, die Regierungen des Golfkooperationsrates sowie andere Interessierte bestimmte Fraktionen des bewaffneten Widerstandes wirklich unterstützen. Die Freie Syrische Armee (FSA) besitzt bis heute keine einheitliche Befehlsstruktur, ihr offizieller Oberkommandierende in der Türkei dürfte nur sehr begrenzt Einfluss haben. Vielerorts haben sich lokale Widerstandsstrukturen im Zuge der Zupitzung der Situation bewaffnet, beschränken sich jedoch weitgehend darauf, zu versuchen, in ihrem Gebiet die Armee daran zu hindern, repressiv gegen die Bevölkerung vorzugehen.
Bisher ist es kaum zu Abschüssen von Flugzeugen und Hubschraubern durch die Aufständischen gekommen (auch wenn in den westlichen Medien immer wieder die immer gleichen Bilder einiger Abschüsse zu sehen sind), überall sind veraltete sowjetische Waffen bei den Aufständischen Kämpfern zu sehen, ähnliches berichten auch Reporter vorort.

Deshalb ist davon auszugehen, dass die Ausstattung mit modernen Waffen durch den Westen und die Golfstaaten bewusst klein gehalten wird. Das zynische Kalkül dürfte sein, dass so zwar der Blutzoll höher ausfällt, dies aber am Ausgang der Auseinandersetzung nichts ändert und man gleichzeitig sicher geht, dass die gelieferten Waffen nicht in die "falschen Hände" geraten.
Ebenso völlig im Dunkeln bleibt der reale Einfluss islamistischer Gruppierungen.
Das diese zunehmend in Syrien aktiv sind, ist unbestritten, alle Angaben über ihre zahlenmäßige Stärke und ihre gesellschaftliche Verankerung sind jedoch absolut unpräzise.

Während also mittlerweile Hunderttausende auf der Flucht sind, tagtäglich Wohnviertel aus der Luft bombardiert und mit schwerer Artillerie beschossen werden, Regierungstruppen-und Milizen Massaker an Zivilisten begehen, wird im Hintergrund die Zeit nach Assad II vorbereitet.
Seit Monaten trafen sich syrische Oppositionelle in Berlin, wobei bis heute geheim ist, wer denn diese "45 Repräsentanten von Moslembrüder bis Kommunisten" eigentlich sind. Zwar ist der syrische Geheimdienst auch in der BRD tätig, überwacht und drangsaliert auch hier Kritiker des syrischen Regimes, dies dürfte jedoch nicht der einzige Grund dafür sein, dass die Namen der Teilnehmer der Treffen nicht bekannt werden.

Die syrische EXILopposition gilt als hoffnungslos zerstritten, ohne massive Unterstützung durch den Westen dürfte sie nicht in der Lage sein, einen Masterplan für den Transformationsprozess in Syrien zu gestalten. Ihre Wichtigtuer hatten angesichts des nahenden Endes des Assad Regimes auch nichts besseres zu tun, als konkurierende Veranstaltungen zur Bildung einer Übergansgsregierung abzuhalten. Wahrscheinlich dürfte es dabei in erster Linie um die Verteidigung der Posten gegangen sein.
Die Lokalen Koordierungskomitees haben sich schon vor Wochen klar zu diesen Machtambitionen der Exiloposition positioniert.

Um dem Chaos im Syrischen Nationalkongress (SNC), dessen Treffen regelmäßig im heftigen Streit, Schlägereien und religiösen/ethnischen Spaltungen enden, eine machbare Perspektive auf "regimechange" im westlichen Sinne entgegen setzen zu können, wurde u.a. auch das Projekt "The Day After" initiiert.

In 2011 startet am SWP das Projekt "Elitenwandel und neue soziale Mobilisierung in der arabischen Welt" .

Gefördert mit Mitteln des Auswärtigen Amt und der Robert Bosch Stiftung und in Kooperation mit dem Studienwerk der Heinrich Böll Stiftung soll die Aussen- und Wirtschaftspolitik der BRD als Reaktion auf den Aufstand in Nordafrika und Nahost neu justiert werden. Die SWP hatte, wie die meisten westlichen think tanks, in seiner Einschätzung zur Situation in der Region reichlich daneben gelegen. Der Coup von "The Day After" geht jedoch weit über die bisherigen Aufgaben eines think tanks hinaus.
Unter Mitwirkung von US Regierungsstellen und Instituten wurde im Zusammenwirken mit jenen unbekannten "45 Repräsentanten der Opposition" ein Strategiepapier für den Transformationsprozeß in Syrien erstellt.

