Eine Bombe unterwegs zu Ackermann, Absender ist mal wieder die "Federazione Anarchica Informale". Außer Marc-Uwe Klingt1 wird sich wohl niemand gefreut haben. Der Spiegel schreibt, dass außer den polizeilichen Misserfolgen "nichts für Verschwörungstheorien" spricht, und ist damit im Gegensatz zur Taz sogar noch auf der Höhe der Zeit. Die Taz schafft es als linke Tageszeitung nicht einmal auf die Debatte um die FAI einzugehen, die innerhalb linksradikaler Kreise nicht einmal Kontrovers ist. Von älteren linksunten Artikeln über Briefbomben2, über anarchistische Blogs3 bis hin zu den bekannten und aktiven Anarchist_innen in Winterthur (LAW)4 sprechen sich alle gegen die Attentate aus. Es richt nach Staatsaktionen
I. Der Grund
Warum es nicht der gängigen anarchistischen Praxis entspricht, Bomben an Funktionsträger_innen zu verschicken, soll hier nicht erörtert werden. Es sei erwähnt dass Formulierungen wie die im Bekenner_innenschreiben der "Federazione Anarchica Informale" "keine Angst haben, eine Sekretärin zu verletzen, wenn es darum geht, den Chef umzubringen"5 nicht auf eine freiheitliche Gesinnung schließen lassen. Wichtig ist an dieser Stelle auch der Name dieser Informellen: die von ihnen genutzte Abkürzung FAI ist zufälligerweiße auch der Name einer der größten Anarchistischen Föderationen. Nicht gerade sehr solidarisch mit seinen Aktionsformen seit Jahrzehnten legal aktive Genoss_innen in Bedrängnis zu bringen. Diese Liste ist hier noch lange nicht am Ende. Es empfehlen sich die Texte, die am Ende zu diesen Thema verlinkt sind. Der Grund für den Text ist die Hoffnung, durch geeignete Werkzeuge und ein entschlossenes Vorgehen den Aktionen unter falscher Flagge ihre Gefährlichkeit für unsere Strukturen nehmen zu können.
II. Der Umgang
Es geht also nicht um die Frage ob die FAI staatliche Provokateure sind oder nicht. Mag auch noch so viel auf einen Einsatz unter falscher Flagge staatlicherseits hindeuten. Der Staat nutzt diese Möglichkeit so gerne, gerade weil wir es kaum beweisen können. Anstatt also ewig die paar Indizien neu zusammenzustellen, scheint mir etwas anderes wichtiger zu sein. Einen Umgang mit (scheinbar staatlichen) Einsätzen unter falscher Flagge zu schaffen, der nicht übergeht in eine Denunziation militanter Genoss_innen. Dazu sollten wir zwei Schritte gehen
1. Die Trennlinie
Es ist, wie bereits erwähnt, fasst unmöglich staatliche Provokateure zu enttarnen. Aber unter falscher Flagge ist jede Aktionsform, die mit libertären bzw. linksradikalen Inhalten nicht vereinbar ist, egal ob vom Staat oder von Menschen verübt, die keine Anarchist_innen sind, aber Label, Symbole und Gestus von Genoss_innen übernehmen. Hier soll es um die Werkzeuge gehen, um eine solche Trennlinie zu zeichnen, immer im Bewusstsein: Grenzen sind flüssig, es gibt Grauzonen und Streitareale. Obwohl die Ablehnung der Moral innerhalb der radikalen Linken eine philosophische Errungenschaft ist, welche nicht aufgegeben werden sollte, kann es eine solche Trennlinie geben. Zwar gibt es kein für immer gültiges Gesetze, wie z.B. "Niemals und unter keinen Umständen ist Mord legitim", aber das ist weit entfernt von einem nihilistischen "Alles ist erlaubt". Die Wahrung von Mittel und Zweck, die Notwendigkeit einer drastischen Aktionsform, die Nicht-delegation von gefährlichen Aktionen, die strukturelle Gewalt des Systems in Abgrenzung zur individuellen Verantwortung sind allesamt Messinstrumente, an denen wir militante Aktionsformen messen können. Jede Aktion der FAI fällt in jedem dieser Zusammenhänge durch. Die Bomben stehen nicht nur in keinem Verhältnis zum Zweck, sie scheinen zwecklos zu sein, wird von der Verbreitung von Angst abgesehen. Angst wiederum ist kein Mittel zur Emanzipation, sondern ihr glattes Gegenteil. Ohne Zweck ist auch die Notwendigkeit dieser drastischen Aktionsform (Bombe) nicht zu erklären. Und so weiter...
