Am Mittwochmorgen, den 28. September 2011 wurden vier AntifaschistInnen aus dem Großraum Stuttgart aufgrund der antifaschistischen Proteste gegen den Naziaufmarsch im Februar 2011 in Dresden mit Hausdurchsuchungen konfrontiert.
Die Sonderkommission 19/2 der Dresdner Polizei, der Dresdner Oberstaatsanwalt mit Mitarbeiterstab, das Baden-Württembergische LKA, sowie regionale BFE-Einheiten drangen nahezu zeitgleich in sieben private Räumlichkeiten ein. Sie beschlagnahmten insbesondere PC´s, Laptops sowie zahlreiche Kleidungsstücke. Die Betroffenen wurden erkennungsdienstlich behandelt und ihnen wurden DNA-Proben entnommen. Zahlreiche Unbeteiligte wurden im Rahmen der Maßnahmen festgehalten und belästigt.
Ein willkürlicher Rundumschlag
Ein minderjähriger Betroffener wurde unmittelbar nach der Durchsuchung der Wohnräume seiner Eltern zum Verhör inklusive erkennungsdienstlicher Behandlung und DNA-Entnahme auf ein Stuttgarter Polizeirevier gefahren.
Bei zwei weiteren minderjährigen AntifaschistInnen die während der Durchsuchung ihrer Wohnräume nicht anwesend waren, wurden in den folgenden Stunden die gleichen Maßnahmen durchgeführt.
In einem Fall suchte die Polizei dafür den Ausbildungsbetrieb des Betroffenen auf und führte im dortigen Pausenraum eine Leibesvisitation an ihm durch. Später wurde er zur ED-Behandlung und DNA-Entnahme auf ein Polizeirevier gefahren. Im anderen Fall drohten die Behörden den Eltern der Betroffenen mit einem Haftbefehl gegen ihre Tochter, sollte Sie sich nicht freiwillig melden.
Im Rahmen der Durchsuchungsmaßnahmen drangen Polizei und Staatsanwaltschaft auch in zwei Wohnungen von Unbeteiligten ein. Im ersten Fall besetzten sie die Wohnung der Eltern eines Betroffenen unter anderem mit vermummten BFE-Beamten für insgesamt vier Stunden. Eltern, Geschwister und Bekannte durften die Wohnung in diesem Zeitraum nicht verlassen.
Im zweiten Fall drangen vermummte BFE-Einheiten in die falsche Wohnung ein: Sie weckten die BewohnerInnen mit gezogenen Waffen in ihren Betten. Einer Bewohnerin wurden unverzüglich Handschließen angelegt, andere mussten mit den Händen an der Wand verharren bis die Beamten ihren Irrtum nach einer halben Stunde einsahen.
Den vier jugendlichen AntifaschistInnen wird vorgeworfen, an den Protesten gegen den Naziaufmarsch am 19. Februar 2011 in Dresden beteiligt gewesen zu sein.
Im Rahmen dessen wird drei von ihnen „versuchte gefährliche Körperverletzung in Tatheinheit mit Landfriendensbruch und Verstoß gegen das versammlungsrechtliche Vermummungsverbot“ vorgeworfen. Beim vierten Betroffenen bleibt es bei der „Beihilfe zur versuchten gefährlichen Körperverletzung“ und „Verstoß gegen das versammlungsrechtliche Vermummungsverbot“. Als Beweismaterial führen die Behörden vor allem angeblich belastende Videoaufnahmen an. Das Videomaterial das auch den Eltern der Betroffenen vorgeführt wurde, besteht dabei aus beliebigen Videozusammenschnitten von Auseinandersetzungen die sich im Rahmen der antifaschistischen Proteste an diesem Tag ereigneten. Erkennbar waren die Betroffenen nach eigenen Aussagen und den Aussagen ihrer Elten dabei nicht.
Wir lassen uns nicht einschüchtern!
Das nachträgliche Vorgehen gegen AntifaschistInnen aus dem Großraum Stuttgart reiht sich ein in die andauernde Kriminalisierung zahlreicher Akteure die an den erfolgreichen Protesten in Dresden beteiligt waren.
Das rechtswidrige Speichern und Auswerten von über einer Million Handy-Verbindungen an jenem Tag in Dresden, die versuchte Kriminalisierung der OrganisatorInnen von friedlichen Blockaden durch den § 129 (Bildung einer kriminellen Vereinigung) sowie andauernde Hausdurchsuchungen gegen AktivistInnen sind Teil des polizeilichen und staatsanwaltschaftlichen Versuches, den erfolgreichen Protest am 19. Februar diesen Jahres im Nachhinein zu delegitimieren und Beteiligte einzuschüchtern.
Wir verurteilen das aktuelle Vorgehen der staatlichen Behörden gegen die betroffenen AntifaschistInnen.
Die Unverhältnismäßigkeit des aktuellen Einsatzes im Raum Stuttgart und das brachiale Auftreten der Beamten zeigt ganz offensichtlich, dass es mit dem Repressionsschlag in erster Linie um ein politisches Signal gegen die antifaschistische Bewegung gehen soll.
Der unvermittelte Einbruch in die Privatssphäre aller Betroffenen, die Einschüchterung ihres sozialen Umfelds und die Willkür der gesamten Aktion werden sicherlich ihre Spuren bei allen Beteiligten hinterlassen.
Dennoch und gerade deshalb sind wir zu der Entscheidung gekommen, uns gemeinsam und politisch gegen den aktuellen Kriminalisierungsversuch zu wehren und an die Öffentlichkeit zu treten.
Gerade jetzt, da die faschistische NPD bundesweit mit hunderten Kommunalmandaten, zwei Landtagsfraktionen und einer intensiven Propaganda-Arbeit Strukturaufbau betreibt und militante Naziübergriffe sich in zahlreichen Regionen häufen, können wir uns durch staatliche Einschüchterung nicht schwächen lassen.
Wir werden es nicht stillschweigend hinnehmen, dass jugendliche AntifaschistInnen zum Experimentierfeld für staatliche Angstmache werden, während die Nazibewegung in der BRD bundesweit am Erstarken ist.
Wir fordern ein Ende der polizeilichen Willkür gegen NazigegnerInnen!
Antifaschistischer Straßenprotest war, ist und bleibt notwendig und richtig. Daran wird keine Form der staatlichen Machtdemonstration etwas ändern.
Einige Betroffene und solidarische AktivistInnen
jugendlicH?
dürfen also nicht jugendliche antifaschisten kriminalisiert werden?^^