Ursache und Wirkung

Erstveröffentlicht: 
12.01.2012

12.01.2012 / Sport / Seite 16

Was geschah beim Hallenfußballturnier?FC St. Pauli korrigiert die Polizei

 

Von Mirko Knoche

 

Den Braun-Weißen wird es zu bunt. Die Vereinsspitze des FC St. Pauli trifft sich am heutigen Donnerstag mit dem Hamburger Innensenator Michael Neumann (SPD) und der Polizeiführung. Dann werden harsche Worte fallen, denn der Fußballklub ist reichlich verärgert über einen Knüppel­einsatz gegen seine Fans während eines Hallenturniers am vergangenen Freitag. Dabei wurden auch der Sicherheitschef der Paulianer, Sven Brux, und ein Aufsichtsratsmitglied in Mitleidenschaft gezogen. Außerdem wehrt sich der Verein gegen Schuldzuweisungen, die eigenen Anhänger hätten die Prügelorgie ausgelöst.

Was war geschehen? Beim traditionsreichen Turnier in der Alsterdorfer Sporthalle waren Fans des VfB Lübeck und des FC St. Pauli aneinandergeraten. Polizisten griffen ein, Schlagstöcke gingen auf die Zuschauer nieder, Pfefferspray waberte durch die Luft. Die Bilanz der Polizei: mindestens 90 Verletzte und 74 Gewahrsamsnahmen, davon 72 Pauli-Anhänger, sowie zwei Festnahmen. Soviel ist unbestritten. Doch über den Verlauf der Ereignisse gibt es gegensätzliche Darstellungen.

Nach Aussage der Polizei hätten die verfeindeten Fanlager bereits während der Anreise »hohe Aggressivität und Gewaltbereitschaft« gezeigt. Die Pauli-Anhänger hätten pyrotechnische Gegenstände gezündet, die Lübecker beim Einlaß die Ordner angegriffen. Dann suchten »beide Seiten« laut Polizei die Konfrontation, wobei »weitere Ausschreitungen« durch »konsequentes Einscheiten der Polizeibeamten« verhindert worden sei.«

Am Montag traten der Präsident des FC St. Pauli, Stefan Ohrt, und Sicherheitschef Sven Brux auf einer Pressekonferenz an die Öffentlichkeit. Man habe sich Zeit gelassen, um ein differenziertes Bild liefern zu können. Präsident Ohrt verurteilte »Notwehrexzesse«, betonte aber: »Ich stehe schützend vor meinem Verein und unseren Fans.« Er verwahrte sich dagegen, »Ursache und Wirkung zu verwechseln« und forderte eine »lückenlose Aufklärung durch die öffentliche Hand«. Ohrt kritisierte die Polizei. Die ließ nach seiner Aussage »gewalttätige Fans von Lübeck und anderen Vereinen gewähren«. Der FC St. Pauli könne und werde sich »nicht alles gefallen lassen«, so der Clubpräsident. Die Linksfrak­tion in der Hamburgischen Bürgerschaft hat am Dienstag eine kleine Anfrage zum Thema an den Senat gestellt. Darüber hinaus hat ihre innenpolitische Sprecherin Christiane Schneider Anzeige erstattet gegen eine unbekannte Person im Lübecker Block, die, wie auf einem Foto des NDR festgehalten, den Hitlergruß zeigt.

In der Darstellung von Paulis Sicherheitschef Brux seien Anhänger des VfB Lübeck, mutmaßlich unterstützt durch HSV-Fans, ungehindert in den Block der Paulianer gestürmt, hätten um sich geschlagen und mehrere Banner entwendet. Dagegen hätten sich mehrere Pauli-Supporter körperlich gewehrt. Die Polizei habe Reizgas und Schlagstöcke gegen Unbeteiligte im Hamburger Block eingesetzt, so Brux. Bereits zuvor sei es zu verbalen Provokationen durch die Lübecker gekommen, Worte wie »Schwule, Schwule«, »Judenkinder« und »Zick, Zack, Zigeunerpack« seien gefallen. Der Vorsitzende des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma, Romani Rose, hat deshalb am gestrigen Mittwoch Strafantrag gestellt.

Die Beamten hätten zuvor lediglich im und um die St. Pauli-Anhänger Stellung bezogen, sowie auf deren Seite an einer Absperrung zu den Gästen aus der Ostseestadt im Toilettenbereich. Nach gegenseitigen Beleidigungen der Fußballfans sei die Polizei dort nach Aussage von Sicherheitschef Brux unvermittelt auf die Hamburger losgestürmt, habe einen 20jährigen bewußtlos geschlagen und gegen alle Anwesenden Knüppel und Pfefferspray verwandt. Schließlich habe das Rote Kreuz mit später hinzugerufenen Feuerwehr-Sanitätern ein provisorisches Lazarett für die vielen Verletzten einrichten müssen. Erst zu diesem Zeitpunkt und nach dem Verlassen der Halle, so Brux, hätten einige St.-Pauli-Fans versucht, die VfB-Anhänger anzugreifen, seien aber von Polizisten gestoppt worden.

So hätten unter den Augen und Ohren der Polizei Angriffe »auf die Menschenwürde und auf das Zusammenleben in einer offenen Gesellschaft« stattgefunden. »Und dann will die Polizei nach Auskunft des Leiters der Zentral­direktion nichts gesehen und nichts gehört haben? Und das in einer Zeit, in der eine jahrelange Mordserie mit neonazistischem und rassistischem Hintergrund die Sinne auch und gerade der Polizei schärfen sollte!«

Die Führung des FC St. Pauli räumte aber mit dem Mythos auf, seine Supporter seien durch die Bank friedlich. Dabei fand der Sicherheitsverantwortliche des Vereins ungewöhnlich offene Worte. Wer sich wie die Fans des Kiezklubs gegen Rassismus einsetze, müsse sich dafür »gerade machen« und das in die »Realität umsetzen«. Wenn ein Nazi Sprüche abließe, müsse er das »Gefühl haben, daß ihm das gesundheitlich nicht gut tut.«

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Tut mir leid fuer das Crossposting , aber die offenen Worte sind in Freiburg so wichtig, wie in Hamburg, Stuttgart oder Berlim

Du brauchst dich nicht für Crosspostings entschuldigen, aber bitte stell sie ins Pressearchiv - genau dafür ist es da. Ich habe den Artikel dorthin geschoben und deine Einleitung als Kommentar angefügt.