Polizei setzt Naziaufmarsch in Kalk durch

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Am Samstag, den 10.12., marschierten 50 Nazis aus Köln und Umgebung gegen „Polizeirepression und Medienhetze“ durch das Kölner „Szeneviertel“ Kalk. Circa 600 AntifaschistInnen stellten sich diesem Vorhaben entgegen; doch das massive Polizeiaufgebot riegelte die Naziroute hermetisch ab und setze deren Aufmarsch teilweise brutal durch.

 

Nazis in Kalk? Heißes Eisen, damals wie heute

 

Der Vorstoß der Kölner Nazis nach Kalk war mit einer besonderen – geschichtlich sowie aktuell tagespolitisch – Brisanz verbunden.

 

Der letzte Aufmarsch vom prominentesten Kölner Nazi-Kader Axel Reitz und Konsroten liegt 7 Jahre zurück; bereits 2004 trauten sich die Nazis „gegen Multikultigesellschaft“ nach Köln-Kalk, das durch seinen hohen Anteil an Menschen mit Migrationshintergrund und dem Ruf eines tradtionellen ArbeiterInnenviertels schon immer ein Dorn im Auge der Nazis dieser Region war. Dieser letzte Versuch von 2004 entwickelte sich aufgrund des breiten Protests mit Blockaden sowie vereinzelten Angriffen auf die Demo zu einem peinlichen Spießrutenlauf, der die Frequenz an öffentlichen Nazi-Auftritten in Köln zunehmend dezemierte.

 

Der gestrige Aufmarsch in Köln ist seit dem Skandal um Verfassungsschutz und dessen buchstäbliche Schützenhilfe für den NSU der erste, der sich auf selbigen bezog. Axel Reitz hatte nach Recherchen von bürgerlichen Presse- und Meidenorganen Kontakte sowohl zum sog. „Zwickauer Terror Trio“ selbst als auch zu mutmaßlichen, nun inhaftierten Mitgliedern und Unterstützern des NSU. Neuesten Erkenntnissen zufolge sollen die Anschläge des NSU, wovon einer 2004 im ebenfalls migrantisch geprägten Köln-Mülheim stattfand, nicht ohne Kontakt, Vorbereitung und Kooperation mit den lokalen Nazis möglich gewesen sein.

 

Weiteres zur Kölner Naziszene und dem Kontakt zum NSU:

PM im Vorfeld des AufmarschesRadiointerview mit dem Antifa AK Köln

 

Gelaufen, und dennoch nichts gewonnen

 

Die Nazis planten den Beginn ihres Aufmarsches für 12:00 Uhr, die antifaschistische Mobilisierung rief für 10 Uhr zum zentralen Platz in Kalk, Kalk Post, auf. Bereits ab 8:30 Uhr sperrte die Polizei teilweise viel befahrenen, zentralen Knotenpunkte in und um Kalk komplett ab. Mit Sperrgittern sicherten sie die kurze Aufmarschroute der Nazis hermetisch ab, die Pufferzonen mit weiteren Sperren und weiteren Beamten erschwerten jeglichen Zugang auf die Route enorm.

Nazis

 

Etwas verspätet und unter lautstarkem Protest von AntfaschistInnen an den Absperrgittern begann die Startkundgebung der Nazis an der Kalker S-Bahnstation, Köln-Trimbornstraße. Von dieser führen die Straßen ins Wohngebiet mit einem sehr hohen Anteil an Menschen mit Migrationshintergrund. Viele AnwohnerInnen und KalkerInnen empfanden dies als besondere Provokation und schlossen sich daher dem antifaschistischem Protest an. Doch egal an welchem Polizeigitter man stand, viele Antifas und auch AnwohnerInnen fragten sich: „Wo stehen die Schweine denn?“, denn die Polizei versperrte fast überall sogar den Sichtkontakt.

