BLOCKUPY: „Goldene Kamera“ für Maredo

Maredo: Bespitzeln, Überwachen, Entlassen

Im Rahmen der Blockupy Aktionstage gab es am Freitag, den 18. Mai einen Flashmob vor der Maredo-Filiale auf der Freßgass in Frankfurt am Main. Dabei wurde dem Geschäftsführer die „Goldene Kamera für die herausragende Bekämpfung der Rechte von Arbeiter_innen“, verliehen. Denn illegale Überwachungskameras waren Teil der Einschüchterungsaktion, mit der dort am 26.11.2011 Betriebsrat und Mitarbeiter_innen zur „freiwilligen“ Kündigung genötigt wurden.

 

Warum Maredo? Zur Vorgeschichte.


Im besagten Frankfurter Restaurant der Steakhaus-Kette Maredo wurden die Mitarbeiter_innen im abgedunkelten Restaurant eingesperrt. Ihnen wurden die Handys abgenommen und sie wurden dann mit massivem Druck zu einer angeblich „freiwilligen“ Kündigung genötigt. Zuvor waren sie wochenlang illegal mit Kameras überwacht und von Detektiven ausspioniert worden. Die Betriebsräte wurden zu Beginn der Aktion des Hauses verwiesen. Von den betroffenen Mitarbeiter_innen wurde mittlerweile Strafanzeige wegen Nötigung und Freiheitsberaubung gestellt. (Siehe dazu indymedia: sowie weitere Infos unter dem Maredosoliblog ). Maredo steht damit exemplarisch für die Entrechtung von Lohnarbeiter_innen im Niedriglohnsektor. Im Rahmen der Blockupy-Aktionstage, die sich gegen die autoritäre Krisenpolitik richteten erschien es zahlreichen Aktivist_innen wichtig auch einen Bezug zu den lokalen sozialen Kämpfen her zu stellen.

 

Würdige Feierlichkeiten für verdiente Persönlichkeiten...


Aus diesem Grund fanden sich im Rahmen der „Frankfurt Fluten“ Aktionen am Freitag, dem 18. Mai rund 100 Leute vor dem Restaurant der Maredo-Kette ein, um auf die aktuelle Situation und den Arbeitskampf der Mitarbeiter_innen von Maredo aufmerksam zu machen. Trotz des sehr massiven Polizeiaufgebots und eines umfassenden Verbots jeglicher Versammlungen in der Frankfurter Innenstadt gelang es, durch eine gut koordinierte und kurzfristige Mobilisierung der in Frankfurt anwesenden Aktivist_innen, ohne unmittelbar in einem Polizeikessel zu landen, die „Preisverleihung“ mitten in der Innenstadt durch zu führen.

 

So wurde eine ergreifende Laudatio vor dem Restaurant gehalten und unter langem und ausdauerndem Applaus gegenüber der Geschäftsleitung die Bewunderung für ihr unvergleichbares Engagement bei der Bekämpfung der Rechte von Arbeiter_innen, kundgetan. Bedauerlicherweise wollte der zum Zeitpunkt der Verleihung eintreffende Geschäftsführer des Restaurants die „Goldene Kamera“ nicht entgegen nehmen. Er entschied sich trotz tosendem Applaus bei seinem Erscheinen, möglichst schnell im Seiteneingang des Restaurants wieder zu verschwinden. Anscheinend war die euphorische Fangemeinde dann doch etwas zu viel für ihn und er war trotz stürmischer und bisweilen geradezu aufdringlicher Verehrer_innen weder bereit die Kamera entgegen zu nehmen noch Autogramme zu geben. Der „Preisträger“ flüchtete vor der Übergabe und wurde von den rund 100 Zuschauer_innen mit „Ausbeuter! Ausbeuter!“-Rufen würdig verabschiedet

 

...und der autoritäre „Big Brother“ so klug wie immer…


Die anwesende Polizei wusste auch nicht so recht mit der Situation umzugehen. Sie stieß erst relativ spät und in überschaubarer Zahl zur Preisverleihung dazu und betrachtete das Geschehen mehr oder weniger interessiert aus gebührendem Abstand. Der schimpfende Einsatzleiter vor Ort, der lautstark Verstärkung einforderte, war wohl etwas konsterniert, da er nicht zu dieser großartigen „Preisverleihung“ eingeladen worden war. Wobei dies natürlich nicht heißt, dass die vor Ort anwesenden Polizist_innen nicht auch eine „produktive“ Art gefunden hätten, mit ihrer Enttäuschung und Frustration umzugehen. Während sich die Versammlung nach einer guten halben Stunde selbstständig wieder auflöste, ließen es sich die anwesenden Polizist_innen nicht nehmen, einige alternativ wirkenden Jugendlichen am Brunnen unweit des Restaurants zu umstellen. Sie wurden ausführlich kontrolliert und so konnten die anwesenden Polizist_innen mit einer doch sehr robusten Vorgehensweise gegenüber den eher zufällig anwesenden Punker_innen ihren Frust über die fehlende Einladung durch direkte sportliche Betätigung vor Ort ablassen.

