[Ein kurzer übersetzter Auszug aus dem Artikel
„14 Punkte über den Aufstand“ in A Corps Perdu, nr. 3, internationale
anarchistische Zeitschrift]
„[...] Kommen wir auf den Punkt.
Das Senden von Briefbomben (die noch dazu schon mehrfach unbeteiligte
Personen verletzt haben), die zugespitzten allgemeinen Drohungen, die
Ausdrücke von Nihilismus und die Selbstdefinierungen als “Terroristen“*
haben nichts mit den aufständischen Projekten zu tun. Man muss kein sehr
heller Kopf sein, um zu begreifen, dass sich hinter diesem
Neo-Rebellentum nicht viel anderes als ideologische und politische
Selbstbehauptung verbirgt. Für lange Zeit, in bestimmten Kontexten für
unzählige Jahre, wurden diese Akte und diese Ideologien nicht
ausreichend kritisiert. Und dies, wie wir weiter unten im Text sehen
werden, nicht weil die Argumente fehlten**, sondern viel eher, um – wie
man damals sagte – 'den Kreis der Repression nicht zu schliessen'. Der
Mangel an Kritiken und ihre Unzulänglichkeit haben in vielen Ländern
dennoch zum Wiederaufkommen einer Methode und einer Denkensweise
geführt, die zumindest diskutiert werden sollten. Wenn es sicherlich
wahr ist, dass es keinem von uns Freude bereitet, sich distanzieren zu
müssen, so ist es ebenso wahr, dass es zahlreiche Revolutionäre, und ich
als erster, aus einem ethischen sowie aus einem projektuellen
Blickwinkel bedenklich finden, mit bestimmten Praktiken verbunden zu
werden, ohne sagen zu können, was man darüber denkt.
Das Delegieren der Auslieferung einer Briefbombe an irgendjemand, ohne dass diese Person davon bescheid weiss, mit dem Risiko, dass sie ihr in den Händen explodiert, ist ein Akt, der mit dem anarchistischen Prinzip der Nicht-Delegation und der individuellen Verantwortung ziemlich wenig zu tun hat. Den Irrtum zu verteidigen und auf ihm zu beharren, nachdem in wiederholten Fällen nicht ausgesuchte Personen verwundet worden sind, bedeutet von der Ideologie der Konfrontation verblendet zu sein; eine Bombe an einem Durchgangsort zu platzieren, mit oder ohne Vorwarnung an die Polizei, ist eine Aktion, die eine terrorisierende Zielsetzung in sich trägt (oder die auf jeden Fall so aufgefasst werden wird): “heute warnen wir euch noch”, oder “heute handeln wir bei Nacht, morgen wer weiss...”***. Zugegeben, dies sind keine Neuheiten, und es wäre falsch, zu behaupten, dass die revolutionäre Bewegung nie vor solchen Problemen gestanden hätte. Die Geschichte ist gewiss übervoll mit Scheusslichkeiten, meistens von und für die Macht ausgeführt, andere aber, unglücklicherweise, traten auch bei Angriffen hervor, die gegen sie gerichtet waren. Doch kein Zweck, so nobel er auch sein mag, kann “die Mittel“ rechtfertigen. So ziehe ich es vor, der Geschichte ins Gesicht blickend und das revolutionäre Erbe „auf mich nehmend“, mich daran zu erinnern, dass es die Anarchisten vorgezogen haben, ihr Leben zu opfern, als jemanden zu treffen, der nichts damit zu tun hatte, und dass einige unter ihnen mit “Liebe” gegen die Unterdrücker vorgingen; mich auch daran zu erinnern, dass die abschäuliche Verachtung für “das Volk“ dem Feind vorbehalten war: der Bourgeoisie und der Aristokratie.
[...]
Ich
weiss, dass es unangenehm, und manche würden sagen, deplaziert ist,
diese Kritiken zu einem Zeitpunkt aufzubringen, in dem sich die
Repression spüren lässt. Aber andererseits, wann lässt sich die
Repression nicht spüren? In Anbetracht dessen, wie sich die Dinge
entwickeln, glaube ich nicht, dass es jemals einen “neutralen” Moment
geben wird, um innezuhalten und zu diskutieren, oder um die Kritik in
Umlauf zu bringen. Dennoch ist es gerade die Kritik, die die Debatte
nährt und, entschuldigt die Banalität der Wiederholung, die die
Verfeinerung und Effizienz der revolutionären Theorien und Praktiken
erlaubt. Denn nichts ist unveränderlich und die revolutionäre
Perspektive ist dynamisch, zumindest wenn man sie nicht wie eine
Religion eintrichtern will.