2. Die Distanzierung
Sind wir an dem Punkt das wir Aktionskonzepte wie die der FAI verwerfen, muss sich distanziert werden. Alle Gruppen der radikalen Linken, welche eine Veröffentlichung zu der FAI gemacht haben, sind zum gleichen Schluss gekommen. Wie immer überraschen die bürgerlichen Medien wenig mit ihrem Urteil, dass "[f]ür die Authentizität der FAI nicht zuletzt [spricht], dass sie immer wieder niederschwellige Anschlagsziele wählte, die kaum geeignet waren, die weltweite oder auch nur die nationale Aufmerksamkeit zu erregen - und die nur in der Logik der Gruppe Sinn hatten." spiegel.de. Nicht, dass wir soviel dementieren können, um Spiegel, Taz & co zu einem differenzierten Umgang mit dem Thema zwingen zu können. Aber es gibt durch die guten Artikel, die es schon zu dem Thema gibt, bereits Teilerfolge: "Viele Aktivisten auch der radikalen, der "antagonistischen" Linken in Italien halten die FAI für eine von Geheimdiensten gesteuerte Truppe von "Provokateuren", und die "echte" FAI - die seit Jahrzehnten aktive "Italienische Anarchistische Föderation" - beklagt sich, die "informelle" FAI sei nur aktiv, um den Anarchismus in den Schmutz zu ziehen und zu diskreditieren." spiegel.de
III. Die Folgen
Warum nochmal betonen, was alle Genoss_innen bisher sowieso gemacht haben? Die NSU hat den Focus auf die Unmenschlichkeit des Faschismus gerichtet. Aber die Aufmerksamkeitsspanne der Massenmedien ist kurz. Diesem gezielten Versuch, dem Anti-Humanismus der NSU ein linkes Pendant entgegenzustellen, darf es nicht noch leichter gemacht werden durch "ja aber..."-Statements aus der radikalen Linken. Aktionsformen wie Briefbomben sind keine Aktionsform einer emanzipatorischen Bewegung. Wenn wir das geschlossen kommunzieren, können wir dem Flächenbrand, den Spiegel, Taz & Co vielleicht bald entzünden werden, entgegentreten.
Fußnoten:
1 http://www.youtube.com/watch?v=NbyxdKKEhQk
2 http://linksunten.indymedia.org/de/node/51685
3 http://afunke.blogsport.de/2011/12/09/wieder-anarchisten-wieder-briefbomben-wieder-die-informelle-anarchistische-foederation/
4 http://linksunten.indymedia.org/node/31134
5 zitiert nach spiegel.de
Kritik
Also die FAI und ihre Praxis zu kritisieren ist durchaus angebracht aber dieser Text ist einfach das Allerletze. Was soll bitte dieser ganze Verschwörungsscheiß. Die FAI hat sonst auch auch schon den ein oder anderen Text geschrieben an dem Mensch als Genossin kritik üben kann oder sich darauf beziehen aber irgendwelche Medien-Hetze als Referenzen zu nehmen ist einfach nur schwach. Und das gejammer der FAI(a-Föderation-Italien) ist wohl auch eher ein Witz immerhin müssen die sich nun wirklich keine Sorgen machen für irgendwas verdächtigt zu werden...
Hier ein paar Texte aus debaten rund um die FAI, denn die und ihre Praxis existieren ja auch nicht erst seit gestern:
Kritik an dem Konzept und der Praxis der FAI (weltweit):
http://andiewaisendesexistierenden.noblogs.org/post/2011/04/04/einige-ge...
http://andiewaisendesexistierenden.noblogs.org/post/2011/12/05/brief-an-...
