Nazidemo beschäftigt die Justiz

Erstveröffentlicht: 
31.07.2012

Göppingen - Die Naziaufmärsche der vergangenen Monate in Göppingen haben jetzt ein erstes gerichtliches Nachspiel. Vor dem Amtsgericht musste sich ein kurz geschorener junger Mann aus Eislingen verantworten, der die Demo am 3. März angemeldet hatte. Damals hatten 22 Rechtsradikale mit einer Schweigeminute an die Bombardierung Göppingens im Jahr 1945 erinnern wollen, dann aber auch lautstark rechtsradikale Parolen skandiert. „Ruhm und Ehre der deutschen Wehrmacht!“ und „Mehmet, Murat, Mustafa, fahr zurück nach Ankara“ sollen die Männer im Chor gerufen haben.

 

Der Veranstaltungsleiter bleibt passiv

Den ersten Spruch hatten zwei der rund 150 Gegendemonstranten bei der Polizei angezeigt. Den anderen hatte ein Hauptkommissar von der Staatsschutzabteilung der Göppinger Polizei gehört, der damals die Demonstration überwachte. Ob der Angeklagte, der als NPD-Mitglied bekannt ist, selbst in den Sprechchor eingefallen sei, könne er nicht mit Sicherheit sagen, erklärte der Polizist vor Gericht. An dessen Reaktion erinnere er sich aber noch genau. Es gab nämlich keine. Dabei hätte er als offizieller Veranstaltungsleiter aktiv werden müssen, um solche Dinge zu unterbinden. „Wir haben das beobachtet, weil wir in diesem Augenblick ja wussten, dass gegen die Auflagen verstoßen worden war.“

Die Stadt Göppingen hatte die De­monstration damals nur unter strengen Auflagen genehmigt. Fast eine halbe Stunde benötigte die Richterin, um das Schreiben zu verlesen, in dem die Stadt die Kundgebung vom Marktplatz an den Bahnhof verlegte, den Teilnehmern das Tragen von Springerstiefeln und Bomberjacken untersagte, die Länge und Stärke von Fahnenstangen festgelegte und ein Alkoholverbot verhängte. Auch ausländerfeindliche Sprüche wurden verboten. Explizit war der Ankara-Spruch aufgeführt. Auch der andere Satz war erwähnt, bezog sich aber nicht auf die Wehrmacht, sondern auf die Waffen-SS.

 

Die Staatsanwältin bleibt hart

Für den aus Stuttgart angereisten Verteidiger war dies ein entscheidender Unterschied. Die Wehrmacht sei keine verbrecherische Organisation, sondern ähnlich unverdächtig wie die Reichsbahn oder Reichspost, sagte der erfahrene Neonazianwalt. Die Staatsanwältin sah dies anders. „Der Gesamtzusammenhang ist hier eindeutig.“ Sie wolle ihre Anklage in beiden Punkten aufrechterhalten, sagte sie und bestand darauf, auch den zweiten Gegendemonstranten noch als Zeuge zu befragen. Weil sich dieser bis Ende August im Urlaub befindet, ist der Prozess dadurch erst einmal geplatzt und muss neu beginnen.

Den Angeklagten haben die staatsanwaltlichen Ermittlungen aber offenbar beeindruckt. Die nächste Nazidemonstration ist von einem anderen angemeldet worden. Die Stadt prüft gegenwärtig ein vollständiges Verbot der Veranstaltung.

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