Ob das Ergebnis, ein siebenseitiger Text, der heute lediglich in englisch (als pdf) veröffentlicht und bei einer groß beworbenden Veranstaltung heute Nachmittag stolz präsentiert wird, entscheidend dazu beitragen kann, eine Perspektive im Sinne des Westens zu verwirklichen, muss fraglich bleiben.

Die Absicht aber bleibt offensichtlich:
Es geht um eine strategische Neuorientierung, um den Magreb und die Region, die der Westen Nahost nennt, unter Kontrolle zu behalten.


(Noch örtlich) begrenzte neue soziale Aufstände in Tunesien und Algerien, anstehende Strukturanpassungen unter IWF Bedingungen bei anhaltenden Streikbewegungen in Ägypten, Kämpfe um gesellschaftliche Teilhabe und gegen die Arroganz der Macht in Marokko, Bahrain, ...., die Migrationsprozesse nach Europa, bei zunehmender Instabilität aufgrund zwischenstaatlicher Widersprüche, bzw. der Ausstrahlwirkung innerstaatlicher Konflikte (Iran, Yemen, Libanon) drohen sich aus westlicher Sicht zu einem nur noch schwierig zu handelnen Szenario auszuweiten.

 
Mit der Konstituierung "neuer" Regime in Ägypten, Tunesien, Libyen ist nur Zeit gewonnen, der erste Wellenkamm bewältigt.

Wir haben schon mehrmals betont, das die Metropolenlinke mit ihren alten Begrifflichkeiten und überkommenden Analysen der realen Entwicklung meilenweit hinherhinkt. In der weltweiten Suchbewegung nach einem neuem gesellschaftlichen Aufbruch ist die Entwicklung in Nordafrika und Nahost vielleicht derzeit der strategisch wichtigste Abschnitt.
Das weitgehende Desinteresse und die Unfähigkeit, sich jenseits von identitärer Zuschreibung und veralterten  "Frontdenken" solidarisch auf die dortigen Prozesse zu beziehen, ist ein moralisches und politisches Armutszeugnis.

 

Unsere Gegner werden es uns danken.

recherchegruppe aufstand

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danke

1. Ferhad Ahma, SNC und Beirat "Adopt a Revolution" (siehe  World Wide Web, Google)

....

Zur "Recherchegruppe Aufstand" ein paar Fragen und Anmerkungen

https://linksunten.indymedia.org/en/comment/view/53822

 

"Das weitgehende Desinteresse und die Unfähigkeit, sich jenseits von identitärer Zuschreibung und veralterten  "Frontdenken" solidarisch auf die dortigen Prozesse zu beziehen, ist ein moralisches und politisches Armutszeugnis."

 

Sagt doch, was ihr meint: Ihr seht den westlichen Imperialismus als Bündnispartner im angeblichen Kampf für Freiheit und Demokratie.

Das soll das alte Frontdenken ersetzen, oder?

Und weil der westliche Imperialismus noch leicht unentschlossen ist, springen Saudi-Arabien, Katar und die Türkei gerne eine, um der Demokratie in Syrien zum Erfolg zu verhelfen.

Klar, bei diesen Unterstützern darf die Linke natürlich nicht fehlen.

(leider wieder nur linke Presse, wer sollte auch sonst drüber schreiben?)

Syrien, made in Germany

 

Die »Stiftung Wissenschaft und Politik« plant ein neues Syrien für »den Tag danach« – nach Assads Sturz

 

Von Sebastian Carlens

 

Am Ludwigkirchplatz in Berlin-Wilmersdorf, hinter der säulenbewehrten, altpreußischen Fassade des Hauses 3–4, trafen sich seit Januar syrische Oppositionelle, um über die Situation nach dem geplanten Sturz der Regierung Assad zu beraten. »The day after«, »der Tag danach«, heißt ihr Projekt, das am Dienstag in Berlin vorgestellt wurde. Der Tagungsort war kein Zufall, denn hier hat die »Stiftung Wissenschaft und Politik« (SWP) ihre Zentrale, die das – nun nicht mehr – geheime Projekt unter Einbeziehung des »United States Institute of Peace« (USIP) organisiert und finanziert hat; Gelder, Visa und Logistik kamen nach Angaben der Zeit vom deutschen Außenministerium und vom US State Departement. Eine offene Beteiligung der deutschen Regierung gab es nicht, »damit die Teilnehmer nicht als Marionetten des Westens denunziert werden können«, so das Blatt. Ganz so einfach ist das alles natürlich nicht, denn die SWP, der größte »Think-tank« Europas, wird maßgeblich vom Bundeskanzleramt finanziert. Diese »Nicht-Regierungs-Organisation« ist also keine, auch wenn sie sich gerne so geriert.