von und über die (Italienischen Zellen der) FAI(informelle):
325.nostate.net/library/escalation1.pdf
http://325.nostate.net/?p=3015
Kritik der Kritik
Ich habe gerade versucht den Begriff unter falscher Flagge nicht auf staatliche Aktionen zu beschränken. Immer wenn solche Aktionen unter dem Begriff einer progressiven, emanzipatorischen Bewegung verübt werden ist der Banner wohl fehl am Platze. Mir ging es also gerade nicht um "Verschwörungsscheiß", sondern um eine prinzipielle Kritik dieser "Aktionsform" (der Briefbombe). Und die Schwierigkeit der Genoss_innen von der FAI sich von solchen Aktionen die in/mit ihrem Namen verübt werden zu Distanzieren sind sehr real. Mit "gejammer der FAI(a-Föderation-Italien" ist wohl auch eher ein Witz" wird mensch den Vermittlungsschwierigkeiten wohl kaum gerecht. Den Aktionzellen FAI ist diese Namenswahl durchaus vorzuwerfen.
Kritik der Kritik der Kritik
Auf die Gefahr hin, mich zu wiederholen - die "Trennlinie" zwischen guten und bösen Anarchist_Innen, die du vorschlägst, ist blödsinn. Die FAI/IRF ist aus anarchistischen Strömungen hervorgegangen, sie wird von Gruppen proklamiert und getragen, die eindeutig Teil der, ich mag den Begriff irgendwie, anarchistischen Galaxie sind - eilige Versuche, den Bezugsrahmen anarchistischer Auseinandersetzung so zu setzen, dass Gruppen, die eben auch Aktionsformen und Organisierungskonzepte umsetzen, die auch mir persönlich Unbehagen bereiten, ausgeschlossen werden, schaffen ein Klima, das kritischer Auseinandersetzung, Weiterentwicklung von Ideen und Konzepten, Experimenten mit verschiedenen Methoden den Raum nimmt.
Eine grundsätzliche Kritik der Methoden und des Konzeptes FAI/IRF an sich ist richtig und notwendig - aber "Trennlinien" und "Distanzierungen" sind trauriger Ausdruck von Passivität und Mutlosigkeit.
qu
Ein Kritik allein braucht es hier nicht und eine Distanzierung von der FAI(Informelle) ist durchaus angebracht, den ihre Methoden sind ein Konzept von vor 100 Jahren (Und selbst damals war das Gebot "Unschuldige" unter keinen Umständen auch nur zu verletzten, während das für diese Idioten nicht mehr zu gelten scheint) und ihre Theorie ist steinzeitmäßig (nett ausgedrückt). Wer statt Kapitalismuskritik zu üben diesen lieber personifiziert und dann auch noch von "Zecken und Blutsaugern" redet wird mit Sicherheit keine Solidarität von mir erwarten können.
kritik zwei
Das Gefasel von der "Trennlinie" ist in Kombination mit der These, dass wir nur durch sie dem "Flächenbrand" der Medien entgegentreten könnten, lässt schaudern - euch scheint es zum Einen darum zu gehen, zu entscheiden, was nun "anarchistisch" ist, und was eben nicht - Inhalte, die nicht euren Ideen und Vorstellungen von Kampf und Konfrontation entsprechen, bezeichnest Du als Aktionen "unter falscher Flagge" - über wessen Flagge reden wir hier? Welches "Wir" soll diesem "Anderen" entgegengesetzt werden, dass du durch Deine Aufrufe zur Distanzierung schaffst?
Geht es dir tatsächlich um die Sorge, dass eine kritisch-solidarische Auseinandersetzung mit einer (kritischerweise) an Relevanz gewinnenden Strömung innerhalb der "anarchistischen Galaxie" das Ansehen anarchistischen Ideale in der öffentlichen Debatte schädigen könnte?
"Wir haben es satt, die Tatsache hinzunehmen und immer öfters feststellen zu müssen, dass das anarchistische Kampffeld, jenes des Angriffs, der Sabotage und der Enteignung mit einem Kennzeichen und, als solches, mit einer politischen Repräsentation gleichgesetzt wird; wir haben genug davon, zu sehen, wie sich die Horizonte fälschlicherweise auf zwei Entscheidungen beschränken, die einander scheinbar gegenüberstehen: entweder man entscheidet sich für den „lieben“ Anarchismus und rennt den Vollversammlungen, den sozialen Bewegungen und den Basisgewerkschaften hinterher, oder man wählt den „bösen“ Anarchismus und ist somit freundlich gebeten, seine Beiträge zum sozialen Krieg mit einem Siegel zu versehen – und falls nicht, werden es andere an unserer Stelle tun."