 

Fazit:


Ein rundum gelungenes Social Event mit Starauftritt der Restaurantleitung, einer flammenden Laudatio und nicht zuletzt einer wunderbaren Law&Order Performance der anwesenden Polizei. Unter folgendem Youtube-Link könnt ihr euch die Verleihung anschauen. Zum mitlesen anbei noch mal die Laudatio mit den ganzen Details zu den Vorkommnissen in dem Frankfurter Restaurant der Maredo-Kette. Weiter Infos auch unter: maredosolidaritaet.blogsport.de

 

eine solidarische Gemeinschaftsproduktion von:

turn*left Frankfurt, Gruppe d.i.s.s.i.d.e.n.t. Marburg, Die Linke –Frankfurt

 

Video bei Youtube

 

 


 

Laudatio:

 

Meine sehr verehrten Damen und Herren,

 

ich heiße sie recht herzlich willkommen! Wir haben uns heute hier versammelt um einen Preis zu verleihen. Keinen ganz gewöhnlichen Preis, wie er etwa für besonders gute Filme oder Bücher oder herausragende Forschung oder sportliche Spitzenleistungen verliehen wird. Zwar schätzen auch wir Literatur, Kultur und Sport, aber es gibt doch wesentlich wichtigeres. Heute verleihen wir die „Goldene Kamera für die herausragende Bekämpfung der Rechte von Arbeiter_innen“.

 

Die Wahl unseres Preisträgers ist uns keineswegs leicht gefallen, so viele gute Menschen sehen wir, die gegen Faulheit, Gier und linke Gesellschaftskritik die Vernunft hochhalten. Menschen die wissen, dass unsere Gesellschaft so sein muss, dass sie nicht anders sein kann, dass es eben unsere Natur als Menschen ist uns auf dem Arbeitsmarkt zu verkaufen, zu konkurrieren und im Zweifelsfall rücksichtslos unseren eigenen Vorteil zu suchen.

 

Doch schließlich haben wir eine Person gefunden, von der wir denken, dass sie des Preises würdig ist. Unser Preisträger hat die für ihn vorgesehene Rolle besonders würdig ausgefüllt. Doch nicht nur das, darüber hinaus hat er mit Leidenschaft und Kreativität geholfen zu tun was nötig war.

 

Es erscheint mir sinnvoll, dass wir zunächst über das Werk sprechen, dass unser Preisträger vollbracht hat und vielleicht ahnen Sie dann schon um wen es geht.

 

Sie alle kennen ja die Probleme, die einem diese Gewerkschaften machen. Im Grunde sind das ja alles Verbrecher, Kommunisten, ideologisch verblendete Menschen ohne jeden Sachverstand in wirtschaftlichen Fragen. Jeder vernünftige Mensch muss sich doch fragen, weshalb sie nicht schon längst verboten sind! Den ganzen Tag faseln sie von den Rechten der Arbeiter_innen, wollen Lohnerhöhungen, Mitbestimmung und manche gar eine bessere Zukunft jenseits des Kapitalismus. Diese Träumer!

 

Leider Gottes haben sie sich ja im letzten Jahrhundert einige Rechte erkämpft, so dass man dieses Pack nicht mehr so leicht los wird. Diese Erfahrung musste auch bei Maredo gemacht werden. In dem Restaurant vor dem wir gerade stehen in besonders schlimmer weise. Die Arbeiter_innen haben ihre Rechte nicht nur gefordert, sondern auch genommen. Sogar einen Betriebsrat haben sie gewählt! Wissen sie welchen Ärger einem das macht! Jeden verdammten Dienstplan müssen sie mit denen abstimmen. Wenn sie jemanden kündigen oder einstellen wollen müssen sie ständig damit rechnen, dass Rechtsmittel eingelegt werden. Und das aller schlimmste: sie können diese Leute noch nicht mal kündigen! Das muss ihnen ein Gericht erlauben! In ihrem eigenen Laden! Aber am aller schlimmsten war, dass 80% der Belegschaft gewerkschaftlich organisiert waren. Die Leute hielten zusammen und unterstützten den Betriebsrat. Kurz und gut: die Zustände hier bei Maredo in der Freßgass waren untragbar geworden!

