Eine Stellungnahme der Autonomen Antifa Heidenheim zur aktuellen Debatte um das "Erwin-Rommel-Denkmal".
Am vergangenen "Volkstrauertag" verhüllte die Gruppe "Geschichtswerkstatt" das Erwin-Rommel-Denkmal auf dem Zanger Berg in Heidenheim. Wir begrüßen die Aktion als öffentlichkeitswirksame Intervention in die Debatte um Rommel, die zuletzt durch die Recherchen des Historikers Wolfgang Proske regional sowie überregional neu entfacht wurde.
Zuletzt 2008
haben wir in einem Flugblatt auf die Rolle des "Mythos-Rommel" für die
Inszenierung eines post-nationalsozialistischen deutschen
Nationalgefühls hingewiesen und die Demontage des Denkmals als
symbolische Absage an Nationalismus, Militarismus und Volksgemeinschaft
gefordert. Denn eine antifaschistische Intervention in den Diskurs um
Rommel kann sich nicht darauf beschränken, einer geschichtsvergessenen
Heidenheimer bzw. deutschen Öffentlichkeit Nachhilfeunterricht zu
erteilen. Der Umgang mit politischer Geschichte ist niemals eine rein
"objektive Aufarbeitung von Fakten", sondern beinhaltet immer den
Anspruch, die gesellschaftliche und politische Gegenwart im Kontext des
Vergangenen zu begreifen und Leitlinien für ihre Gestaltung zu
entwerfen.
Dies gilt umso mehr für die Auseinandersetzung mit der
deutschen Vergangenheit, die sich nach offizieller Lesart zumeist in
den Kategorien der "Verantwortung" und "Bewältigung" vollziehen will,
nicht selten aber vielmehr auf "Entledigung" hinausläuft. Die Forderung
des deutsch-nationalen Ressentiments, es solle "doch endlich Schluss
sein" mit dem vermeintlichen Verantworten vor dem Vergangenen, drückt
letztlich die Forderung nach einer ersehnten Identifikation mit dem
Konstrukt der deutschen Nation aus, die sich vom Schandfleck des
Nationalsozialismus gereinigt sehen will.
Die Rolle, die ein
Rommel hierbei spielen sollte, ist offensichtlich: Soldatischer
Heldenmut und bedingungslose Treue zum deutschen Volke, gepaart mit
seiner lange propagierten und doch längst widerlegten Beteiligung am
Attentat des Stauffenberg-Kreises bieten ausreichend Stoff für
nationalistische Träume, dass "doch nicht alles schlecht war" in der
heimeligen Volksgemeinschaft, die sich aufgrund der "Verführung" einer
ihr angeblich äußeren nazistischen Macht am liebsten selbst zu einem
Kriegsopfer unter anderen umlügen würde.
Tatsächlich verbindet
Rommel mit dem aus Militär und bürgerlicher Elite rekrutierten
Verschwörerkreis vom 20. Juli höchstens die Tatsache, dass für ihn als Nationalist und Militarist
Hitler mit der sich abzeichnenden militärischen Niederlage als
Kriegsverlierer untragbar und eine Bedrohung für den Erhalt der
deutschen Nation geworden war - wobei es für Rommel zum Widerstand dann doch nicht gereicht hat. Wo ein Georg Elser bereits 1939 die
Konsequenz zog, dem nationalsozialistischen Terror und der drohenden
Kriegsgefahr ein Ende zu setzen, bedurfte es für die (selbsternannten)
Retter des "heiligen Deutschlands" erst der Erfahrung des drohenden
eigenen Untergangs, um sich aus taktischen Erwägungen gegen die
NS-Spitze zu erheben.
Ein Vorbild, das für diejenigen, die es
nötig haben und selbst taktischen Nutzen daraus ziehen können, zur
Ehrenrettung der deutschen Nation gereichen soll. So erscheinen die
offiziellen Gedenken an den Stauffenberg-Kreis als öffentliche
Inszenierungen eines "geläuterten Deutschlands", das sich zu neuem
Selbstbewusstsein aufschwingen will - militärische Interventionen weltweit und ökonomische Vormachtsstellung inklusive.