Auf die im vorangegangenen Teil
aufgeworfenen Themen hat es je nach Land sehr unterschiedliche
Reaktionen gegeben. Wenn die Debatten über den Gebrauch bestimmter
Methoden des Angriffs beispielsweise in der anarchistischen Bewegung
Spaniens mehr oder weniger breit ausgetragen wurden, so war sie in der
anarchistischen Bewegung Italiens praktisch nicht existent. Der Grund
für diese Stille ist sicherlich nicht ein Mangel an Argumenten oder der
Unwille zu polemisieren, sondern ist vielmehr ausschliesslich
repressiven Faktoren verschuldet. Das Problem war und ist, zu vermeiden,
einen Teil der anarchistischen Bewegung zu isolieren, indem eine
kritische Debatte ausgelöst wird, die einerseits sicherlich zu einer
methodologischen und theoretischen Überwindung führen kann, andererseits
aber unausweichlich das Risiko einer kritischen Spirale – gegen eine
bestimmte Art von Aktion – mit sich bringt, die von der Repression wie
eine „Distanzierung“ verstanden werden würde. Selbstverständlich, um
gänzlich klar zu sein, ist das Problem nicht, Distanz von dem zu nehmen,
was man nicht teilt, sondern zu riskieren, dass der polizeiliche Druck
über jene ausgeübt wird, die sich entscheiden – aus Gründen
verschiedenster Art –, diese Distanz nicht zu nehmen. Bei genauerer
Betrachtung ist es schwierig, zwischen beispielsweise der spanischen und
italienischen Umgangsweise zu sagen, wer recht hatte, oder welche der
beiden Positionen – in einem Kreis, aus dem man schwerlich ”sauber”
heraustreten kann –, die geringsten Einschränkungen mit sich bringt.“
[Anmerkungen der Zitierenden:
. *Drohungen und Äusserungen, wie sie z.B. von gewissen, offensichtlich
unter gewissen Anarchisten so viel Aufmerksamkeit auf sich ziehenden
“bewaffneten Organisationen“ in Griechenland geäussert wurden. Gruppen,
die in erster Linie die Vielfalt der sozialen Konfliktualität in
Griechenland auf die bewaffnete Konfrontation reduzieren, und die den
sich dort breit äussernden sozialen Krieg auf eine spektakuläre Ebene
tragen, auf der er in einen privaten Krieg, einen tristen Zweikampf
zwischen “bewaffneten Stadtguerillas“ und dem Staat verwandelt wird.]
. **In dem 2003 erschienenen Text „Einige alte, aber aktuelle Fragen
unter Anarchisten und nicht nur“ wird nach langer Zeit erstmals eine
anarchistische Kritik an diesen Methoden deutlich formuliert (also nicht
seitens der “anarchistischen Föderation“ oder der Syndikalisten, die
sich meistens sowieso aus Prinzip und aus demokratisch-linker Mentalität
von direkten Aktionen distanzieren).
. *** siehe → *
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[Auszug
aus dem Text “Kritische Notizen zum Kampf gegen das FIES” (das FIES ist
ein Isolationshaftregime in Spanien), bezüglich der in diesem
Zusammenhang verschickten Briefbomben. Publiziert in “A Corps Perdu, nr.
