Ein linksradikaler Bildungstreikaufruf...
Es ist gerade einmal drei Monate her, da fand der letzte Schulstreik in Bochum statt, organisiert von einem Bochumer Schüler_Innen Bündniss. Forderungen waren vor allem die Beseitigung des Konkurrenzprinzips beim lernen, sowie die damit einhergehende soziale Selektion von Schüler_Innen.
Nun findet am 17. November der nächste Bildungsstreik statt, diesmal allerdings im Kontext einer bundesweiten Kampagne. Unser zentraler Kritikpunkt an der Institution Schule bleibt ihre Funktionsweise, welche nicht etwa darin besteht die Schüler_innen zu bilden, sondern sie auf die auf Konkurrenz basierende kapitalistische Gesellschaft vorzubereiten und sie nach “schlecht” und “gut” zu selektieren, damit auch jeder später im Berufsleben mal seine Funktion als Rädchen im Getriebe einnehmen kann.
Bildung ist dabei, wenn man dafür überhaupt noch den Begriff “Bildung”, der ursprünglich dafür stand, die Menschen unabhängig von gesellschaftlichen Sachzwängen zu kritischen Individuen zu erziehen, verwenden darf, höchstens Mittel zum Zweck. Das wirkt sich auch auf das Verhalten auf uns Schüler_innen aus, es geht ihnen nicht darum etwas zu lernen sondern gute Noten zu bekommen um in der Konkurrenz zu bestehen und später einmal auf der Sonnenseite der Gesellschaft zu stehen, was Schüler_innen aus “gutem” Hause generell besser gelingt als Schüler_innen aus einem armen Zuhause.
Sprich, Aufstiegschancen sind in den aller meisten Fällen nur in der Theorie möglich und von der so viel gepredigten Chancengleichheit ist real nicht viel zu sehen. Doch auch wer das Glück hat, sich in der allgemeinen Schulkonkurrenz durchzusetzen und echter “Leistungsträger der Gesellschaft” zu werden hofft, muss mit der Zeit einsehen, das auch das kein Zuckerschlecken ist. Die Spielräume für die Realisierung eines guten Lebens weden immer enger, sprich Freizeitaktivitäten wie Sport, Feiern oder einfach nur mal “nichts” zu tun, geraten genauso in Gefahr wie soziale Kontakte oder “sinnloser” PC-Konsum. Das Abitur in 12 Jahren verursacht längere Schulzeiten, bei denen es unmöglich wird mal einen anständigen Mittagsschlaf zu halten. Lernprozesse werden beschleunigt und rationalisiert. Frisch von der Uni gekommene Lehrer_innen versuchen uns mit einer Reihe von Methoden den langweiligen Unterricht schmackhaft zu machen und wir fragen uns dabei was uns mehr auf den Sack geht, der Stoff oder die Methoden. All das sollte Grund genug sein, seinen Ärger mal wieder ordentlich auf die Straße zu tragen.
Gegen die
Schule – für selbstbestimmte Bildungsinstitutionen!
Unserer
Meinung nach ist es widersinnig, bei einem Schulstreik mehr
Lehrer_innen und kleinere Klassen zu fordern. Das würde eine
Verdichtung der geistigen Zurichtung von Schüler_innen nach sich
ziehen und wäre genauso bescheuert, wie wenn Arbeiter_innen nach
einem schnelleren Fließband verlangen würden. Auch andere
Forderungen, die die Funktionsweise nicht boykottieren sondern
verbessern, wie zum Beispiel mehr Geld in die Schulen zu stecken
halten wir für verkürzt und in die vollkommen falsche Richtung
zielend. Während wir Forderungen, die sich gegen soziale
Ungerechtigkeit in der Schule richten vehement unterstützen, denken
wir, dass die Funktionsweise der Schule so eng mit deren
Begrifflickkeit verzahnt ist, dass man nach einer Abschaffung der
Schule und der Errichtung einer neuen Bildungsinstitution fordern
muss, in der sich die Schüler_innen unabhängig und selbstbestimmt
ohne Konkurrenzdruck bilden können. In diesem Sinne: "Öfter
mal blau machen, öfter mal streiken!", heraus zum Schulstreik
am 17. November in Bochum!
Material
Material zum vergangenen Schulstreik findet ihr unter www.schulstreik-bochum.de. Material zur linksradikalen Kampagne zum vergangenen Schulstreik findet ihr unter http://rlbo.blogsport.de/termine/schulstreik-2011/.
also?
also macht ihr euren eigenen block auf der demo oder wie?
soll sich das als kritik am bildungsstreik orga team in bochum lesen?
Nö
Nö, steht da nich drin. Oder?
