Anfang letzten Jahres bestimmten die Massenproteste gegen die explosionsartig gestiegenen Nahrungsmittelpreise in Haiti, Ägypten, Bangladesh und anderen Ländern mehrere Wochen die Schlagzeilen der Nachrichten. Die sich anschließende weltweite Debatte brachte eine Vielzahl von Erklärungsversuchen, Schuldzuweisungen und Lösungsvorschlägen hervor, die größtenteils von eigentlichen Problemlagen ablenkten.
Das Welternährungsprogramm der UN geht davon aus, dass durch die Krise mindestens 100 Millionen Menschen zusätzlich zu den weltweit schon über 850 Millionen von akutem Hunger bedroht sind.
Als Gründe für die Ernährungskrise wurden vor allem weltweite Ernteausfälle aufgrund von Dürren, der Lebensstil und Konsumwandel in den aufstrebenden Schwellenländern, der rasant ansteigende Anbau von Energiepflanzen für Agrotreibstoffe und die Preisspekulationen mit Agrarrohstoffen auf den Finanzmärkten genannt. Während Politiker, Experten und Medienvertreter noch ausgiebig streiten, welchen Beitrag die einzelnen Entwicklungen zur Ernährungskrise leisten, wird ignoriert, dass der Ursprung des Übels in der völlig verfehlten Agrar- und Handelspolitik der letzten Jahrzehnte liegt.
Jahrelang haben der IWF und die Weltbank im Zuge der neoliberalen Wirtschaftsneuordnung mit so genannten „Strukturanpassungsmaßnahmen" dafür gesorgt, dass die Länderdes Südens ihre landwirtschaftliche Produktion zunehmend auf den Export ausrichteten und damit die eigene Nahrungsmittelversorgung vernachlässigt wurde. Zudem wurden sie gezwungen, ihre Märkte für den internationalen Handel zu öffnen. Vielfach zerstörten Dumpingimporte von Nahrungsmitteln aus den reichen Ländern die lokale Produktion, weil die Kleinbauern mit den Niedrigpreisen nicht konkurrieren konnten. Als Resultat wurden viele Länder zunehmend abhängig von Nahrungsmittelimporten und damit anfällig für Preisschwankungen auf dem Weltmarkt.
Ein genauerer Blick auf die „erkannten" Gründe der Nahrungskrise zeigt, dass diese entweder hausgemacht sind oder als Ausrede missbraucht werden. Ernteausfälle werden im Zuge des von Menschen gemachten Klimawandels keine Einzelfälle bleiben. Der absurde Agrotreibstoff-Boom wird von Politik und Industrie aus der EU und den USA weiter angetrieben - damit nimmt die Flächenkonkurrenz zwischen Nahrungsmittel- und Energiepflanzen zu. Der entfesselte Finanzkapitalismus macht es möglich, dass z.B. die Deutsche Bank für spekulative Fonds auf ansteigende Agrarrohstoffe werben kann. Und wer meint, die Schuldigen der Krise in China und Indien gefunden zu haben, ignoriert, dass der Flächen fressende Fleischkonsum dort zwar angestiegen ist, aber pro Kopf immer noch deutlich niedriger liegt als in den USA und der EU.
Die Brisanz der Krise und das breite Interesse in der Öffentlichkeit bergen allen üblichen Ausflüchten zum Trotz eine gute Chance, für eine ganz andere Landwirtschaft zu streiten und zu kämpfen. Eine nachhaltige bäuerliche Landwirtschaft könnte die Welt ernähren kann, wenn man sie nur ließe. Die Voraussetzung dafür ist Ernährungssouveränität. Ernährungssouveränität steht für eine Landwirtschaft, die sich an den Bedürfnissen der Menschen orientiert, die Lebensmittel benötigen, erzeugen und verteilen. Ernährungssouveränität setzt dabei auf den Vorrang des regionalen Marktes und die Versorgung der heimischen Bevölkerung. Anstelle von Monokulturen und Mega-Agrarfarmen tritt eine sozial- und umweltverträgliche Landwirtschaft. Die Privatisierung von Saatgut, Wasser und Boden soll der gemeinschaftlichen Kontrolle dieser Produktionsmittel weichen. Außerdem steht Ernährungssouveränität für das Recht jeder Gemeinschaft, ihre Landwirtschaft zu schützen und zu unterstützen.
Ort: Gemeindesaal Lukasgemeinde - Am Mettweg 39, 79111 Freiburg - St. Georgen, VAG: Bus Nr. 11, Haltestelle Kappelenwinkel
Mit: Timo Kaphengst, Mitglied des Attac Agrarnetzes, Arbeitsschwerpunkte: Bioenergiepolitik der Europäischen Union Landwirtschaft und Nutzung natürlicher Ressourcen Erneuerbare Energie
Zum Thema Gentechnik aus dem freien RadioNetz
Erfahrungsbericht von Greg Massa, Kalifornischer Reisbauer und Gentechnik-Kritiker:
Greg Massa ist Farmer in Kalifornien. Neben braunem Reis baut er Weizen und Mandeln an und vermarktet seine Produkte unter dem Namen »Massa organics«.
Greg Massa ist Präsident der Reis-Bauern in Kalifornien (Rice Producers of California, RPC). Er berichtet von den Auswirkungen des Gentechnik-Reisskandals 2006 und den Folgen für die amerikanischen Farmer. Beim erfolgreichen Widerstand der Kalifornischen Reisbauern gegen Freisetzungsversuche und dem großflächigen Anbau von gentechnisch verändertem Reis, spielten die Reis-Bauern in Kalifornien eine wesentliche Schlüsselrolle.
Der Vortrag wurde am 09.02.09 in Groitzsch bei Meißen in Sachsen gehalten.
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