“Kein Geld macht uns glücklich!” – Zu den “Revolta-Krawallen” vom Wochenende in Basel
Letzten Samstag haben wir uns mit mehreren hundert Leuten rund um den Voltaplatz den Raum genommen, der uns normalerweise verweigert wird. Raum, den wir nur allzu gerne als „Freiraum“ definieren würden. Doch davon kann keine Rede sein.
Vorweg: Wir sind nicht das Sprachrohr der Jugend. Wir vertreten nicht all die unterschiedlichen Menschen, die sich am Samstag Abend auf der Strasse gefunden haben, wir sprechen nur für uns selbst. Es ist uns daher wichtig, Position zu beziehen, ohne einen Anspruch auf Wahrheit oder Allgemeingültigkeit zu erheben. Wir sagen bloss, was wir denken.
Was sich am Samstag Abend rund um den Voltaplatz ereignet hat, war ein Angriff. Eine Reaktion auf das, was uns ständig begegnet, wenn wir durch das St. Johann oder andere investitionstaugliche Quartiere von Basel gehen. Begreift es endlich: Die Stadt und die InvestorInnen haben einen sozialen Konflikt geschaffen, der nun langsam in Gegengewalt umschlägt.
Wart ihr schon einmal auf dem Vogesenplatz, dieser tristen Einöde aus Asphalt und Beton, auf dem es keine Nischen mehr gibt, sondern nur noch geplante Sichtbarkeit? Habt ihr euch schon jemals gefragt, warum so gebaut wird? Warum ein Quartier in kürzester Zeit einen so rasanten Wandel vollzieht? Warum der Robi-Spielplatz, der sich bisher durch seine wilde, ungezähmte Art ausgezeichnet hat, abgerissen und 50m nach vorne verschoben wird, um einer Flaniermeile zu weichen? Zudem: Eine Flaniermeile für wen?
Doch was tun?
Wir haben es längst aufgegeben, uns auf irgendeine Autorität zu verlassen. Es wird einzig für diejenigen gebaut, die das Geld und die Macht mitbringen! Dass die Stadt und die InvestorInnen dadurch aktiv die Verdrängung der „ursprünglichen“ AnwohnerInnen vorantreiben, ist ihnen entweder egal oder aber sie nehmen es billigend in Kauf – solange die Rechnung für sie aufgeht! Sie können noch lange von „sozialem Wohnungsbau“ und (kommerziellen) Freiräumen schwafeln, wir haben es satt!
Was geschehen ist, war eine längst überfällige, aber nach wie vor zögerliche Antwort auf das, was der kapitalistische Umbau der Stadt mit den Häusern, Strassen und Plätzen hier und in vielen anderen Städten anrichtet. Nicht, dass es vorher besser gewesen wäre. Aber das, was gerade geschieht, ist ein steter Angriff auf unseren konkreten Alltag, der nun für einmal erwidert wurde.
Und so stehen wir Goliath, diesem Konglomerat aus Novartis Campus,
Stadtentwicklung und übergeordnet: der kapitalistischen Logik,
gegenüber. Welche Forderungen liessen sich angesichts dieses
übermächtigen Gegners überhaupt formulieren? Wir erwarten nichts und
können es auch gar nicht mehr. So bleibt uns nur noch die Möglichkeit
der Entwertung dessen, was für den Kapitalfluss wichtig ist. Kein Wunder
also, dass die Baustelle und der Christ & Gantenbein-Bau am meisten
Schäden erlitten haben.
Die Polizei weiss genau, weshalb sie sich während der ganzen Party nicht
hat blicken lassen: Auch mit 100 Einsatzkräften wäre sie den gut 300
Feiernden unterlegen gewesen, zumal wir uns unser Fest nicht einfach so
hätten kaputt machen lassen. Die Polizei hätte Strassenschlachten
provoziert, die die jetzigen Sachschäden bei weitem in den Schatten
gestellt hätten.
Nun empört euch!