Der SWP gelang es, hochkarätige Vertreter beinahe aller Widerstandsströmungen Syriens zu versammeln – vom desertieren General über den Muslimbruder, vom amerikanischen Professor mit syrischen Wurzeln bis zum Manager, der die syrische Wirtschaft »erneuern« will. Wenn es nach deutschem Willen geht, werden sie im Syrien nach Assad einmal das Ruder übernehmen. Nein, das SWP wolle keine Regierung auswählen, beteuerte Volker Perthes, Direktor des Think-tanks. Die beteiligten Oppositionellen hätten »sich selbst rekrutiert« – und wohl auch alleine ihren Weg zum Berliner Ludwigskirchplatz gefunden, wo ihnen die Stiftung gnädige Aufnahme gewährte. Ziel des Projekts sei es, »der Opposition die Chance zu geben, unbeobachtet und ohne Druck eine Diskurscommunity zu schaffen«. Der verquast-postmoderne Soziologenslang gibt dem Unterfangen einen harmlosen Anstrich – eine Art großes Guggenheim-Lab für Weltverbesserung. Ähnlich schwammig und nichtssagend wie die Ergebnisse des »urbanen Planungsbüros« sind die Forderungen der Exil-Syrer: Eine »Vision« für die Zeit nach Assad wollen sie vermitteln; die »Gleichheit aller Bürger«, »menschliche Entwicklung« und ein »klares demokratisches Bekenntnis«.

Zunächst, da sind sich die künftigen syrischen Minister und Präsidenten in Wartestellung einig, müsse der Assad-Regierung das Gewaltmonopol entrissen werden. Die »Freie Syrische Armee« brauche »ein bißchen mehr als nur Worte«, meint Dr. Amr al-Azm, assoziierter Professor der Geschichte aus Ohio, der sich im »day after«-Projekt mit »wirtschaftlicher Rekonstruktion« befaßt hat. Deutlicher muß er hier gar nicht werden, allen ist klar: Der Mann verlangt deutsche Waffen. Auch die Bundeswehr-Spionageschiffe, die vor der syrischen Küste kreuzen und ihre Erkenntnisse mit anderen westlichen Diensten teilen, seien kein Problem: »Wir begrüßen fachliche Unterstützung«. Die versammelte Presselandschaft nickt und schreibt mit. Ein wenig Sorgen bereiten den Journalisten nur die Islamisten. Ob die Muslimbrüder denn die Scharia wieder einführen wollten, wenn sie mit ans Ruder kämen, möchte ein Pressevertreter wissen. »Da müssen Sie sie schon selber fragen«, kommt es vom Podium. Kein Problem: »Da vorne sitzt Mulham al-Drobi.« Er ist Mitglied des Exekutivkommitees der syrischen Muslimbruderschaft. Im übrigen, so schlimm sei die Scharia doch gar nicht, sie würde manchmal »zu sehr vereinfacht, als archaisch strafend« dargestellt, meint Afra Jalabi, in Kanada lebende Schriftstellerin. Die junge Frau mit den blondierten Haaren lächelt freundlich: »Sie ist Teil unseres Erbes, welches Gerechtigkeit herstellt«.

Die französische Forderung nach einer Exilregierung, die man postwendend anerkennen würde, teilen die deutschen Syrer hier nicht. Offenkundig gelingt es Deutschland und Frankreich nicht, eine einheitliche Syrien-Strategie zu finden. Frankreich setzt auf seine alten Feudalkontakte, Deutschland zieht die Trumpfkarte der versammelten Opposition, inklusive der Muslimbrüder – auch diese Verbindung hat Tradition. Deutschland spielt wieder mit, auf der großen Bühne der Weltpolitik. Und solche Stücke endeten bislang noch immer in einer Katastrophe. (Junge Welt, morgen)