2”]
„[...] Diese «Angriffe» existierten nur durch das mediale
Tamtam, das sie verursachten, was sie jedoch nicht daran hindern wird,
in der Einbildung einiger auf die höchste Sprosse der
Radikalitäts-Leiter gehoben zu werden. Diese sehr eigentümliche Methode
brachte mindestens zwei schädliche Effekte mit sich: Auf der einen Seite
stellte sie das gesamte Spektrum der Angriffe und direkten Aktionen in
den Schatten, die zu der Zeit stattfanden, auf der anderen Seite
erlaubte es den Henkern, sich als Opfer darzustellen. Abgesehen davon,
dass sie sich in eine Gegenmacht-Logik hineinbegeben, verbreiteten die
Briefbomben eine unwirkliche Bedrohung, und dies wussten die Mächtigen
nur all zu gut. Der Staat erkannte dennoch das revolutionäre Potenzial,
das – obwohl noch im embryonalen Zustand – im Raum des Kampfes [des
gesamten sozialen Kampfes gegen das FIES, die Gefängnisse und die Welt,
die sie nötig hat – Anmerkung der Zitierenden] bereits enthalten war.
Die Repression, die folgte, und die Massnahmen, die beabsichtigten,
dessen Verbreitung zu hemmen, waren hauptsächlich präventiver Natur.”
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[Ein Auszug aus „Über die individuelle Verantwortlichkeit“, in A Corps Perdu, nr.1]
„Klar
und deutlich ausgedrückt: Noch nie war es so notwendig wie jetzt,
anzugreifen. Aber anzugreifen bedeutet, die Verantwortung für das, was
man tut, als Individuum auf sich zu nehmen [Was das Delegieren der
Verantwortung an einen unwissenden Pöstler, der eine Bombe überbringt
ausschliesst (um es zu wiederholen) – Anmerkung der Zitierenden]. Es
bedeutet, die unseren Verantwortungen und jene des Gegners zu erkennen
[Was Methoden ausschliesst, mit denen es nicht möglich ist, eine vorher
gut abgewogene Verantwortung, und ausschliesslich diese, anzugreifen, da
es mehr oder weniger zufällig ist, wer beispielsweise eine entsendete
Breifbombe öffnet (um auch das noch einmal zu wiederholen) – Anmerkung
der Zitierenden]. [...]
Wir, als Individuen, wir kämpfen für die
Bekräftigung des Individuums und gegen Individuen: Es sind nicht
«Uniformen», sondern Menschen, auf die man schiesst, es ist nicht die
Bourgeoisie, es sind Menschen, die man schlägt, es sind nicht
Ideologien, sondern Menschen, die man angreift. Wenn wir wollen, dass
der Mensch frei ist, müssen wir die Menschlichkeit und die
Einzigartigkeit selbst in den schlimmsten Feinden erkennen. Totalitäre
Prozesse gründeten seit jeher auf der Entmenschlichung des Gegners.
Mittlerweile sollte es doch offensichtlich sein – alleine schon, wenn
wir die jüngste Vergangenheit in Erinnerung behalten und die tragische
Gegenwart betrachten –, dass wir den entgegengesetzten Weg versuchen
müssen.
[...]
Es ist absolut inakzeptabel, dass ein einziges
Leben im Namen der Aktion oder der Sache geopfert wird. Die Sache – wenn
es um jene für die Freiheit geht – verliert jeglichen Wert, wenn darin
nicht eine Abstufung der Verantwortung wahrgenommen wird, wenn ihre
Handlung das militaristische Prinzip in sich trägt, jenes das blind in
die Menge schlägt.
Und mit “blind in die Menge schlagen“, um es noch
deutlicher auszudrücken, meinen wir nicht nur zahlreiche Personen zu
töten oder zu verletzen. Es bedeutet vor allem, Berechnungen über die
Anzahl Opfer anzustellen, die man in solche, die für ihre wirkliche
Verantwortlichkeit getroffen werden, und solche, die durch
«Kollateralschaden» getroffen werden unterteilt. Es bedeutet, das Leben
der Individuen im Namen der Politik zu vergessen.“
Wieder „Anarchisten“. Wieder Briefbomben. Wieder die „Informelle
http://afunke.blogsport.de/2011/12/09/wieder-anarchisten-wieder-briefbom...
Schon vor Jahren als Fake ennntarnt
P3, Strategie der Spannung, Berlusconis FAI-ERfindung aus dem Jahr 2003/04. Auf einmal tut man in den Medien so, als hätte es diesen Fake nie gegeben und eine FAI wäre real. Man hofft, daß alle vergessen haben was vor 7 Jahren bekannt war.
Italien/EU: Inszenierung einer Anschlagsserie
http://de.indymedia.org/2004/01/71110.shtml