1.Mai 2009 in Berlin // Zusammenfassung

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Der 1.Mai 2009 liegt hinter Berlin und es gilt Bilanz zu ziehen, gab es auch dieses Mal wieder jede Menge Aktionen, die zum Teil erheblichen medialen Trouble produzierten.

Zunächst wäre da der Versuch einer Demonstration mit Straßenfest der Nationaldemokratischen Partei Deutschland in Berlin-Köpenick zu nennen, was die Antifa-Aktivisten zum Frühaufstehen und pünktlich um 10 Uhr bereitstehen im südöstlichen Bezirk animierte. Rund 3000 Gegendemonstranten versammelten sich hier schließlich um der NPD entgegen zu treten, die ihrerseits mit weniger als 300 Kameraden, darunter etliche Führungskader, von der Polizei gezwungen wurde das angemeldete Straßenfest auf dem Innenhof der Bundesparteizentrale abzuhalten. Antifaschisten blockierten derweil mehrstündig die nach Köpenick führende S-Bahnstrecke mit Sitzblockaden auf Bahnsteig und Gleisen des dortigen S-Bahnhofs, weshalb sich die Deutsche Bahn genötigt sah den Strom für die Strecke abzuschalten. Einer Person, die am Rande einer antifaschistischen Demonstration vom Balkon den Hitler-Gruß zeigte, wurde von Teilnehmern des Aufzugs Scheiben der Wohnung eingeschmissen, ehe die Person durch Polizeibeamte festgenommen wurde.

Auch um 10 Uhr begann die Demonstration der Gewerkschaften zu der laut Veranstalter über 20000 Personen, laut anderen Quellen gerade einmal 5000 Menschen, kamen. Die Demo startete am Wittenbergplatz in der City-West und zog von dort zum Brandenburger Tor, wo es für die organisierte Arbeitnehmerschaft die übliche Beschallung der Gewerkschaftsoberen und Bratwürste gab. Immer wieder wurde hier vor allem zum sozialen Frieden unter dem Motto "Arbeit für alle, bei fairem Lohn" aufgerufen. Wie weit es mit der Fairness in der kapitalistischen Gesellschaft allerdings ist, wo dank der Besitzverhältnisse die klare Mehrheit vom gesellschaftlichen Reichtum ausgeschlossen und so zur Lohnarbeit gezwungen ist, wusste auf dieser Demo so recht nur der von Linksradikalen organisierte Klassenkämpferische Block zu thematisieren. Dieser schob sich samt Lautsprecherwagen am Ende bis auf den Platz der Abschlusskundgebung, was ihm vom DGB im Vorfeld nicht gestattet wurde und sieht sich nun wohl einiger Repression gegenüber.

Unweit vom Brandenburger Tor sollte dann am frühen Nachmittag gegen 13.30 Uhr die MayDay-Parade beginnen, die mit Höchstmarke 4000 Teilnehmern erstaunlich schwach besucht war. Dieser Aufzug setzte sich dann auch erst recht spät gegen 16 Uhr in Bewegung nachdem auf dem Bebelplatz gegenüber der Humbold-Universität mit einem Auftaktkonzert begonnen wurde. Thematisiert wurde auf dieser Parade unter anderem die aktuelle Krise, Migrationspolitik und die anstehenden Bildungsproteste. Im Vorfeld musste das Bündnis eine Änderung der Route akzeptieren und durfte nicht durch die Friedrichstraße ziehen. Gegen das Bundesfinanzministerium gab es schließlich massiven Attacken mit Farbeinern, womit gegen den falschen Umgang mit der Finanz- und Wirtschaftskrise protestiert werden sollte. Die Parade endete am Moritzplatz nahe dem MyFest in Kreuzberg. Hier gab es ein Abschlusskonzert. Einige Teilnehmer kritisierten, dass die MayDay-Parade mehr wie eine Loveparade mit Transparenten hedonistischer Kleinbürger wirkte als wie eine politische Manifestation.

Zeitgleich zur MayDay-Parade fand in Kreuzberg die revolutionäre 1.Mai-Demonstration von autoritär-kommunistischen Gruppen der stalinistischen und maoistischen Linken statt, die mit nur 400 Teilnehmern einen im Vergleich zum Vorjahr erneuten Personenrückgang verzeichnete. Diese Demo zog traditionell durch die Oranienstraße und von dort nach Neukölln zum Hermannplatz um schließlich etwa 100 Meter südlich des Kottbusser Tors auf dem Kottbusser Damm zu enden.

Um 18 Uhr stand schließlich die Demonstration unter dem Motto "Kapitalismus ist Krieg und Krise!" an, die von einem breiten Bündnis autonomer, kommunistischer und anarchistischer Gruppen organisiert wurde. Auch schloss sich dieser Demo das Schülerbündnis Bildungsblockaden einreißen an, welches mit anderen Jugendgruppen den Frontblock orgnisierte. Nach einigen Rede- und Musikbeiträgen zog die Demo schließlich gegen 19 Uhr los und machte von Anfang an einen sehr offensiven Eindruck. Während die Polizei die Demo mit lediglich 5000 Teilnehmern bezifferte, ließen andere Quellen bis zu 15000 Personen verlautbaren.

