"Heulen in der Grauzone" - Hintergründe zur Band "Freigänger"

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In der neuen Figt Back!, dem antifaschistischen (Jugend) Info für Braunschweig findet sich u.a. ein Artikel mit Hintergründen zur Grauzonen-Band "Freigänger", den wir hier im folgenden dokumentieren. Die Zeitung mit den Artikel (und Fotos) gibt es hier als PDF.

 

Heulen in der Grauzone – Konzert der Band „Freigänger“ abgesagt

Es ist immer wieder das Selbe: Kaum wird eine Oi-Skinhead-Band als Grauzonen-Band bezeichnet und ihr Kontakte in die Nazi-Szene vorgeworfen, beginnt das große Heulen.  Sich sonst rebellisch gebende Skinheads, die sich als Außenseiter der Gesellschaft stilisieren, die auf Normen und „politische Korrektheit“ nichts geben wollen und immer davon faseln, sie würden jeden Widerständen zum trotz ihren „Way of life“ leben, jammern selbstmitleidig über die böse Antifa (wahlweise auch die böse Presse), die Konzerte verhin- dere, Gerüchte streue, Lügen verbreite – und zugleich distanziert man sich dann auch von jedem und allem: „Wir sind keine Nazis … Wir spielen nur unpolitische Lieder … Nur weil unser Bassist früher mal rechts war …“ und so weiter und so fort. So jüngst auch die Band „Freigänger“, deren für den 15. Oktober 2011 geplantes Konzert in der Wolfenbütteler Kneipe „Zur Mühle“ vom Geschäftsführer abgesagt wurde.

 

Was war passiert?

In einer Pressemitteilung hatte das Antifaschistische Plenum darauf hingewiesen, dass die Band sich „in einem Umfeld“ bewege, in dem „die Übergänge und Überschneidungen zwischen der ‚unpolitischen’ Subkultur-szene und der Rechtsrockszene fließend“ (1) sind und die deswegen oftmals als Grauzone bezeichnet wird. Unter anderem kündigte die Band an, im Oktober und Dezember 2011 bei zwei Konzerten als Vorgruppe der rechten Hooligan-Band „Kategorie C“ aufzutreten.

Das Brisante an der ganzen Geschichte: Bereits im Frühjahr sollte in der Kneipe „Zur Mühle“ ein Konzert mit der Band „Bleeding Pride“ stattfinden. Auch damals wurde – aufgrund einer Pressemitteilung des Antifaschistischen Plenums, in der die Verstrickungen des Sängers in die Nazi-Szene öffentlich gemacht wurden – das Konzert durch den Geschäftsführer der Kneipe abgesagt. Teile der Bandmitglieder erklärten, sie hätten von den Umtrieben ihres Sängers nichts gewusst. Die Band löste sich auf und der ehemalige Sänger von „Bleeding Pride“ gründete die Band „Freigänger“, in der er nun am Bass spielt. (2)

 

Alles nur ein Verständnisproblem?

Die Band „Freigänger“ lässt nun verbreiten, die Phase der rechten Gesinnung des Bassisten sei schon seit längerem vorbei und er habe damit vollständig gebrochen. Man spiele doch nur unpolitische Lieder. Und sogleich finden sich auch zahlreiche Fürsprecher ein, die der Band den Rücken stärken wollen und den plötzlichen Sinneswandel glauben oder glauben wollen.

So wird dann auch (in naiver aber vielleicht gut gemeinter Weise) vorgeschlagen, die Antifa solle sich doch einfach mal mit der Band zusammensetzen, um alles zu klären. Dann könnten die „jungen Leute“ selbst zeigen, wie sie sich glaubhaft „vom Rechtsextremismus“ distanziert hätten. So könnte Verständ- nis für die „Standpunkte der jeweiligen Seite“ geweckt werden. Verständnis? Zusammen setzen? Wofür? Für ein Shake-Hand mit den Leuten, die zusammen mit rechten Bands wie „Kategorie C“ auftreten wollen?