Bullen

 

Unter einem gigantischen Kessel lief der kleine braune Haufen dann ihre kurze Strecke los. An einer Absperrung griffen GegendemonstrantInnen den Aufmarsch mit Gemüse und Böllern an; einigen gelang es, die Polizeikette kurzzeitig zu durchbrechen. Doch die Staatsmacht reagierte sofort mit flächendeckendem Einsatz von Pfefferspray und Schlagstöcken, um den Aufmarsch der nationalen Sozialisten weiter zu sichern. Es gab einige leichtverletzte AntifaschsitInnen und eine Festnahme.

 

Nach bereits 15 Minuten „Marsch“ erreichten die Nazis ihren Abschlusskundgebungsort, das Kölner Polizeipräsidium. Ebenfalls unter lautstarken, antifaschistischen Parolen, hielten sie ihre Redebeiträge ab. Axel Reitz distanzierte sich dabei von „kriminellen Elementen“ des NSU, doch seine Erklärungsnot lässt nur wenig an den Verbindungen zwischen ihm und derselbigen zweifeln. Der aus Hamburg angereiste, ebenfalss prominente Freie-Kameradschafts-Haudegen Christian Worch kündigte an, gegen anstehende Gesetzesentwürfe in Norddeutschland (er erwähnte explizit Bremen) energischen, nationalsozialistischen Protest vorzubereiten.

50 Nazis

 

Nachdem die Nazis aus Kalk weggekarrt wurden, machten sie noch – scheinbar betrübt über das Häufchen Elend, was sie in Kalk abgegeben haben – Furore am Kölner Hauptbahnhof. Einige von ihnen sammelten sich zu einer Spontandemo auf der Domplatte, doch über die Infostrukturen wussten die GegendemonstrantInnen schnell bescheid, einige waren nun ebenfalls am Hauptbahnhof. Scheinbar hatte die Kölner Polizei für heute genug von Nazis Beschürzen und wollte zudem eventuelle Auseinandersetzungen im Herzen Kölns – zu dieser Zeit voller TouristInnen – vermeiden. Die Sponti kam nicht weit, die letzten Nazis wurden nun endgültig nach Hause gekarrt. Als sich dabei ein Antifaschsit selbst überzeugen wollte, ob die Nazis wirklich am Gleis stehen und nicht doch noch durch die Innenstadt irren, quittierte dies die Polizei mit Schlägen und Tritten und beförderte den Antifaschisten ins Krankenhaus.

 

Fazit und Blick nach vorne

 

Anna Müller, Sprecherin des Antifa AK Köln, zeigte sich zufrieden mit der Mobilisierung und dem Protest im Rahmen seiner Möglichkeiten. Für die Nazis sei das Ganze wieder einmal ein Reinfall gewesen:

 

„Für 5 Tage Mobizeit sind 600 AntifaschistInnen sehr zufriedenstellend. Zudem erreichten wir auch einige Kalker AnwohnerInnen, die sich uns anschlossen – das war uns sehr wichtig. Die Nazis haben es nach 7 Jahren wieder versucht. Und trotz des Einflusses lokaler Nazikader wie Breuer und Reitz sowie überregionaler Größen wie Worch sind nur 50 Nazis dem Aufurf gefolgt. Sehr peinlich. »Wichtige« Nazistrukuren aus NRW waren gar nicht vertreten.“

 

Gleichzeitig übt Müller scharfe Kritik an der Polizei:

 

„In solch einer Situation, ich meine den öffentlichwirksamen Diskurs über NSU und der Verstrickung des Staates, ist das brutale Durchsetzen eines Naziaufmarschs besonders makaber. Da bleibt uns nur zu sagen: Ob vor oder nach der „Erkenntnis“ NSU – deutsche Polizisten schützen die Faschisten!“.

 

Dieser Themenkomplex von Nazis und Staat genießt in Köln momentan Kontinuität: unter dem Motto „Rosen auf dem Weg gestreut. Gegen Faschismus, Rassismus und Verfassungsschutz“ruft ein Bündnis linker und antifaschistischer Gruppen für den 17.12. zu einer Demo in Köln-Mülheim, dem Ort des NSU-Bombenanschlags 2004, auf.

Weitere Infos: no-racism.de | antifa-koeln.net | vs-aufloesen.de

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