Tote Gefangene bei niedergeschlagenen Knastrevolten in Homs und Aleppo

Gefängnisse in Syrien

Seit drei Tagen protestieren die Gefangenen des Gefängnisses von Homs gegen die Verschlechterung der eh unerträglichen Zustände. Infolge der sich zuspitzenden militärischen Auseinandersetzungen in Syrien gibt es praktisch keine Versorgung mit Lebensmitteln und Wasser im Knast mehr. Die Kinder der inhaftierten Frauen im Trakt für weibliche Gefangene leiden extrem, es gibt keine Babynahrung und keine Babymilch. Mit einem Sitzstreik protestieren die Gefangenen seit drei Tagen gegen diese Zustände.

 

Die Lokalen Koordinierungskomitees berichten von Explosionen und Feuer im Inneren des Knastes infolge der Angriffe der „Sicherheitskräfte“ gegen die Gefangenen.


Es habe viele Opfer unter den Gefangenen gegeben, die genaue Anzahl ist noch nicht bekannt.
Eine Gruppe von 60 unbewaffneten Hilfsaufsehern sei desertiert.
Die Gefangenen haben einen verzweifelten Apell an alle internationalen Organisationen verfasst, tätig zu werden, da sie Massenhinrichtungen befürchten.

 

In Aleppo kam es seit gestern ebenfalls zu Protestaktionen der Inhaftierten. Gegen die Proteste wurden Tränengas und scharfe Waffen eingesetzt, teilweise wird auch von (gelungenen) Fluchtversuchen berichtet, dieses Berichte sind aber noch nicht bestätigt.
In Aleppo toben derzeit heftige Auseinandersetzungen zwischen der syrischen Armee und bewaffneten Aufständischen. Versuche, den Gefangenen zuhilfe zu eilen, wurden unter Einsatz von Kampfhubschraubern verhindert. Am zweiten Tag der Proteste im Knast in Aleppo haben die „Sicherheitskräfte“ die rebellieren Gefangenen eingekreist.


Die Lokalen Koordinierungskomitees wissen von neun toten Gefangenen in Aleppo:

Mohammad Fallaha, Yazan Mtawe’, Reyad Al-Gobari, Amir Ammouri, Hasan Ali Khaddour, Mostafa Ahmad Nouri, Zakariya Al-Khatib, Fouad Hekmat, und Mohammad Ramo.

 

Der syrische Aufstand begann mit den Protesten der FreundInnen und Angehörigen der politischen Gefangenen am 16. März 2011.


Demonstrationen und Kundgebungen waren eigentlich in Damaskus nicht vorgesehen, sofern sie nicht staatlich organisiert waren. .
Die vorübergehenen vorsichtigen demokratischen Öffnungen des „Frühling von Damaskus“ lagen zehn Jahre zurück.
Die unzähligen Geheim- und Sicherheitsdienste verbreiteten Angst und Schrecken, Aktivistinnen aus allen politischen Lagern waren inhaftiert. Obwohl es keine ernstzunehmende politische Opposition gab, waren mehrere tausend Menschen aus politischen Gründen inhaftiert. Folterungen in den Bullenrevieren, den Geheimdienstzentralen und Knästen waren schon damals an der Tagesordnung.

 

Nachdem am Vortag einige hundert Demonstranten einer Mobilisierung über soziale Netzwerken gefolgt war und es ihnen gelungen war, einige Minuten Parolen gegen die Bath Partei rufend durch Damaskus zu ziehen, bevor die allgegenwärtigen „Sicherheitskräfte“ sich auf sie stürzten, versammelten sich an jenem 16. März 2011 150 Menschen in der Innenstadt.
Sie standen einfach nur stumm da, hielten Bilder ihrer inhaftierten Freunde und Liebsten in die Höhe.