Einer Band, die nicht nur in die Naziszene verstrickt ist, die auf ihren Konzerten Lieder wie „Antifa Halts Maul“ singen, in dem es z.B. heißt „Es kommt der Tag der Rache und dann rechnen wir mit euch ab! … Bam, Bam, Bam: Antifa halts Maul! Bam, Bam Bam: Ihr seid der letzte Dreck! Bam, Bam, Bam: Wir hauen euch alle weg!“. Verständnis für Leute, die keine Probleme damit haben, dass auch organisierte Nazis ihre Konzerte besuchen? Verständnis für Leute, die Nazis zu ihren Freunden zählen? Verständnis für jemanden, der bis heute in einem Nazi-Internetforum schreibt?

 

Fakten, Fakten, Fakten

Da offensichtlich einige Leute immer noch glauben (wollen), dass die Band nichts mit Nazis zu tun habe, hier noch mal ein paar Fakten:

  • Metzen, der Sänger der aufgelösten Band „Bleeding Pride“ und Bassist bei den „Freigängern“, ist nach wie vor im Nazi-Netzwerk „Thiazi“ aktiv. Nachdem durch eine Pressemitteilung des Antifaschistischen Plenums (3) bekannt gemacht wurde, dass er dort unter dem Pseudonym „Evil-M“ schreibt – hat er seinen Benutzernamen lediglich in „Hate4U“ (4)  geändert. Er wird dort weiterhin als „Förderndes Thiazi-Mitglied“ aufgeführt. Der letzte Eintrag von „Hate4U“ stammt vom 16.08.2011. Anfang November 2011 wurde die Demo-CD der „Freigänger“ bei „Thiazi“ wohlwollend von einem User vorgestellt. Prompt bedankte sich „Hate4U“ bei dem User für den Beitrag (5). Von einer rechten Phase die „seit längerem vorbei“ sei, kann da wohl kaum gesprochen werden.
  • Kim, Sänger der „Freigänger“, nennt in einem aktuellen „Freigänger“- Interview „Skrewdriver“ als eine Band, durch die er „persönlich geprägt und vor allem fasziniert“ (6) sei. Für alle, die von der Band noch nichts gehört haben: „Skrewdriver“ ist die Band von Ian Stuart, Gründer des (in der BRD verbotenen) Nazimusiknetzwerk „Blood & Honour“. Die Band hat wie „keine andere den Rechtsrock geprägt und erfährt in der neonazistischen Szene weltweit Verehrung.“ (7)
  • Florian, Drummer bei den „Freigängern“ spielte zuvor zeitweise bei der Band „Rampage“. Ebenfalls eine Band, die der Grauzone zuzurechnen ist und diverse Male auch mit Rechtsrockbands zusammen gespielt hat. In einem Interview erklärte die Band die Rechtsrock-Bands „Endstufe“ und „Skrewdriver“ zu ihren Vorbildern. (8)
  • Auch Brian, der Gitarrist, ist ein Fan diverser Rechtsrock- und Grauzonen-Bands. Fotos zeigen ihn z.B. vor einem Plakat der Band „Kill Baby Kill“, die mehrmals bei Konzerten von „Honour & Pride Niedersachsen“ aufgetreten sind und antisemitische und rassistische Hetz- lieder singen. So heißt es z.B. im Lied „Diver- sity“: „Wir wissen alle das Nigger faul sind während Geldgier sich im Juden zeigt … Ich bin ein weißer Europäer, ein echter Skinhead, Treu zu meiner Rasse bis zu meinen Tod. Ich bin stolz auf meine Blutlinie, auf meine weiße Abstammung. Nun, wenn mich das zu einem Rassisten macht, dann bin ich stolz einer zu sein.“ (übersetzt aus dem Englischen).

