Die Diskussion um Intersektionalität ist für linke Tierrechtsgruppen und herrschaftskritische Gruppen mit einem Anspruch, der auf Tiere ausgeweitet ist, ein wichtiger Ansatz, da Speziesismus neben allen anderen Ausbeutungs- und Unterdrückungsideologien analysiert und bekämpft werden kann. Die Intersektionalität verhindert dabei eine menschenfeindliche Positionierung.
In den USA hat sich in den 70er Jahren
eine eigenständige black feminist Bewegung etabliert, weil der
Mainstream der weißen Feministinnen zu ganz anderen und sogar
gegensätzlichen Forderungen kamen. Das lag vor allem daran, dass die
weißen Frauen aus höheren Schichten kamen als die schwarzen und so
Diskriminierungen aufgrund der sozialen Herkunft und der Hautfarbe
irgnorierten. Die schwarzen Feministinnen erweiterten also ihren
Ansatz der Kritik an Seximus um Rassismus und classism (dt. manchmal
Sozial-Rassismus genannt). Dieser Ansatz wurde unter dem Namen “tripple
oppression” bekannt.
Während dieser Ansatz sich auf drei Unterdrückungsformen beschränkte,
begann in den 90ern in der Wissenschaft der weitreichendere Begriff
“Intersektionalität” zu boomen. Dieser leitet sich von intersection
also “Kreuzung” ab, und ist eine Metapher der Juristin Kimberlé
Crenshaw (1989/2010). Es geht darum, mehrere Unterdrückungsformen und
Ausgrenzungsideologien zu untersuchen, die sich überschneiden können,
ineinander verwoben sind und sich gegenseitig beeinflussen. Zu den
bereits angesprochenen kommt beispielsweise Ausgrenzung aufgrund von
Behinderungen, Religionszugehörigkeit, Alter, sexuelle Orientierung usw.
Seit den 90ern wird Versucht die
Ausbeutung der Tiere als eine dieser Unterdrückungsformen neben den
vielen anderen zu analysieren. Dazu gibt es in der klassischen
politischen Literatur viele Ansatzpunkte. Bereits Rosa Luxemburg hat in
ihren Briefen immer die Ausbeutung von Tieren mit der Situation der
Arbeiter_innen oder ihrer eigenen im Gefängnis verglichen (mehr dazu
auf der Homepage der Antispe Tübingen: www.asatue.blogsport.de/). Der
Internationale Sozialistische Kampfbund, der Widerstand gegen die Nazi
organisierte, berücksichtigte auch die patriachale Herrschaft innerhalb
der Arbeiterschaft und die Herrschaft über die Tiere. Max Horkheimer
beschrieb in seinem Text “Wolkenkratzer” die Ausbeutungshierarchie, wo
Tiere unterhalb aller Menschen die schlimmste Ausbeutung erleben
müssen. Auch in Adornos Schriften lassen sich Ansätze finden, wie
Herrschaft über die Natur und Tierausbeutung zur Herrschaft über
Menschen, zu Rassismus und Antisemitismus beitragen (mehr auf der
Textspalte der Homepage der TAN: www.tierrechts-aktion-nord.de). Sowohl
im Forschungsbereich der im englischsprachigen Raum bereits etablierten
human-animal-studies als auch von linken und herrschaftskritischen
Tierrechtsgruppen wird die Ausbeutung der Tiere mithilfe des Begriffes
“Speziesismus” beschrieben und in einen kapitalismus- und
herrschaftskritischen Kontext gestellt. Politische Tierrechtsgruppen
oder herrschaftskritische Gruppen die ihre Kritik auf Tiere und Natur
ausweiten, verwenden Speziesismus als Bezeichunung der Ideologie der
Ausbeutung und Unterdrückung von Tieren, wo diese nicht für
die Existenz des Menschen notwendig sind.
So können sie wie andere linke Gruppen auch eine progressive Politik machen und gleichzeitig für Tierrechte oder Tierbefreiung kämpfen. Wie es die klassische linke Literatur häufig aufzeigt, kann der Kampf gegen die Ausbeutung der Menschen sogar bereichert werden, indem die Ausbeutung der Tiere einbezogen wird.
Die Diskussion um Intersektionalität ist für linke Tierrechtsgruppen und herrschaftskritische Gruppen mit einem Anspruch, der auf Tiere ausgeweitet ist, ein wichtiger Ansatz, da Speziesismus neben allen anderen Ausbeutungs- und Unterdrückungsideologien analysiert und bekämpft werden kann. Die Intersektionalität verhindert dabei eine menschenfeindliche Positionierung, welche unter einigen Tierrechtsgruppen leider immer wieder vorkommt.
Vortrag von Andre Gamerschlag:
Montag, 24.10.2011 um 19 Uhr
Universität Freiburg
Platz der Universität 3
KG 1 Raum 1132
Der Referent:
Andre Gamerschlag ist
Sozialwissenschaftler mit Zusatzqualifikation für und Hauptausrichtung
auf transdisziplinäre Gender Studies und arbeitet derzeit am Institut
für Soziologie der Leibniz Universität Hannover sowie als
freiberuflicher Mitarbeiter im Consulting für qualitative
Sozialforschung.
Er ist seit 2004 Aktivist in der Tierrechtsbewegung und befasst sich
seither mit Human-Animal Studies. Zwischen 2006 und 2010 studierte er
Intersektionalität bei Prof. Dr. Gudrun-Axeli Knapp. Darüber hinaus
befasst er sich mit Methoden der qualitativen Sozialforschung sowie mit
Gesellschaftstheorie, Ungleichheitsforschung, Diversity Studies,
Sexualforschung (inkl. Kritischer und queerer Pornografieforschung) und
Suchtforschung.
Literatur:
Gamerschlag (2009): Einheit der Unterdrückung und (Über-)Kreuzungen.
Theoriegeschichtliche Aspekte des Unity of Oppression-Ansatzes und
forschungsprogrammatische Überlegungen der aktuellen Diskussion um
Intersektionalität. In: Tierbefreiung. Das aktuelle Tierrechtsmagazin,
H.65. S.50-52.
Gamerschlag (2010): Unity Of Oppression, Intersektionalität und Tiere.
Gemeinsamkeiten von Speziesismus und zwischenmenschlichen
Herrschaftsverhältnissen. In: Tierbefreiung. Das aktuelle
Tierrechtsmagazin, H.66. S.54-56.
es ist furchtbar
Ein Gespenst geht um
Zum Vorurteil der "Entwertung des Menschen" durch die Kritik am Speziesismus möchten wir dich bitten, dir einmal diesen Text anzusehen: http://asatue.blogsport.de/2010/07/27/ein-gespenst-geht-um-das-gespenst-...
Diskussion um den Begriff Intersektionalität
Im Kommentarteil zu linksunten.indymedia.org/de/node/49072 gibt's eine (kurze) Diskussion des Begriffs Intersektionalität. Die Kritik dürfte vor allem die (bisherige) Verwendung im deutsch-sprachigen Kontext betreffen.