 

Dann folgte der Angriff:
„Plötzlich tat sich die Erde auf, Geheimdienstler und Shabbiha brachen hervor und begannen, auf die Leute einzuschlagen. Die Gruppe, die anfangs versucht hatte, zusammenzubleiben, löste sich auf. Der Ehemann einer Gefangenen ließ seinen vierjährigen Sohn bei mir zurück. Zahlreiche Männer packten den Vater und seinen zehnjährigen Sohn. Ich stand völlig erstarrt da und drückte den Kleinen fest an meine Brust. Plötzlich bemerkte ich, dass der Kleine mitbekam, wie sein Vater und sein Bruder geschlagen wurden. Das Gesicht seines Bruders war so starr, als hätte er einen Stromschlag erhalten. Eine Faust schnellte vor in Richtung des kleinen Kopfes. Der Kopf pendelte hin und her, und einen Augenblick später traten ihn die Männer zusammen mit dem Vater in den Bus.“ (1)

 

Trotz der brutalen Repression gegen die FreundInnen und Angehörigen der politischen Gefangenen im Zentrum von Damaskus bricht die Revolte, die in Tunesien und Ägypten begann, nun auch in Syrien aus. Fünf Tage später demonstrieren Tausende nach den Freitagsgebeten, der einzigen Möglichkeit, sich unbehelligt zu versammeln, in den Städten Deera und Banjas.
Sie werden sofort mit Tränengas und und Wasserwerfern angegriffen.
In Deera werden noch am ersten Tag fünf unbewaffnete Demonstranten erschossen.

 

Am nächsten Tag folgen Zehntausende in Deera den Särgen von zwei erschossenen Demonstranten, obwohl die „Sicherheitskräfte“ genau dies mit massiven Absperrungen zu verhindern suchten. Noch während der Trauerzüge wird erneut scharf in die Menge geschossen, es gibt die nächsten Toten.


Es folgen Solidaritätsdemonstrationen in Damaskus, Homs, Aleppo und Deir al-Zor, das Feuer der Revolte breitet sich aus.

 

Die Anzahl der politischen Gefangenen ist seit Beginn des syrischen Aufstandes in die Höhe geschnellt, angesehende Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty und Human Right Watch gehen von 15.000- 30.000 Menschen aus, die aus politischen Gründen inhaftiert sind.
Teilweise werden die Menschen von Bullen oder dem Militär verschleppt, ohne das sie je wieder auftauchen. Diese aus den lateinamerikanischen Militärdiktaturen der 70iger und 80iger bekannte Praxis des Verschwindenlassens soll zusätzlich Terror und Abschreckung verbreiten.

Fabrikhallen und Sportstadien werden zu Internierungslagern umfunktioniert, nach einer Untersuchung von Human Right Watch (HRW) sind in über der Hälfte der Fälle bei Festgenommenden Folterungen nachzuweisen. Bis Mai 2012 kann HRW in 360 namentlich bekannten Fällen den Tod von Inhaftierten dokumentieren. (2)

 

Die Angehörigen und FreundInnen der politischen Gefangenen und der ermordeten AktivistInnen sind bedeutende Akteure in der Revolte im Magreb und Nahost.


In Libyen waren ebenso wie in Syrien Proteste von UnterstützerInnen von inhaftierten AktivistInnen der Fokus des allgemeinen Aufstandes.

 

Als in Ägypten nach Mubaraks Sturz in den ersten Prozessen gegen mordende Bullen eben jene freigesprochen wurden, lösten die sofortigen empörten Proteste der FreundInnen und Angehörigen der Ermordeten vor dem Gerichtsgebäude einen neuen massenhaften Kampfzyklus aus.

 

In Tunesien protestieren weiterhin die Angehörigen der im Aufstand Getöteten gegen lächerlich geringe „Entschädigungszahlungen“ und Hinterbliebenenrenten.


In Bahrain gibt es tagtäglich militante Aktionen, Strassenblockaden, Angriffe auf Bullen und Demos trotz eines kürzlich verhängten generellen Demonstrationsverbotes im gesamten Land.
Zentraler Bestandteil dieser Mobilisierungen ist immer wieder die Forderung nach Freilassung der inhaftierten AktivistInnen. Der Widerstand des allseits bekannten Aktivisten Abdulhadi al-Khawaja, der sich über 100 Tage im Hungerstreik befand, konnte erst durch massive Zwangsernährungsmaßnahme gebrochen werden.

 

(1)
Samar Yazbek: „Schrei nach Freiheit. Bericht aus dem Inneren der syrischen Revolution“. Verlag Nagel & Kimche

 

(2)
Deutsche Zusammenfassung des Berichtes von Human Right Watch, Verlinkung zum vollständigen englischsprachigen Bericht auf dieser Seite:

http://www.hrw.org/de/news/2012/07/03/syrien-folterzentren-aufgedeckt

 

recherchegruppe aufstand

http://uprising.blogsport.de/

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Rie "Recherchegruppe", der es nicht um Recherche, sondern um Propaganda geht.