 

In dieser Situation, wo die Profitabilität des Ladens gefährdet war, und ich denke da sind wir uns einig meine Damen und Herren, musste gehandelt werden. Unser Preisträger hat sich verdient gemacht durch ein ausgeklügeltes Vorgehen, welches mit allen anderen relevanten Entscheidungsträgern abgestimmt war. Teamwork ist schließlich alles heutzutage, wir alle wissen das.

 

Da sich kein Grund finden ließ um die renitenten wirtschaftsfeindlichen Störenfriede zu beseitigen, musste einer geschaffen werden. Besonders geeignet schien dafür der Vorwurf des Diebstahls. Dieser würde es ermöglichen die Beschäftigten samt Betriebsrat alle auf einen Schlag los zu werden. Welch hervorragende Idee! Zum Glück war es bei Maredo, wie in jedem anderen Restaurant, üblich dass die Mitarbeiter_innen während der Arbeit etwas aßen oder unverkäufliche Reste mit nach Hause nahmen anstatt sie weg zu werfen. Unser Preisträger erkannte die Chance, die in dieser Tatsache lag. So etwas lässt sich nämlich zu einer Straftat umdeuten. Auf so einen genialen Gedanken muss man erst mal kommen, aus ein paar Brotkrumen und Karottenschalen einen Diebstahl zu basteln. Ich denke sie sind von diesem Einfallsreichtum ebenso beeindruckt wie ich, meine Damen und Herren.

 

Doch unser Preisträger war noch geschickter. Der Gegner würde sich hartnäckig gegen solch einen Vorwurf wehren. Wie könnte es möglich sein ihn so einzuschüchtern, dass er den Kampf am besten gar nicht erst aufnehmen würde? Objektive und unabweisbare Beweise könnten so etwas schaffen, durch Kameraaufnahmen zum Beispiel. Doch auch hier wäre ja nach den völlig übertriebenen Rechten des Betriebsrates dessen Zustimmung nötig gewesen. Da auf die Mitarbeit des Gegners an seiner eigenen Beseitigung nicht gehofft werden konnte, gab es keine andere Möglichkeit, als ihn schlicht zu übergehen. Eine durchaus heikle Sache, da komplett illegal. Aber unser heldenhafter Preisträger hat diese Last gerne auf sich genommen. Im Interesse der Unternehmensgewinne kann ihm keine moralische oder juristische Last zu schwer sein. So wurden also versteckte Kameras heimlich installiert. Und in den folgenden zwei Wochen konnten allerhand Untaten gefilmt werden: massenhafter Diebstahl von Brotrinden und Kartoffelschalen, sogar Wasser haben diese Halunken getrunken, und das im Sommer!

 

Doch wie die Kündigungen bewerkstelligen? Einen nach dem anderen ins Büro zitieren? Nein, dann hätte sich ja der Betriebsrat eingemischt. Der musste also auf jeden Fall umgangen werden. Am besten mussten also alle auf einmal gekündigt werden. Doch wie soll das funktionieren? Also ganz ehrlich meine Damen und Herren, ich wäre auch nicht auf so eine geniale Idee wie unser Preisträger gekommen!

 

An einem Tag im November ließ er rechtzeitig zum Schichtwechsel einen Stromausfall inszenieren. So war fast die gesamte Belegschaft im Restaurant anwesend und die Dunkelheit, dass wissen wir ja alle, macht den Menschen einfach so wunderbar Angst. Doch nicht nur das, unser Preisträger brachte auch gleich erfahrene Anwälte mit und einen Sicherheitsdienst.

 

Das hatte mehrere Vorteile. Den Betriebsräten konnte Hausverbot gegeben werden und die Belegschaft am Verlassen gehindert werden. Damit waren für die aktuelle Situation die Betriebsräte als Interessenvertreter der Beschäftigten schon einmal ausgeschaltet. Ein genialer Schachzug! Doch es kommt noch besser...

 

Den Beschäftigten wurde untersagt zu telefonieren, damit sie sich auch sonst keine Unterstützung organisieren konnten. Die eigentlich so selbstbewusste Belegschaft saß ohne Betriebsrat oder sonstige Unterstützung von außen in einem abgedunkelten Restaurant. Die perfekte Gelegenheit um diese renitente Bande da hin zu bekommen, wo sie im Interesse der Unternehmensprofite hin musste: zur Kündigung!