aus dem Brief an die anarchistische Galaxie
Eine kritische Abgrenzung zu dem Konzept der FAI/IRF kann nur auf praktische und solidarische Art und Weise stattfinden - Lese ich die Erklärungen und Texte aus dem Kontext der FAI/IRF, fühle ich an vielen Punkten Affinität - zu der zerstörerischen Leidenschaft, dieser Welt mit feuriger Wut entgegenzutreten - und an vielen Punkten Unbehagen, zum Wahn der Erklärung, der Organisation, der Politik.
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Gibt es irgendwo das Bekennerschreiben zum nachlesen?
Stadtguerilla nennt Briefbomben anti-sozial & konterrevolutionär
Keine Angst vor Distanzierungen! Den Link massenhaft in Leserbriefspalten setzen?
http://actforfreedomnow.wordpress.com/2011/04/06/announcement-of-the-thr...
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"Sie sind nicht mal ein Prozent. Aber es gibt sie".
Nach diesem Prinzip funktioniert auch die FAI (Informelle Anarchistische Föderation). Als 'radikal Linke', anarchistischer Verbund, verzichtet die FAI komplett auf eine eigene Führung, verlässt sich auf das antikapitalistische Grundkonzept, an das sich 'Alle halten': dadurch entsteht ein absolut dezentrales Guerillia-Netzwerk das nur aufgrund seiner Ideologie existiert. Das System ist damit ausgebootet, d.h. die perfide Unterwanderung der Struktur ist damit ausgeschlossen.
Die FAI ist als loser Verbund zu verstehen. Sie ist keine rein italenische Organisation, "Einige Tausend Individuen, die sich untereinander nicht mal kennen, sich aber durch Taten erkennbar machen (...)." Ergo: jeder der sich durch entsprechende Aktionen aufmerksamkeit verschafft, darf sich zur FAI zählen.
nun darin liegt die gefahr für dieses system in dem wir leben. darin liegt die gefahr für die 'mächtigen', für ihr werkzeug wie dem geheimdienst und den bullen - es gibt niemanden den man direkt für aktionen verantwortlich machen könnte, niemanden den man per killerdrone raketen um die ohren jagen könnte, niemanden dessen leiche man publikumswirksam vorführen könnte..
.. daher entstehen wohl solche artikel wie hier auf linksunten.
artikel die versuchen die FAI als scheinorganistation darzustellen, die versuchen über eine weit hergeholte argumentation stimmung gegen das anarchistische movement zu provozieren. eben weil sich die FAI jeglcher kontrolle entzieht.
FAI [Federazione :: Anarchica :: Informale]
[Informelle :: Anarchistische :: Föderation]
die informellen sind die militanten, also die, die auch was bewegen.
lasst euch nicht von spiegel & taz - propaganda verunsichern! informiert euch unabhängig, bekennt euch, vergesst OCCUPY GERMANY nicht. 2012 bringt den endgültigen wechsel! Kapitalismus ist Faschismus!
Ravachol
Ich lehne die Aktionen einer wie auch immer gearteten FAI ab. Ich distanziere mich von ihren Aktionen aber nicht von Ihnen selbst und ich beanspruche auch nicht die Definitionsmacht über richtige und falsche anarchistische Aktionen. Die Distanzierung, die hier vorgeschlagen wird ist aber eine generelle, die genau diese Definitionsmacht beansprucht. My anarchistic community is my castle! Die Winterthurer sind auch spitze im Richter spielen: Sie erklären auch kurz mal, dass Camenisch und Konsorten keine echte Anarchisten sein können und die FAI sowieso nicht- weil...sie es eben sagen! Mehr widerwärtiges Kleinbürgertum geht nicht.
Schaut Euch doch diese Scheißwelt an: Was glaubt ihr, wieviel Zeit bleibt noch, um nur die existentiellen Grundlagen für Menschen auf diesem Planeten zu erhalten? Insurrektionalismus ist das allermindeste in dieser kaputten Scheißwelt- was haben wir zu verlieren?
Scheißwelt? Ohne mich
Was wir zu verlieren haben? Unser Glück und unsere Freiheit!