Das Meiste, was die Opp. oder Teile von ihr in schlechtes Licht rücken könnte, wird verschwiegen.

Ein paar Beispiele aus den letzten Tagen, die nicht auf dem Blog von rg zu finden sind, obwohl sie sich sonst genau aus diesen Medien bedienen:

 

Britische Elite-Kämpfer bilden Rebellen aus - 23.07.2012

http://www.spiegel.de/politik/ausland/syriens-rebellen-werden-im-angeblich-im-ausland-trainiert-a-845923.html

Syriens Christen fliehen vor radikalen Rebellen - 23.07.2012

http://www.spiegel.de/politik/ausland/aufstand-in-syrien-christen-fliehen-vor-radikalisierten-rebellen-a-845962.html

 

Weiterhin findet sich keine Information auf dem Blog zu den Tatsachen der letzten Tage, dass

- Rebellen an der türkischen Grenze türkische LKW überfallen haben, die LKW teilweise abgefackelt haben und weitere gegen Lösegeld den Fahrern übergeben haben

http://www.hurriyetdailynews.com/turkish-truck-drivers-accuse-rebels-of-looting.aspx?pageID=238&nID=26033&NewsCatID=352

- die BBC Flüchtlinge an der irakischen Grenze interviewte, die Angaben von den Rebellen aus Damaskus zur Flucht gezwungen worden zu sein, weil sie Schiiten aus Irak sind

http://www.bbc.co.uk/news/world-middle-east-18930876

Wo sind die Berichte zu Kirchenschändungen der FSA? Verfolgung von ChristInnen und deren Flucht ins Bekaa - Tal?

 

Wo die Übergriffe gegen AlawitInnen?

 

Wo die berichte über die Ängste in Israel, dass die FSA - Fundis Chemiewaffen in die Hände bekommen?

 

Was ist das für eine Form von einseitiger Berichterstattung? Oder besser halbamtlichen Nachrichten aus der Konrad Adenauer Stiftung?

Und wo bleiben deine Berichte über vom syrischen verschleppte Kommunisten, niedergeschossene Studenten, massive Sozialkürzungen und neoliberale Politik in Syrien unter den Assads? Die/Den Nächste(n), die/der in meiner Gegenwart Assad verteidigt und dessen Polizeistaat verherrlicht, schleppe ich persönlich zu den Exil-Syrern vor Ort. Dass in Syrien nun auch irgendwelche Salafisten und ausländische Geheimdienste mit rumspringen ist die eine Sache, Assad und sein Regime fernab jeglicher Realität als menschenfreundlich darzustellen, wie es zunehmend aus den üblichen Ecken kommt, ist wahrlich ekelhaft...

"Assad und sein Regime fernab jeglicher Realität als menschenfreundlich darzustellen, wie es zunehmend aus den üblichen Ecken kommt, ist wahrlich ekelhaft..."

 

Wo denn?

 

Hier in den Kommentaren nicht und auch sonst ist mir keine linke Publikation bekannt, die Assad als menschenfreundlich darstellt.

 

 

Und auf die ursprüngliche Kritik gibt es natürlich auch keine Antwort. Aber gut, damit habe ich eh nicht gerechnet.

 

Die Motive, die oben genannten Dinge zu verleugnen, kann ich mir gut vorstellen, aber für das Äußern alleine würde mein Kommentar wohl gelöscht werden.

und weiter kein Wort zu den KurdInnen im Norden, die die Selbstverwaltung im weiter ausbauen. "R.G." ist echt ne Propaganda - truppe der FSA.


