The Challenge: Global Crisis. Proposed Solution: Abolish Capitalism.
Kiel ist Krisengebiet – Ideologieschmiede und Verwertungstaktikfabrik ‚Global Economic Symposium‘ sabotieren! The Times They Are A-Changin‘…
Der Wind der Veränderung scheint die Welt erfasst zu haben. Schlägt
man hier im privilegierten Deutschland die Zeitung auf, oder schaltet
die Nachrichten ein, ist es kaum noch möglich, einen Überblick über die
rasend schnellen Abfolgen tiefgreifender Veränderungen in aller Welt zu
behalten. Ob am Boden liegende wirtschaftliche Großmächte, die
Nuklearkatastrophe von Fukushima oder andere ökonomische und ökologische
Krisen unterschiedlicher Ausprägungen, ob nordafrikanische Revolutionen
oder von Athen bis London über stabil geglaubte westliche Demokratien
hinwegfegende Aufstandswellen – was gestern noch unmöglich schien, wird
heute Wirklichkeit und kann morgen schon wieder von der nächsten
Schlagzeile aus dem Bewusstsein verdrängt sein. All dies scheint hier
trotz alledem unvorstellbar. In einem Land, dessen ökonomische und
politische Macht es auch aus all dem globalen Chaos noch als Profiteur
innerhalb der nationalstaatlichen Konkurrenz hervorgehen lässt und in
dessen Innerem sich Vereinzelung und Selbstverwertung offenbar
überproportional tief in das Sein der Individuen gefressen haben und in
dem Gemeinschaft maximal über Ausgrenzung, Abgrenzung, Elitedenken und
nationalistische Spektakel fühlbar wird.
Und so schwanken wir in diesem Wind zwischen der Erkenntnis dieser
zweifellos historischen Impulse und dem Erleben von „alles ist wie
immer“.
Was allgemein als „Krise“ bezeichnet wird und als kontinuierlich
aufklaffende Brüche in der wirtschaftlichen und politischen Struktur,
die sich in den vergangenen Jahrzehnten um den gesamten Globus gelegt
hat, daher kommt, ist ganz normaler Ausnahmezustand; die Abfallprodukte
im Prozess eines total gewordenen kapitalistischen Gesellschafts- und
Wirtschaftssystems, welches einer Zwangslogik von Profit, Konkurrenz und
unendlichem Wachstum folgt. Zwangsläufig stößt es immer wieder an seine
Grenzen, was sich dann in solchen vielfältigen „Krisen“ ökonomischer,
ökologischer und sozialer Art ausdrückt und ist gezwungen, seinen
Verwertungsdrang auf die Ausbeutung immer weiterer Bereiche menschlichen
Lebens und seiner Umwelt auszudehnen.
Wenn Politik und Medien von ganzen Bevölkerungen sprechen, die „über
ihre Verhältnisse“ gelebt hätten und so die als „Sparmaßnahmen“
verkauften Angriffe auf die Lebensbedingungen von Millionen
rechtfertigen, dann umschreiben sie in kläglicher Einfallslosigkeit nur
die wesenhafte Absurdität des kapitalistischen Wirtschaftssystems: Dass
das steigende Potential zur Versorgung aller Menschen nicht ein Segen,
sondern ein Fluch für das Bestehende ist, und der reibungslose Ablauf
der Maschinerie nur durch künstliche Verknappung bewerkstelligt werden
kann. Denn die Sparmaßnahmen auf der einen, die Lohnkürzungen und
Entlassungen auf der anderen Seite sind genau dies: Die Reglementierung
des Zugangs zu einer nie dagewesenen Menge an Gütern und Möglichkeiten
für eine menschenwürdige Existenz. An diesem einfachen, aber
grundlegenden Prinzip gesellschaftlicher Funktionalität gibt es nichts
zu kontrollieren, zu ordnen, zu reformieren. Die Finanzmärkte, die
Staatsschulden, die Profitraten der Unternehmen sorgen mit einem
dramatischen, aber trotzdem kühl rationalen technischen Mechanismus, für
die Zerschlagung sozialer Strukturen und für die Beschränkung des
Zugangs von Abermillionen zu allem, was unsere moderne Welt doch
angeblich ausmachen soll: Materielle Sicherheit, gesellschaftliche
Teilhabe, Freiheit und Individualität.
Das ist es, was Regierungen und Eliten seit dem Beginn der jüngsten Weltwirtschaftskrise im Jahr 2008 beständig versuchen: Kontrolliert die Welt von einem Regime der Deregulierung in das der deregulierten Knappheit zu überführen. Die zahllosen Debatten folgen letztendlich nur diesem einen Ziel, der Aufrechterhaltung eines sich selbst absurd führenden Systems der Konkurrenz und Ausgrenzung. Alles verändert sich, und doch wird uns nur das urälteste Prinzip dieser gesellschaftlichen Ordnung als ultima ratio jeglichen Denkens vorgesetzt.