Die Polizei war ihrerseits vor dem Aufzug stark präsent und filmte den Frontblock mit Kamerawagen ab, ehe sie erstmals auf Höhe der Kreuzung Mariannenstraße/Skalitzer Straße angegriffen wurde. Es folgte nun der Routenabschnitt durchs MyFest, auf welchem die Bühnen für diesen Moment aufhörten Musik zu spielen und die Demo grüßten. Nachdem die Demo in der Muskauer Straße das MyFest verlassen hatte, flogen wieder viele Steine und Flaschen auf die frontal zur Demo stehenden Einsatzhundertschaften, weshalb diese in die Demo stürmten und dabei etliche Leute verletzten. Was folgte war ein noch starkerer Flaschen- und Steinhagel auf die Beamten und es dauerte nun gut 5 Minuten ehe sich der Aufzug und die vorderen Reihen neu formiert hatten. Es schien, als wären an dieser Stelle große Teile der Strukturen weggebrochen.

Stockend und leicht desorientiert zog der Frontblock nun wieder los. Es ging über den Lausitzer Platz und dann zur Wiener Straße, wo die Demo eigentlich nach Neukölln abbiegen sollte. Es hatten sich im Laufe der Zeit allerdings derart viele Betrunkene und Krawallwütige in die Demonstration gemischt, dass der von Organisationsbündnis gefasste politische Charakter nur noch schwerlich vermittelt wurde und die Situation zunehmend unkontrollierbarer wurde, weshalb die Demonstrationsleitung in Absprache mit der Versammlungsbehörde eine Verkürzung der Route und den vorzeitigen Abbruch der Demo beschloss. Nun ging es wieder zur Skalitzer Straße und dann zurück zum Kottbusser Tor. In der Wiener Straße wurden noch einige Polizeifahrzeuge massiv beschädigt und es prasselten weiter Steine und Flaschen auf die anwesenden Hundertschaften. Als die Demo beendet wurde, griffen Polizeiangaben zur Folge rund 700 Personen die Polizei an, die im Bezirk mit 5000 Beamten im Einsatz war. Es folgten zum Teil schwere Straßenschlachten am Kottbusser Tor und der nördlich gelegenen Adalbertstraße, die erst ab etwa 0.30 Uhr ruhiger wurden.

Abschließend kann wohl festgehalten werden, dass sich trotz Krise insgesamt weniger Menschen an den Aktionen zum 1.Mai beteiligten, die traditionellen Berliner Mai-Krawalle allerdings seit Jahren der Ruhe zurückgekehrt sind. Insgesamt halten sich 289 festgenommene Personen und 273 verletzte Polizisten etwa die Waagschale, lassen allerdings deutlich werden, dass mit der Verdopplung dieser Zahlen im Vergleich zum Vorjahr in Berlin wieder eine höhere Stufe der Eskalation eingetreten ist.
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"Zeitgleich zur MayDay-Parade fand in Kreuzberg die revolutionäre 1.Mai-Demonstration von autoritär-kommunistischen Gruppen der stalinistischen und maoistischen Linken statt (...)"

 

worauf stüzt sich dieser Vorwurf?

 

Mit roten Grüßen

Es ist nicht sinnvoll die Zahlen der Polizei zu nutzen. Wenn es wie in Rostock beim G8 war, verbergen sich hinter 273 "Verletzten" maximal 5 Verletzte, die vielleicht etwas behandelt werden mussten. Schwerverletzte, also Menschen, die länger ins Krankenhaus mussten, gab es wohl keine, sonst hätte man wohl in den Medien was gelesen. Wenn wir Verletzte so zählen würden wie die Polizei, dann gab es am 1. Mai wahrscheinlich allein in Berlin über 1000, in Ulm weitere 500 und in D insgesamt wohl mehrere tausend. Noch dazu sind von den 273 wahrscheinlich 200 durch den Einsatz chemischer Waffen "verletzt" worden, die sie absichtlich gegen Menschen eingesetzt haben.

zuerst möchte ich mich dem anschlieszen, dass es äuszerst schlecht ist, die zahlen der bullen zu benutzen, die ihre eigenen verltzten zählen.

 

und dazu noch ein kommentar:

festgenommene demonstrierende und "randalierer" und verletzte polizist_innen in eine waagschale zu werfen halte ich für vollkommen falsch.

denn die folgen, die aufgrund einer festnahme meist folgen sind geldstrafen, gerichtskosten, ein groszer aufwand eines gerichtsverfahrens und vermutlich eine ED-behandlung, also die angst jederzeit identifiziert werden zu können, wenn die bullen nur einen fingerabdruck von dir haben.

 

die folgen einer "verletzung" bei einer/m polizeibeamt_in/en sind meistens wiederrum gering.

1. ist der job bei der polizei bezahlt und der wird sich ausgesucht.

2. ist das risiko, verletzt zu werden, ist geplant und allen beamt_innen bewusst.

3. als vertreter_innen der staatsgewalt sind polizist_innen oft zurecht das ziel von ausschreitungen.

 

also bitte ich darum, menschen, die ihrer wut luft machen, ob nun "unpolitisch" (ob es eine unpolitische randale gibt, steht noch zu  diskussion)

oder klar politisch und gezielt und polizist_innen während der ausbung ihrer jobs nicht in eine waagschale zu werfen.

 

libertäre grüsze