Nach vierzig ruhigen Jahren
23.07.2012 German Foreign Policy
BERLIN/DAMASKUS
(Eigener Bericht) - Westliche Sicherheitskreise warnen vor dramatischen Folgen des auch von Berlin geförderten Aufstands in Syrien. Die Gefahr sei akut, dass biologische und chemische Waffen, die das Regime zuverlässig kontrolliere, in die Hände von Aufständischen und über diese in den Besitz islamistischer Milizen gerate, heißt es in einer US-Analyse. Experten warnen außerdem, bei der Aufstachelung ostsyrischer Stammesverbände gegen das Regime müsse man größere Vorsicht walten lassen als bisher; sonst könnten eine Stärkung islamistischer Milizen und eine neue Eskalation der Spannungen im Irak nicht ausgeschlossen werden. Dessen ungeachtet befeuert die Bundesregierung die Aufständischen weiterhin. Während der UN-Generalsekretär den Mordanschlag auf syrische Regierungsvertreter scharf als einen Terrorakt verurteilt hat, erklärt der Bundesaußenminister, die Gewalt sei nun lediglich dorthin zurückgekehrt, "wo sie ihren Ausgang genommen hat". Wie in früheren Kriegen, in denen deutsche Interessen in erheblichem Maße auf dem Spiel standen, folgen die Mainstream-Medien der Regierungslinie, die für Syrien vorsieht, die Aufständischen weithin kritiklos zu unterstützen, so gut wie ausnahmslos.
Ein Hexengebräu
US-Experten warnen vor dramatischen Folgen des auch von Berlin geförderten Aufstands in Syrien. Wie es in einer US-Analyse heißt, bestehe eine besondere Gefahr darin, dass die Aufständischen in den Besitz biologischer oder chemischer Waffen gelangen könnten, die das Regime bisher durchaus zuverlässig kontrolliere. Gerieten die Waffen unter Kontrolle der Aufständischen, dann sei damit zu rechnen, dass islamistische Milizen sie in die Hände bekommen könnten. Schließlich kämpften zur Zeit bereits mehrere Hundert Milizionäre, deren Ausrichtung al Qaida ähnele, auf syrischem Boden. Man müsse einer weiteren Radikalisierung des Aufstands ganz entschlossen vorbeugen. Zudem sei damit zu rechnen, dass von syrischem Boden aus wieder Angriffe auf Israel gestartet würden, "nach vierzig ruhigen Jahren" während der Herrschaft Bashar al Assads und seines Vaters. Der Zerfall des Landes in eine alawitisch dominierte und eine sunnitische Region sei ebenfalls möglich, abgesehen davon, dass sich die Eskalation in den Libanon und nach Jordanien hinein übertragen könne.[1] Aus US-Sicht sei dieses "Hexengebräu" vor allem deshalb fatal, weil es alle "Energien des Präsidenten" der Vereinigten Staaten verbrauchen und "jegliche strategische Wende nach Asien für ein Jahrzehnt aufhalten" könne. Der Autor plädiert für einen Ausweg durch eine rasche militärische Zerschlagung des Regimes mit einer westlichen Militärintervention à la Libyen.
Ausweitung in den Irak
Auch in Fragen spezieller regionaler Aufstandsstrategien werden Warnungen laut. So dringen US-Experten zum Beispiel darauf, man solle bei der Aufstachelung ostsyrischer Stämme gegen das Regime besondere Vorsicht walten lassen. Im ostsyrischen Deir al Zor, einer weithin verarmten Region, besitzen Stammesverbände bis heute eine wichtige soziale und politische Bedeutung. Sie leben auf beiden Seiten der syrisch-irakischen Grenze und haben sich bis vor kurzer Zeit von der Rebellion eher ferngehalten. Ursache war, dass das Regime es lange schaffte, die Stammesführer mit einer Mischung aus Druck und Zusatzleistungen zum Stillhalten zu bewegen. Daran war auch die Regierung des Irak beteiligt, die Assads gewaltsamen Sturz ablehnt. Demgegenüber versuchen die arabischen Golfdiktaturen, die Stämme der Region auf ihre Seite zu ziehen und zur Teilnahme am Aufstand zu bewegen. Damit bauen sie zugleich ihre Stellung in Ostsyrien sowie im Nordirak aus. US-Experten berichten nun von zunehmenden Bemühungen islamistischer Terroristen, in der Region ihre Aktivitäten auszuweiten; dabei könnten sie möglicherweise von der Einmischung der arabischen Golfdiktaturen profitieren. Dies müsse bei der Aufstachelung der ostsyrischen Stämme ebenso berüchsichtigt werden wie die Gefahr, dass ein Eingreifen der Stämme in den Aufstand in Syrien auch die Spannungen im Irak erneut blutig eskalieren lasse könne, heißt es in einer US-Analyse; beides könne dazu beitragen, die Lage im Nahen und Mittleren Osten gänzlich unkontrollierbar zu machen.[2]