 

Nach dieser Vorbereitung war es ein Leichtes zu sagen: „Ihr habt alle geklaut, wir wissen das und haben euch gefilmt. Wir können alles beweisen und wenn ihr nicht freiwillig kündigt, zeigen wir euch an, schreiben euch ein schlechtes Zeugnis und ihr seid vorbestraft und bekommt nie wieder einen Job.“ Das war natürlich ein sehr direkter Angriff, darum hat unser bewundernswerter Preisträger das alte Prinzip von Zuckerbrot und Peitsche angewendet und weiter gesprochen: „Wer aber freiwillig kündigt, der bekommt noch die Kündigungsfrist lang seinen Lohn, bekommt ein gutes Zeugnis und hat sicher bald eine neue Stelle.“

 

Nun meine Damen und Herren, wer würde in einer solchen Situation nicht kündigen? Ich jedenfalls schon. Und immerhin 13 von 29 Arbeiter_innen haben das genauso getan.

 

Und da sehen sie, wie klug unser Preisträger gehandelt hat. In allem, von der Planung an bis zur Umsetzung an diesem Tag eine geniale Strategie!

 

Wir haben schon lange kein so wunderschönes Beispiel mehr gesehen, wie jemand mit solchem Geschick und solcher Kreativität die Interessen seines Unternehmens gegen die Profitverhinderer von Belegschaft und Betriebsrat durchgesetzt hat.

 

Deshalb verleihen wir heute und hier unseren Preis: „Die goldene Kamera für die herausragende Bekämpfung der Rechte von Arbeiter_innen!“

 

Doch wem verleihen wir diesen Preis nun, meine Damen und Herren? Wir haben selbst lange über diese Frage gestritten. Der Betriebsleiter, Herr Pantelis Markou erschien uns sinnvoll, doch ohne die Mitwirkung des Regionalleiters Herr Joachim Amend wäre auch er machtlos gewesen. Nun war der Regionalleiter eine Zeit lang unser Favorit, doch wir sahen: nur durch die Zusammenarbeit mit dem Konzernleiter Herrn Uwe Buescher konnte er seinen Beitrag leisten. Dann war Herr Buescher, der Vater des gesamten Unternehmens unser Favorit, doch wir sahen: das Unternehmen gehört ihm gar nicht, sondern mehrheitlich dem Hedgefonds ECM, der Equity Capital Management hier aus Frankfurt.

 

Daher haben wir uns entschlossen unseren Preis als Wanderpokal zu vergeben. Wir übergeben ihn hier und heute zunächst dem Betriebsleiter. Doch nach einer Weile sollte dieser ihn fairer Weise an den Regionalleiter weitergeben. Und dieser wiederum sollte den Konzernleiter Herrn Buescher nicht vergessen. Schließlich denken wir, dass Herrn Buescher ihn anständiger Weise an Herrn Christopher Lyons Peisch, den Mehrheitseigner der ECM weitergeben sollte. Und schließlich sollte er auch eine Weile in den Besitz der Anwälte Buse/Heberer/Fromm übergehen. Ohne deren Erfahrung in der Bekämpfung von Gewerkschaften hätten sich alle anderen sicher schwer getan.

 

Herr Markou, es ist mir eine besondere Ehre sie heute treffen zu dürfen. Übernehmen sie diesen wunderschönen Wanderpokal, die „Goldene Kamera für die herausragende Bekämpfung der Rechte von Arbeiter_innen“ und reichen sie ihn weiter, an alle die auch ihren Beitrag geleistet haben! Ihren Beitrag zur vorbildlichen Bekämpfung von Belegschaften und ihren Rechten. Ohne Menschen wie die Gruppe unserer Preisträger wäre unsere Wirtschaft sicher bald ernsthaft gefährdet! Auf dass wir alle weiter unser wunderschönes sorgenfreies Leben im Kapitalismus leben können!

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Diese Aktion war echt noch das beste an Bloccupy dachte ich mir, als ich die tolle Impro-darbietung sah, so etwas hätte mit der Masse an Menschen, die in Frankfurt waren,Zu dem Zeitpunkt leider schon zu 80% gekesselt, überall ablaufen sollen.Hätten die alle auch solchen kreativen Aktionismus an den Tag gelegt, anstatt "die Macht der Banken und Konzerne zu brechen", wäre das ganze vielleicht etwas vertretbarer geworden. 

 

Solidarische Grüße und macht mehr!

Kapitalistische Produktionsweise überwinden!