The Day After (IV) "German Foreign Policy"
29.08.2012
DAMASKUS/BERLIN
(Eigener Bericht) - Nach der öffentlichen Präsentation einer Neuordnungs-Konzeption für Syrien kündigen deutsche Regierungsberater erste Schritte zu ihrer Verwirklichung an. Die Konzeption, die am gestrigen Dienstag unter dem Titel "The Day After" in Berlin vorgelegt worden ist, steckt den Rahmen für die künftige Staatlichkeit Syriens ab. Sie ist unter maßgeblichem Einfluss westlicher, insbesondere US-amerikanischer Experten und Institutionen erstellt worden. In einem nächsten Schritt wird jetzt ein Büro in Istanbul eröffnet, das die Umsetzung der Konzeption in Sachen Repressions- und Rechtssystem beaufsichtigen soll. Wie jüngst eine Sprecherin des US-Außenministeriums bestätigt hat, sind inzwischen Oppositionsaktivisten in Syrien unterwegs, die in Istanbul von amerikanischen und britischen Stellen trainiert wurden, um als "Untergrundnetzwerk" zunächst subversiv zu wirken und baldestmöglich die Kontrolle über syrische Dörfer und Städte zu übernehmen. Die Rede ist von der "nächsten regierenden Klasse" Syriens.
Neuordnungspläne
Am gestrigen Dienstag haben syrische Oppositionelle in Berlin die Neuordnungs-Konzeption "The Day After" präsentiert. Diese ist seit Jahresbeginn unter Leitung der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) erstellt worden und soll nach dem Sturz des Assad-Regimes in Syrien umgesetzt werden (german-foreign-policy.com berichtete [1]). Beteiligt waren gut 45 syrische Oppositionelle unterschiedlichster Spektren, die sechs Mal in der deutschen Hauptstadt zusammenkamen, um sich auf gemeinsame Grundzüge zu einigen. Die formelle Leitung lag bei einem "Exekutivkomitee", das sich jetzt als "Non Profit Organization" in Brüssel registrieren lassen will. Das Projekt steckt den Rahmen für Syriens zukünftige Staatlichkeit ab. Es soll erklärtermaßen syrische Bevölkerungsteile gewinnen, die bislang - aus Furcht vor einem dauerhaften Bürgerkrieg à la Irak - noch zögern, zur Opposition überzulaufen. Zugleich solle mit der Neuordnungs-Konzeption die Weltöffentlichkeit überzeugt werden, dass nach Assads Sturz ein stabiler syrischer Staat entstehen könne, heißt es bei der SWP.[2] Damit lässt sich eine Ausweitung der westlichen Unterstützung für die Aufständischen in Syrien legitimieren.
Technische Experten
Die syrischen Projektteilnehmer sind bei ihren Berliner Beratungen, die sich auf insgesamt sechs Themenfelder konzentrierten (Rechtsstaat, Übergangsjustiz, Sicherheitssektorreform, Wahlreform, Verfassungsentwurf, Neuordnung der Wirtschaft), laut Bericht der SWP [3] jeweils von "führenden technischen Experten beraten" worden. Bei der Mehrzahl von ihnen handelt es sich um Mitarbeiter verschiedener US-Institutionen. Vier sind beim staatsfinanzierten United States Institute for Peace (USIP) beschäftigt, das "The Day After" gemeinsam mit der SWP organisiert hat. Mehrere weitere sind bereits zuvor in der einen oder anderen Form für USIP tätig gewesen. Unter den "technischen Experten" befindet sich nicht nur ein ehemaliger Botschafter der Vereinigten Staaten, sondern - mit Andrew Reynolds - auch ein Verfassungsexperte, der zeitweise in unmittelbarem Auftrag des US-Außenministeriums tätig war und zuletzt nicht nur afghanische Stellen, sondern auch die Rebellen des libyschen Nationalen Übergangsrats beraten hat. Frankreich war mit einer Expertin vom Centre d'Études et de Recherches Internationales (CÉRI) vertreten, Großbritannien mit einem Londoner Völkerrechtsexperten. Deutschland war über die SWP präsent.
Marktwirtschaft
Wie die SWP hervorhebt, hielten Teilnehmer des Projekts auch zu anderen Syrien-Aktivitäten des Westens Kontakt. Dies gelte, heißt es, insbesondere für die "Arbeitsgruppe", die von den "Friends of Syria", einem internationalen Willkür-Bündnis zur Unterstützung der Aufständischen, eingesetzt wurde und sich mit Plänen für den Neuaufbau der Wirtschaft Syriens befasst.[4] Die Arbeitsgruppe unterhält ein Büro in Berlin, das von einem Deutschen geleitet und von den Vereinigten Arabischen Emiraten kofinanziert wird. Am gestrigen Dienstag hielt sich - anlässlich der Präsentation von "The Day After" - der emiratische Außenminister in der deutschen Hauptstadt auf, um dort mit seinem Berliner Amtskollegen die nächste, für Anfang September geplante Sitzung der Arbeitsgruppe zu besprechen. Wie die "The Day After"-Konzeption zeigt, soll die syrische Wirtschaft kompatibel mit westlichen Marktwirtschaften sein; die dazu notwendigen Trainingsprogramme für das Personal bei internationalen Institutionen sind ebenso geplant wie die Schaffung günstiger Rahmenbedingungen für private Wirtschaftsunternehmen. Besondere Bedeutung messen die Autoren dem Wiederaufbau der Infrastruktur Syriens bei.[5]