Welche Formen des Widerstandes
offizielle Würdigungen erhalten dürfen und welche nicht, spiegelt
zugleich den Umgang der Obrigkeit mit der Frage des legitimen
Antifaschismus wider. So stellte sich seinerzeit der
nationalkonservative Politkwissenschaftler Uwe Backes, einer der
Chefideologen des Verfassungschutz, solidarisch hinter die Aussage des
Historiker Lothar Fritze zum 60. Jahrestag des Elser-Attentats und
sprach dem "einfachen Schreiner" die intellektuelle und moralische
Qualifikation ab, die politische Situation in Nazi-Deutschland
ausreichend erkannt haben zu können - die Legitimität seines Anschlages
auf Hitler sei somit infrage gestellt.
Dass Georg Elser als
aufrechter Antifaschist und Angehöriger eines eher libertären linken
Arbeiterumfeldes dem bürgerlichen Rechtsaußen Backes ein Dorn im Auge
ist, verwundert nicht. Elser scherte sich nicht um deutsche
Befindlichkeiten und verteilte auch keine Flugblätter an eine deutsche
Bevölkerung, die bereits mehrheitlich dabei war, ihre jüdischen
Nachbarinnen und Nachbarn sowie anderes "unwertes Lebens" in
Vernichtungslager zu deportieren bzw. passiv dabei zuzusehen. Sein
einsamer Entschluss, den Führer des Deutschen Reiches samt des ihm
zujubelnden faschistischen Pogrom-Mobs in die Luft zu sprengen, war der
Ausdruck eines radikalen, gegen die Mehrheit der Mörder gerichteten
Anspruches des Individuums, sich gegen Unterdrückung und Terror zur Wehr
zu setzen. Seine Tat negiert gerade jede Form der Vereinnahmung durch
einen offiziellen "Staatsantifaschismus" der selbsternannten
"demokratischen Mitte", weil sie für einen militanten Antifaschismus
steht, der sich nicht "demokratisch" legitimieren kann und muss. Sein
Andenken heute zu ehren, bedeutet somit auch in der radikalen
Konsequenz, sich gegen jede offizielle Doktrin einer auf
"Extremismusbekämpfung" geeichten bürgerlichen Ordnung zu stellen, die
für sich in Anspruch nimmt festzuschreiben, welche Form des Kampfes
gegen Nazis und Faschisten denn legitim sei und welche nicht - und die,
wenn es darauf ankommt, zur Ehrenrettung der Nation rechte Gewalt
vertuscht und verharmlost wo nur möglich, und zugleich den Hauptfeind im
linken Lager erblicken will.
Der "Wüstenfuchs" hat mit all dem
freilich nicht viel zu tun. Es mag ihm zugestanden sein, dass er
vielleicht gegen Ende des faschistischen Terrors, dessen williger
Erfüllungsgehilfe er war, ein wenig "zweifelte" an der Sinnhaftigkeit
und Effizienz des deutschen Vernichtungsfeldzuges. Wenn er - oder das
ihm gesetze Denkmal - im Kontext der Heidenheimer Erinnerungskultur als
Mahnung für irgendetwas betrachtet werden kann, dann dafür, dass
"soldatischer Heldenmut" und "Vaterlandstreue" keine vor-politischen
Eigenschaften sind, auf die man sich in irgendeiner Form "neutral"
beziehen könnte. Somit sehen wir in dem bezeichnenden Schriftzug, der
vor kurzem durch OB Bernhard Illgs Helfer an dem Gedenkstein angebracht
wurde, auch mehr als ein "peinliches Dokument
geschichtlicher
Ahnungslosigkeit.“ Für Illg, der sich zu offiziellem Anlass auch gerne
auf Elser-Gedenken herumtreibt, darf die Inschrift, die Rommels
"Tapferkeit und Heldenmut" auch weiterhin geehrt sehen will, als Versuch
gewertet werden auf die Rommel-Debatte einzugehen und es sich zugleich
mit seiner rechtskonservativen Wählerschaft nicht zu verscherzen.
