Bereits den zweiten Tag in Folge kommt es in der nordalgerischen Universitätsstadt Tiaret zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen Jugendlichen und den "Sicherheitskräften". Auslöser ist der Tod eines 22jährigen Strassenhändlers, der sich aus Protest gegen die Schikanen der örtlichen Polizei selbst in Brand gesetzt hatte.
Bereits unmittelbar, nachdem die Nachricht von der Tat die Runde machte, versammelten sich Gruppen von Anwohnern, Jugendliche errichteten Barrikaden, es kam zu ersten Zusammenstössen mit den herbeieilenden Bullen.
Der junge Mann erlag im Krankenhaus seinen schweren Verletzungen, seine Beerdigung wurde zu einer politischen Demonstration gegen die korrupten örtlichen Behörden und gegen die allgemeine Trostlosigkeit der sozialen Situation.
Im Anschluss an die Beerdingung kam es zu heftigen Zusammenstössen mit den Bullen, die bis in die Nacht andauerten. Mehrere Bullen wurden dabei verletzt, es entstand hoher Sachschaden an Banken und öffentlichen Gebäuden.
Die neuen Unruhen in Tiarat stehen in einer ganzen Reihe von auflodernden Protesten und Unruhen.
Am bekanntesten wurden die Unruhen in der 400.000 Einwohner zählenden Stadt Laghouat, die sich an der Frage der Verteilung von Sozialwohnungen entzündeten und am 11. Januar diese Jahres begannen und dann über mehrere Tage andauerten
Aber auch in Ouargla und in Skikda kam es zu Krawallen, welche sich an Konflikten um Wohnraum entzündet hatten, ebenso wie in einem Vorort der Hauptstadt Algier.
Die Situation in Algerien nach Beginn des "arab uprising" im Nachbarland Tunesien blieb bisher relativ ruhig.
Proteste in der Hauptstadt Algier im Zeitraum des Jahreswechsel 2010/2011, initiert von Menschenrechtsgruppen und "bürgerlicher" Opposition, wurden von einem riesigen Bullenaufgebot erstickt, ohne das dieses dafür massive Gewalt anwenden musste.
Aufkeimende Krawalle und soziale Protesten in anderen Teilen des Landes bleiben das Jahr 2011 über örtlich isoliert.
Ob die derzeitigen Proteste und Auseinandersetzungen ein anderes, neues Niveau erreichen, oder ob die Traumatisierung und Lähmung in der Gesellchaft, die aus dem Bürgerkrieg in den 90igern zwischen Regierung und Islamisten resultiert, und in dem weit über 100.000 Menschen starben, weiter anhält, kann derzeit nicht beurteilt werden.
Frankophone Medien jedenfalls sprechen von "der Ruhe vor dem Sturm" in Algerien
recherchegruppe aufstand
Es geht nicht nur um ein Land
Dieser Aufstand findet nicht bloss deswegen statt weil staatliche Kontrolle die nichtkommerzielle Nutzung öffentlichen Raums behindert, sondern weil sie auch seine kommerzielle Nutzung unmöglich macht - nicht die durch die Konzerne sondern diejenige derer die am krassesten von jenen abhängig sind. Die politische Repression ist so übel dass sie erst dann zum öffentlichen Thema werden kann wenn sie sich als Arbeitnehmerrepression fortsetzt, dann aber gleich auf die allereindrücklichste Weise als in der Scheinselbständigkeit an sich selbst zu vollziehende Schrecklichkeit. Neu gegenüber Mohamed Bouazizi ist dass jetzt nicht mehr nur der Handel mit Pflanzen betroffen ist sondern auch der mit Plastikramsch. Weil das System die ausserkapitalistische Opposition nicht zerstören kann zerstört es sich selbst. Für einzelne Menschen bedeutet das dass sie den Platz verlieren können an dem sie sich vor jeder Verfolgung als Opposition sicher fühlten, mit den ersichtlichen Folgen. Ohne Panzergeschäfte und andere NATO-Verbrechen könnte Hichem Gacem noch am Leben sein.