Vertrieb zusammen mit Nazi-Bands

Die Demo-CD der „Freigänger“ wird ausschließlich durch Jan Greve aus Elbe (LK Wolfenbüttel) vertrieben. Er ist außerdem Domaininhaber der Internetseite der Band. Die Startseite seines Blogs und seines Versands „Skinhead Service“ zeigt einen alten Flyer für ein Konzert mit den Bands „Skrewdriver“, „Brutal Attack“ und „Skullhead“. Alle drei Bands gehören zum Spektrum des Nazi-Musiknetzwerk „Blood & Honour“. Im Versand findet man dann auch eine Bandbreite an CDs und Vinyl von eindeutigen Rechtsrock-Bands, wie z.B. „Faustrecht“ oder „Kill Baby Kill“, Grauzonen-Bands, wie „Short Cropped“ und „Spy Kids“, bis zu Oi-Bands wie „Schusterjungs“ und geradezu alibimäßig auch eine CD der Ska-Band „Ruder than you“.

Jan Greve spielte selbst bei diversen Bands mit und organisiert immer wieder Konzerte, auch mit eindeutigen Bands aus der Naziszene. So z.B. im Herbst 2006 in einem Kleingartenverein in Salzgitter. Dort spielte unter anderem die (inzwischen aufgelöste) Band „Donner- hall“ aus Peine, die zum Spektrum der Naziorganisation „Honour & Pride“ gehörte. Anwohner berichteten damals über „Sieg Heil“ Rufe.9 Auch in der aktuel- len Ausgabe des Antifaschistischen Infoblatt wird Jan Greve erwähnt (AIB Nr. 65: „Oi ain ́t Red? – Die Grauzone am Beispiel der Bootboys Hildesheim“) (10). Im letzten Jahr gründete Jan Greve die Band „Eine Prise Hass“, auf deren Demo-Cover der Slogan „Honour & Pride“ zu lesen ist und die u.a. Lieder von „Donnerhall“ coverte. In der Band spielt u.a. die Braunschweigerin Eva Pruß, die gerne Rechtsrock-Bands wie „Endstufe“ oder „Civico88“ hört. Seit kurzem soll Jan Greve ebenfalls bei “Thiazi” schreiben und zwar unter dem Pseudonym “SFFS”.

 

Man könnte hier noch etliche weitere Belege, Indizien und Details aufführen, die deutlich machen, dass die Band „Freigänger“ und ihre Mitglieder weiterhin auch Kontakte zu Personen aus der Nazi- Szene pflegen und selbst Rechtsrock-Konzerte besuchen oder entsprechende Musik hören. Doch wir wollen wir es hiermit (vorerst) belassen.

 

Allen, die sich weiter mit dem Thema „Grauzone“ auseinandersetzen wollen, sei die Ausgabe Nr. 91 (Sommer 2011) des Antifaschistischen Infoblattes empfohlen, in der sich schwerpunktmäßig mit dieser Szene beschäftigt wird. Die Zeitschrift gibt es im Antifa-Café (Cyriaksring 55 – Freitags ab 20 Uhr), im Guten-Morgen Buchladen (Bültenweg 87) oder zum Online-lesen unter http://aib.nadir.org/index.php/archiv/58-ausgabe-91

 

Fußnoten:

 

1 Es sei hier darauf hingewiesen, dass – auch wenn das offensichtlich einige Verteidiger der Band gerne übersehen – der Band nicht vorgeworfen wurde, sie sei eine eindeutige Nazi-Band.
2 Alle Pressemitteilungen etc. dazu gibt es hier: www.antifacafe.de.vu/tag/metzen/
3 www.antifacafe.de.vu/files/2011/03/bleedingpride.pdf
4 Alle Forumseinträge von „Hate4U“ können hier eingesehen werden: http://forum.thiazi.net/search.php?do=finduser&u=35851
5 http://174.122.234.116/showpost.php?p=2158563&postcount=1493
6 http://skinheadservice.com/Website/Blog/Blog.html
7 http://www.netz-gegen-nazis.de/category/lexikon/skrewdriver
8 http://www.mf-zine.de/html/rampage.html
9 http://www.newsclick.de/index.jsp/menuid/2163/artid/6017992
10 http://aib.nadir.org/index.php/component/content/article/5-zusammenfassung/ausgabe-65