Tatsächlich
ist Illg für seine missglückten Versuche des Spagats zwischen
öffentlicher Beschwichtigung und Bedienung seines reaktionären Klientels
hinlänglich bekannt. Als 2005 Neo-Nazis durch Heidenheim marschierten,
inszenierte die Stadtführung eine "Gegenkundgebung" drei Tage vor dem
eigentlichen Aufmarsch, wobei Illg gegen linke GegendemonstrantInnen
hetzte und zum Ignorieren des Aufmarsches aufrief. Bereits 2003
anlässlich der Morde durch den Neonazi Leonhard Schmidt an den drei jugendlichen Spätaussiedlern Viktor, Waldemar und Alex, versuchte Illg
den politischen Hintergrund der Tat zu verleugnen und ein einiges
Heidenheim gegen "jede Gewalt" , vorallem von linker Seite, zu
beschwören.
In der Frage der Geschichtsaufarbeitung erwarten wir
also von offizieller Seite ebenso wenig wie in derjenigen des konsequenten
Antifaschismus. In Rommel und Elser manifestieren sich zwei
Traditionslinien und politische Implikationen des regionalen Gedenkens, die unvereinbar sind und zur
radikalen Parteinahme zwingen. Wir haben unsere Seite gewählt: gegen
Faschismus und reaktionäre Krisenlösungstrategien, gegen jeden
Nationalismus (auch oder gerade den eines "neuen Deutschlands"), gegen
nationalstaatliche Befriedung im Dienste von aggressiver Standortlogik
und kapitalistischem Weltmachtstreben - und FÜR den Kampf um
Emanzipation, soziale Revolution und solidarisches Zusammenleben außerhalb der Zwangszusammenhänge von Staat, Nation und Kapital sowie der Ideologien, die zu ihrer Absicherung herangezüchtet werden oder in gefährlicher Eigendynamik dem falschen Ganzen immer wieder entspringen.
Hintergründe:
http://aahdh.blogsport.de/2008/12/30/heidenheim-ist-eben-auch-nur-deutsc...
http://www.swp.de/heidenheim/lokales/heidenheim/Rommel-Denkmal-aus-Prote...
http://www.tagesspiegel.de/zeitung/generalabrechnung/5827484.html
http://www.kontextwochenzeitung.de/newsartikel/2011/08/rommel-und-kein-f...
Jetzt dran bleiben und Druck auf die Verwaltung / Politik
Brief an Innenminister Gall:
"ich hoffe, daß nun öffentliche Signale auch von Seiten des baden-württembergischen Innenministeriums kommen, welche klar stellen, daß nationalsozialistische Tendenzen in der schwäbischen Gesellschaft keinen Platz haben sollten und auch die Glorifizierung von ehemaligen Nazi-Größen aufs Äußerste verurteilt wird. Es gibt in Heidenheim an der Brenz ein sehr umstrittenes Dankmal um den sehr umstrittenen Nazi Rommel. Sie können über die Heidenheimer Zeitung eineiges über diesen Konflikt erfahren.
Nachdem so lange durch die Politik es Neonazis leicht gemacht wurde sich zu versammeln, zu planen und andere Jugendliche für sich zu gewinnen, finde ich es wichtig daß nun eindeutige Zeichen gesetzt werden und solche für die Neo-Nazis verehrenswerte Orte, wie das Rommel Denkmal in Heidenheim, zu entfernen. Es dürfen für die Zukunft meiner Kinder, eventuell auch Ihrer (ich weiß nicht ob sie welche haben) keine Zeichen bestehen bleiben die ein "es war ja doch nicht alles so schlimm imm 3.Reich" oder "es gab auch gute Nazis" bestehen bleiben.
Sie können nun sicherlich sagen, daß dies nicht in Ihren Kompetenzbereich fällt, sondern dies eine Angelegenheit von der Stadt Heidenheim ist, das wäre sehr schade, da ich auf Ihre Feinfühligkeit hoffe.
Bitte nehmen Sie ich ein Beispiel an Ihren Kollegen in Nordfriesland, welche ein umstrittenes Denkmal an Nazi Göring nun entfernt haben."