Lübeck - Steinewürfe und Straßenblockaden: Mehrere Stunden hielten Autonome die Polizei in Atem.
Der
Morgen danach ist absolut friedlich an der „Alternative“ auf der
Wallhalbinsel. Nichts erinnert mehr daran, dass sich dort in der Nacht
zu Mittwoch autonome Krawallmacher und Polizisten in Schutzmontur
gegenüberstanden. Nur zwei Mülltonnen von der Straßenblockade, besprüht
mit „ACAB“ („All Cops are Bastards“; Englisch für „Alle Polizisten sind
Bastarde“), stehen noch unter den Bögen der Musik- und Kongresshalle.
Um 1.50 Uhr herrschte Ausnahmezustand an der Willy-Brandt-Allee. Die 15 bis 20 Randalierer rollten Müllcontainer auf die Straße, bewarfen zivile Polizei-Aufklärungsfahrzeuge mit Steinen und verbarrikadierten sich mit Glascontainern hinter der Eingangspforte der „Alternative“. Durch die Fenster blendeten die Schwarzgekleideten die Beamten mit starken Scheinwerfern, aus dem Inneren des Kulturzentrums dröhnte ab etwa 3.20 Uhr laute Musik.
„Es ist dem beherzten Engagement des Revierleiters zu verdanken, dass nichts Schlimmeres passiert ist“, sagt Innensenator Bernd Möller (Grüne). Durch ein deeskalierendes Gespräch mit den Randalierern konnte der Chef der Mengwache gegen 3.50 Uhr die Lage beruhigen. „Die möglichen Folgen wurden in einer Gefährdeansprache erörtert“, sagt Behördensprecher Stefan Muhtz. Seitens der Krawallbereiten sei dann die Aussage gekommen, keine weiteren Aktionen durchzuführen. Die 52 Beamten aus Lübeck, Stormarn und Ostholstein rückten wieder ab, blieben die Nacht über allerdings in Alarmbereitschaft.
Die Krawallnacht hatte um 22.10 Uhr in der Beckergrube ihren Anfang genommen. Passanten meldeten der Polizei eine verdächtige Gruppe von 50 bis 60 Personen, die die Straße mit Transparenten, Sprechchören und bengalischen Feuern hinaufzog. Offenbar planten sie eine spätabendliche Demonstration anlässlich des Weltkriegsendes am 8. Mai 1945. „Nach einer friedlichen Kundgebung sah es allerdings nicht aus“, so Muhtz. An der Spitze liefen etwa 25 mit Kappen, Sturmhauben und Sonnenbrillen vermummte Personen. Als der Polizeieinsatzleiter die Teilnehmer in der oberen Beckergrube ansprechen wollte, „wurden Böller in Geschäftseingänge und gegen Schaufensterscheiben sowie in Richtung der Beamten geworfen“, sagt der Polizeisprecher. Außerdem zündeten sie bengalische Feuer.
Richtig eskalierte die Situation anschließend in der Fußgängerzone. Dort stoppten vier Streifenwagen die Gruppe, 30 Vermummte griffen daraufhin die aussteigenden Beamten an – mit Anrennen und Faustschlägen wollten sie sich ihren Weg bahnen. Die Ordnungshüter mussten Schlagstöcke und Pfefferspray einsetzen, fünf Personen nahmen sie vor Ort fest. Weitere 16 Gewaltbereite stellte die Polizei unter anderem in der Beckergrube. Auch der nach Hause radelnde Innensenator Bernd Möller geriet in den Trubel. „Ich dachte zuerst, hier sei eine Razzia im Gange.“
Die meisten Festgenommenen kamen erst gestern Morgen wieder frei. Gegen fünf Chaoten wird nun wegen Landfriedensbruch und Verstößen gegen das Sprengstoff- und Waffengesetz sowie das Versammlungsgesetz ermittelt.
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