Zum who-is-who im "Bildungsstreik 2011"
Während beim "Bildungsstreik 2009" viele Basisgruppen und antiautoritäre Strukturen ("Vernetzungstreffen") am Start waren, werden die November-Proteste bundesweit eher (aber nicht nur!) von ML-Sekten (REVO) und Parteijugenden (SDAJ, SDS) getragen. Ein Stück weit fährt der "Bildungsstreik 2011" also unter falscher Flagge! Dies spiegelt sich, wie die RLBO zurecht kritisiert, teils in den Aufrufen wieder - genauso aber in der Form der Organisierung (auf bundesweiten Treffen jetzt üblich: Mehrheitsabstimmung statt Konsens, Aufbau von Hierarchien wie "Koordinierungskreisen", usw.).
Andererseites hat natürlich keine_r ein Monopol auf das Label "Bildungsstreik". Es sollte aber dennoch transparent gemacht werden, dass unter der Verpackung jetzt halt andere Gruppen stecken als noch vor 2 Jahren.
Was tun? Ob mensch den "bundesweiten Bildungsstreik 2011" jetzt boykotieren, durch konstruktives Einbringen Schadensbegrenzung betreiben oder mit einem eigenen Aufruf mobilisieren sollte, steht jede_m offen. Wichtig ist aber, sich dem partiellen Etikettenschwindel bewußt zu werden.
Eine Übersicht von Gruppen und Bündnissen die unter dem Label "Bildungsstreik" in Bochum agieren oder agiert haben gibt es übrigens hier: bildungsstreik-bochum.de
Lob
Cool, dass das Bochumer Protestkommittee auf der Domain bildungsstreik-bochum.de transparent gemacht hab, welche Kampagnen es gab/gibt. Erfrischende Transparenz statt langweiliger Labelpolitik.
schools out for ever...
Die ursprüngliche Bildung?
Der Titel des Beitrags tönt nicht sehr radikal^^
Später, früher...
Das ist wie die Forderung nach weniger Arbeitsstunden, nur dass mensch dabei nicht mal was verdient...
"“Bildung”, der ursprünglich dafür stand, die Menschen unabhängig von gesellschaftlichen Sachzwängen zu kritischen Individuen zu erziehen..."
Für was der Begriff Bildung ursprünglich stand, ist auch Ansichtssache... Ich glaube nicht dass der Begriff Bildung irgendwie eine revolutionäre Perspektive hat... Bildung hat halt immer eine ideale Person als Ziel, die es zu bilden und formen gibt, und das ist in der kapitalistischen Gesellschaft wohl das Konkurrenz-Individuum... Und kritisch ist das durchaus auch, weil ja eine gewisse Kritik dem Kapital durchaus in die Hände spielt...
Und nach Wikipedia: "Bildung ist also ein Prozess, auf den der Einzelne keinen Einfluss hat. Es ist nicht die Aufgabe des Menschen, sich zu bilden."
Auf diese Ursprünge wollt ihr euch doch nicht beziehen, oder?
Ganz allgemein zu den Bildungsprotesten, Verbalradikalismus wie "Uni brennt", "Scheiss Schule" - Aber wirklich auf die Schule scheissen oder die Uni abfackeln würden die als letztes, die sich noch darüber empören dass die Schule das ist was sie schon immer war, und so tun als wäre die Schule doch "eigentlich was anderes" und dass die Abiturenten solch einen grossen Leistungsdruck haben...
Zonk
Der eigentliche Konflikt liegt zwischen selbstbestimmter Bildung, die per Definition Selbstzweck ist und fremdbestimmter Ausbildung, die wirtschaftlich verwertbar ist. Auf der Ebene der Institution ist die Schule auf Ausbildung auselegt, das zeigt sich in der Bedeutung von Noten und Lehrplänen, die fremdbestimmend wirken.
Wenn man aber auf die Straßen geht und für seine Rechte kämpft, muss man auch bedenken, dass die Forderungen umsetzbar sein müssen und selbst willige Bildungspolitiker können das System nicht in dem Maße umdrehen. Dafür ist es viel zu komplex (gerade durch die Verzahnung in der Kultusministerkonferenz) und die Politik zu abhängig von einem giftspeiendem think tank: der Bertelsmannstiftung.
Ich möchte euch raten, zu reflektieren, ob es nicht besser wäre, für weniger Schulstoff, weniger Schulstunden und mehr Angeboten zur freiwilligen Bildung auf die Straße zu gehen, denn das ist leichter umzusetzen.
Wie dem auch sei: auch wenn ich kein Schüler mehr bin freut es mich sehr, dass es Schüler gibt, die intuitiv richtige Bildung von dem unterscheiden können, was Schulen so servieren. Wenn ihr eure Meinung wissenschaftlich kleiden wollt, dann befasst euch mal eingehender mit Wilhelm von Humboldt, von dem kommt euer Bildungsideal.
Viel Erfolg jedenfalls :)