Die Schlagzeilen und Kommentare eifriger SchreiberInnen sind bereits vorprogrammiert und in ihrer Wiederholung zur Unendlichkeit verdammt: „Harte Strafen!“, „Züchtigung!“, „Schnellverfahren!“, „Militäreinsatz!“. Es wird “Keine Toleranz mehr mit illegalen Hausbesetzern!” gefordert und dabei unterschlagen, dass in den letzten 7 Jahren sämtliche Hausbesetzungen innert weniger Stunden geräumt bzw. mit völlig übertriebenen Polizeiaufgeboten zur Aufgabe gezwungen wurden. Die allermeisten illegalen Parties wurden ebenfalls aufgelöst, Musikanlagen beschlagnahmt und die OrganisatorInnen verzeigt. Wir erleben schon seit Jahren eine Politik der „Nulltoleranz“ gegenüber allem, was den von oben vorgegebenen Rahmen sprengt. Aber das schreckt uns nicht ab. Wir werden weiter machen, wir nehmen uns den Raum, den wir brauchen.
Am Samstag haben wir den Sprung in die Stadt geschafft. Wenn sich
mehrere hunderte Menschen gemeinsam entscheiden, eine Nacht lang einen
Platz für eine unkommerzielle Party zu besetzen und bereit sind, diese
auch gegen Angriffe zu verteidigen, dann ist alles möglich… Vielleicht
treffen wir uns ja nächstes Wochenende auf dem Marktplatz oder besser:
beim Bankverein? Verschärfte Gesetze und mehr Polizei werden daran
nichts ändern.
Was uns amüsiert, ist, wie über die Ereignisse berichtet wird: Es wird von “Krieg” gesprochen und alle sind schockiert über die unfassbaren Ausmasse der Gewalt. Das ist lächerlich – alle, die da waren, können das bestätigen.
Ihr liebt es doch, euch zu empören, um
euch kurze Zeit später wieder im Normalzustand wiederzufinden. Wo
bleiben die Aufstände, wenn die UBS zwei
Milliarden in den Sand setzt, der Wahnsinn der Atomkraft weitergeführt
wird oder die Schweizer Rüstungsindustrie sich an bewaffneten Konflikten
beteiligt? Es gibt tausende solcher Beispiele, die die heuchlerische
Moral dieser Gesellschaft entlarven! Aber schreit ruhig weiter, ihr
disqualifiziert euch nur selbst.
Dieses Mal waren wir diejenigen, die angegriffen haben. Blicken wir in andere Länder, lässt sich erahnen, was die Zukunft bringen wird. Das ist die Situation, in der wir uns befinden.
Geier überm Rütli
Mit der Franken-Euro-Kopplung am Vorabend der vorhersagbaren Billigung des Euro-Krisenpakets durch den obersten Gerichtshof in Deutschland hat die Schweiz bewiesen dass eine Unabhängigkeit der Zentralbank im Sinne der Gewaltenteilung dort ebensowenig gegeben ist wie in der Euro-Zone. Bekanntlich begründeten die deutschen Richter tags darauf ihre Entscheidung damit sich nicht mit Verfassungsfragen in die Außenpolitik des Regimes einmischen zu wollen. Schweizer Richter würden vermutlich nach einer Formulierung suchen welche rechtfertigt dass die Kopplung die plausible Folge davon ist dass ihre Währung nur mit Nazigold gedeckt ist ohne das spezifisch zu benennen. Nun muss in dem Maße wie der Euro gegenüber anderen Währungen abstürzt die Schweiz Franken aushändigen oder wenigstens als Nummerngeld generieren, man hat sich also zur vermeintlichen Rettung der Außenhandelsbilanz die asymmetrische Inflation implantiert. Dadurch werden die Schockwellen welche die Eurozone treffen wenn die Illusionen des Regimes mit der Realität kollidieren auch die Schweiz in vollem Maße mitreißen. Wann die erste Ratingagentur das einstige Kapitalistenmekka anspringt ist wohl nur noch eine Frage der Zeit.