Islamistisch, für den Westen offen
Neben dem kompletten Neuaufbau der Geheimdienste, der den Verbündeten der künftigen Herren Syriens exklusive Einflussoptionen bietet, sieht die "The Day After"-Konzeption die unmittelbare Aufhebung der aktuellen syrischen Verfassung und die Erstellung einer neuen vor. Übergangsweise könne die Verfassung von 1950 verwendet werden, heißt es.[6] Über die Verfassung von 1950 ist in Fachpublikationen zu lesen, sie habe "eine stark islamische Tendenz" gezeigt, "die den Islam in die Nähe einer Staatsreligion rückte"; ihr zufolge sollte "die islamische Rechtslehre (...) den Ausgangspunkt für die gesamte syrische Gesetzgebung" bilden.[7] Innerhalb dieses Systems habe, so wird berichtet, "die christliche Minderheit zunehmend Nachteile" erfahren.[8] Der Kommission, die die Verfassung von 1950 ausgearbeitet hatte, gehörte der Gründer des syrischen Ablegers der Muslimbruderschaft an; die Organisation verfügt heute wieder über wachsenden Einfluss. Während die Verfassung im Jahr 1950 einer konservativen Variante des Islam großen Spielraum verschaffte, kam sie auch westlichen Neigungen spürbar entgegen. In Syrien sei, berichtete die bundesdeutsche Presse im April 1954, nach dem jüngsten Putsch die Verfassung von 1950 "wieder in Kraft getreten. Damit dürften eine Reihe von Einengungen für ausländische Interessenten fallen." "Gerade Syrien" habe "eine Reihe von Projekten durchzuführen"; das Land werde daher für westliche Unternehmen "recht lohnenswert sein".[9]
Büro in Istanbul
Nach der öffentlichen Präsentation der "The Day After"-Konzeption soll, wie die SWP berichtet, in einem nächsten Schritt nun ein Büro in Istanbul eröffnet werden. Es werde nur vorübergehend tätig sein, heißt es, und die Verwirklichung der Konzeption in drei Bereichen überwachen: Zunächst im Bereich der staatlichen Sicherheit, also bei der Durchsetzung einer neuen staatlichen Kontrolle und beim Aufbau neuer Repressionskräfte, sodann aber auch in puncto Übergangsjustiz und Aufbau des neuen Rechtssystems.[10] Für letzteren hält sich mittlerweile das Bundesjustizministerium bereit (german-foreign-policy.com berichtete [11]). Das Büro soll den Namen "Syrian Transition Support Network" erhalten. Die Aufgabenbeschreibung deutet darauf hin, dass es bereits vor dem Sturz des Regimes tätig werden soll - in denjenigen Gebieten, in denen die Aufständischen mittlerweile die Macht übernommen haben.
Die nächste regierende Klasse
Tatsächlich sind, wie die britische Presse am Wochenende berichtete, amerikanische und britische Stellen schon längst mit dem Training ausgewählter Oppositionsaktivisten befasst, die in Syrien ein "Untergrundnetzwerk" bilden. Dessen Aufgabe sei zunächst subversiver Art, heißt es: Ziel sei die Vernetzung und Unterstützung der Aufständischen, die zu diesem Zweck mit allen notwendigen Gerätschaften ausgestattet würden. Vor allem jedoch würden sie instruiert, so bald wie möglich die Kontrolle über syrische Dörfer und Städte zu übernehmen. Da sie zwar außerhalb Syriens trainiert, aber dann ins Land zurückgeschickt würden, gebe es inzwischen nicht nur außerhalb, sondern auch innerhalb Syriens Gruppierungen, die Planungen "für den Tag danach" vorbereiteten, bestätigt eine Sprecherin des US-Außenministeriums.[12] Die Rede ist dabei von einem "multinationalen Projekt zum Aufbau von Syriens nächster regierender Klasse". Das amerikanisch-britische Training wird in Istanbul durchgeführt - dort, wo der SWP zufolge in Zukunft ein neues Büro die Verwirklichung der "The Day After"-Konzeption in Syrien beaufsichtigen soll. Die deutsch-amerikanische Kooperation, die den geheimdienstlich-militärischen Teil der westlichen Syrien-Aktivitäten beinhaltet (german-foreign-policy.com berichtete [13]), prägt auch die Herausbildung der neuen syrischen Herrschaft.