Straffreiheit für Verbündete
Ungeachtet der Situation bleibt Berlin bei seiner parteilichen Befeuerung der Gewalteskalation im syrischen Bürgerkrieg. Dass die Bundesregierung über die Brutalität des syrischen Regimes genau im Bilde ist, liegt nahe - sie kann ihr während der jahrzehntelangen Geheimdienstkooperation, die zeitweise eine enge Folterzusammenarbeit einschloss (german-foreign-policy.com berichtete [3]), nicht verborgen geblieben sein. Das Muster jedoch, nach dem die Aufständischen von jeder Kritik freigehalten werden, ist altbekannt. Bereits in den Jugoslawien-Kriegen der 1990er Jahre wurden Kriegsverbrechen der eigenen Verbündeten, damals kroatischer oder kosovarischer Milizen, nicht zur Kenntnis genommen oder geleugnet. Ebenso operierten Berlin und der Westen in Afghanistan, wo man die Dienste berüchtigter Massenmörder 2001 gern annahm, um die Taliban zu stürzen, mit denen inzwischen wieder verhandelt wird. Dem afghanischen Milizionär Rashid Dostum etwa wird das gezielte Ersticken von rund 2.000 gefangenen Taliban in Containern während des Kriegs gegen deren Regime 2001 zugeschrieben; das Massaker gegen die Feinde des Westens ist nie ernsthaft untersucht worden. Eines der jüngsten Beispiele ist der schon fast wieder vergessene Bürgerkrieg in Cote d'Ivoire 2011. Mordtaten, die von Parteigängern des heute regierenden Favoriten des Westens, Alassane Ouattara, begangen wurden, werden bis heute nicht nur von den westlichen Regierungen, sondern auch von Medien und Gerichten ignoriert - und bleiben straffrei.
Verständnis für Terror
Ähnliches spielt sich nun im Umgang mit dem syrischen Bürgerkrieg ab. Bereits in der Vergangenheit hat sich die Bundesregierung kaum zu Bombenanschlägen der Aufständischen geäußert, bei denen Dutzende Zivilisten zu Tode kamen. In Medienberichten wurde gelegentlich suggeriert, das Assad-Regime habe die Anschläge selbst begangen, um die Aufständischen in ein schlechtes Licht rücken zu können. Auf eine Anfrage im Bundestag hat die Bundesregierung nun einräumen müssen, dass sie zirka 90 Terroranschläge in Syrien zwischen Ende 2011 und Anfang Juli 2012 "Al Qaida nahen Organisationen oder jihadistischen Gruppierungen" zurechnet.[4] Das Massaker in Hula, das Berlin zum Anlass nahm, um den syrischen Botschafter auszuweisen, wird kaum noch thematisiert, seit Recherchen eines renommierten Journalisten offenlegten, dass es mit beträchtlicher Wahrscheinlichkeit den Aufständischen zugerechnet werden muss (german-foreign-policy.com berichtete [5]). Auch der jüngste Terroranschlag, dem letzte Woche mehrere syrische Regierungsvertreter zum Opfer fielen, findet im offiziellen Berlin kein Wort der Kritik. Während der UN-Generalsekretär, der gewiss nicht als ein Freund des Assad-Regimes eingestuft werden kann, den Anschlag scharf verurteilt, erklärt der deutsche Außenminister, die Gewalt sei nur "dort hin" zurückgekehrt, "wo sie ihren Ausgang genommen hat, nämlich ins Machtzentrum des Assad-Regimes nach Damaskus".[6] Derlei offene Verständnisbekundungen für Mordanschläge sind in offiziellen Stellungnahmen deutscher Regierungsmitglieder, die bislang zumindest förmliche Distanz wahrten, neu.
Schlechtere Alternativen
Der Charakter des militärischen, von islamistischen Milizen durchsetzten syrischen Aufstands, der sich deutlich von der Revolte vom Frühjahr 2011 unterscheidet, erklärt, weshalb Experten über den möglichen Sieg der Aufständischen mit erheblichem Pessimismus urteilen. Syrien werde "über Jahre hin ein Debakel" sein, heißt es zum Beispiel in einer Analyse; "ein friedliches, tolerantes, repräsentatives Syrien" sei auf absehbare Zeit "eine Fantasie".[7] "In einer Welt nach Assad" werde "inter-ethnische Versöhnung eine mühsame Schlacht" sein; "die Einbeziehung einiger Islamisten in eine Nachfolgeregierung" sei - "bedauerlicherweise" - "eine unumgängliche Tatsache des syrischen Lebens". Politik bestehe oft darin, "schlechte Ergebnisse zu akzeptieren, wenn die Alternativen schlechter sind" - insbesondere, "wenn sie das Potenzial hätten", Interessen des Westens und der USA zu schaden.