Das Mitglied der Berliner Grünen/des SNC/ des bis dato geheimen Treffens unter Schirmherrschaft SWP (Stiftung Wissenschaft und Politik) "The Day After" und Beirat der angeblich gewaltfreien NGO "Adopt a revolution", Ferhad Ahma, forderte gestern auf einer Pressekonferenz offen die Unterstützung der syrischen Opposition mit deutschen bzw. NATO - Waffen (Stern.de, Die Zeit, Google News).

 

Für die Olivgrünen seit dem Jugoslawien - Krieg nichts neues. Dass, die von Mitgliedern der SPD/Jusos, Grüne im Auswärtigen Amt - unter SPD/Grüne - Regierung u.a. initiierte NGO "Adopt a revolution" und ihr bellizistischer Beirat entgegen öffentlicher Beteuerungen, aber jetzt offen nach NATO - Waffen schreien und dabei von Teilen der sich als radikal verstehenden Linken unterstützt werden, erinnert doch arg an bellizistische Ausfälle einiger Linker in der Vergangenheit.

 

Und wenn man schon mal am auspacken ist, dann richtig.

 

Die "The Day After" - Sprecherin Afra Jalabi (Schriftstellerin aus Kanada) auf eine Frage zur Wiedereinführung der Scharia: "Da vorne sitzt Mulham al Drobi". (Mitglied in "The Day After" und des Exekutivkommitees der syrischen Muslimbruderschaft). So schlimm sei die Scharia doch garnicht, sie würde manchmal "zu sehr vereinfacht, als archaisch strafend" dargestellt. "Sie ist Teil unseres Erbes, welches Gerechtigkeit herstellt". (O - Ton Pressekonferenz)

 

Will mir das irgendwer als antisexistische Position zum Wohle der syrischen Frau verkaufen? Zählt ihr nicht die täglichen Angriffe im Namen der Scharia auf Frauen/ Schwule und Lesben/ Queers im "neuen" Libyen, Tunesien, Afganistan und im Iran?

 

Nehmt ihr die Angriffe auf andere Religionsgemeinschaften überhaupt wahr, auf AlevitInnen, ChristInnen (letzter Angriff dato in Aleppo!)u.a.?

 

Glaubt ihr wirklich, dass uns als Alternative zu Assad und Co nur Angriffe auf Andersgläubige in Syrien, das Abschlachten feiernder Jugendlicher in Afganistan, die Zerstörung von Kulturdenkmälern in Libyen, Angriffe von Salafisten auf Andersdenkende in Tunesien im Namen der Scharia oder nach Waffen und NATO - Intervention bettelnde Grüne zur Wahl stehen?

 

Politik ist nicht schwarz - weiss.

 

Mir gibt die verhaltene Reaktion auf Aufrufe von "Adopt a revolution", "Recherchegruppe", des SNC ein stückweit die Einschätzung wieder, dass die Linke sehr wohl weiss, dass da einiges in der syrischen Opposition garnicht unterstützenwert ist.

 

Unterstützt Linke, fortschrittliche Menschen, Andersdenkende, aber doch nicht VertreterInnen fundamentalreligiöser Gruppen, BellizistInnen und SchreibtischkriegerInnen!

Bei dem von uns im Text verlinkten siebenseitigen Papier handelt es sich nur um eine stark gekürzte Vorabversion des

"The Day After" Projekts. Die vollständige englischsprachige Fassung gibt es mittlerweile als PDF auf der website der SWP:

http://www.swp-berlin.org/en/publications/swp-comments-en/swp-aktuelle-details/article/the_day_after_democratic_transition_in_syria.html