Die Platzbesetzungen in Spanien, die Generalstreiks in Portugal und
Frankreich, die Riots in Griechenland und Großbritannien haben uns ihre
Botschaft eindrucksvoll vor Augen geführt: Auch die noch relativ
wohlständigen Metropolen werden fortan wieder verstärkt von der
Krisenhaftigkeit des Kapitalismus heimgesucht werden und im Zuge ihrer
einzelnen Erscheinungsformen wird die gesellschaftliche Transformation
hin zu immer mehr Verknappung und Konkurrenz weniger schleichend
daherkommen, als wir es uns eingestehen mögen. Die Destabilisierung der
Lebensgrundlagen, die in hiesigen Gefilden noch auf dem Wege
bürokratischer Verwaltung unter sachzwangbegründeten Durchhalteparolen
und manchmal Zuhilfenahme des Polizeiknüppels durchgesetzt wird, ist die
„andere Seite der Medaille“ dessen, was im globalen Süden bereits viel
blutiger und mörderischer glänzt: Die militärische Destabilisierung
weiter Regionen dieser Welt zur Durchsetzung hegemonialer
Machtinteressen.
Der Kosovo-Krieg 1999, erstmals seit 1945 wieder unter deutscher
Beteiligung, war noch ein vorbildhaftes Beispiel direkt vor unserer
Haustür, wie ein Land zielstrebig in Elend und Krieg gestürzt und so für
die Übernahme ins europäische Machtgefüge präpariert wurde. Auch der
weiterhin andauernde Afghanistan-Krieg kann noch als ein Beispiel
gelten, welches dem klassischen Bild von als „Internationale
Militärpräsenz“ verharmloster Kriegstreiberei in etwa entspricht und
somit von uns noch mit gewisser Beachtung bedacht werden kann. Leichter
fällt es uns dagegen, die seit Jahren systematisch vorangetriebene
Zerstörung von Lebensgrundlagen der (maximal noch) aufs Minimum
reduzierten Existenzen im Kongo, im Niger, in Ruanda oder in Somalia
fast gänzlich zu ignorieren. Wenn hier, auf der unfruchtbar
zurückgelassen Erde des Kolonialismus, der Kampf ums Überleben seine
ganze Dynamik entfaltet, benötigt der globalisierte permanente
Kriegszustand längst keine Kriegserklärungen mehr, um im Sinne der
einstigen Kolonialmächte weiter die dortigen Bevölkerungen auszubeuten,
ihre natürlichen Ressourcen zu enteignen, Absatzmärkte für die
Rüstungsindustrie zu schüren und potentielle Konkurrenten auf dem
Weltmarkt präventiv auszuschalten. Es genügt das Schaffen von mindestens
temporär wohl gesonnenen Köpfen unterschiedlicher Konfliktparteien mit
Waffen und Geld, die dann die blutige Drecksarbeit vor Ort übernehmen
und der Zugang zu den von der Ökonomie des globalen Nordens dringend
benötigten Bodenschätze bleibt auch im post-kolonialen Zeitalter
kostengünstig unversperrt. Zum Problem und damit zur „Krise“ der
herrschenden Weltordnung wird der permanente Kriegszustand in den
destabilisierten Regionen dieser Welt erst dann, wenn die Warlords oder
anders definierte hochgerüstete Interessengruppen ihre Waffen auf einmal
nicht mehr im Sinne ihrer einstigen Ausstatter erheben. Wenn einstige
westliche Bündnispartner im Kalten Krieg, z.B. Taliban-Gotteskrieger,
anfangen, ihre eigenen reaktionären Interessen zu verfolgen oder aber
wenn Somalis aus ökonomischen Überlegungen heraus, professionalisiert
und bewaffnet westliche Handelsschiffe kapern…
Die ideologischen Grundlagen und Strategien zur Durchsetzung und Aufrechterhaltung des kapitalistischen Systems müssen immer wieder seinen sich stets verändernden Rahmenbedingen angepasst werden – in Krisenzeiten umso mehr. Und dies geschieht nicht nur in den urbanen Metropolen dieser Welt, sondern auch hier in der schleswig-holsteinischen Provinz. Und zwar direkt vor unserer Nase, Anfang Oktober im Hotel Atlantic gegenüber des Kieler Hauptbahnhofs. Die Rede ist vom „Global Economic Symposium“ (GES).
Global Economic… Shit!
Beim GES handelt es sich um ein seit vier Jahren auf Initiative des in Kiel sesshaften Think Tanks kapitalistischer Ideologie „Institut für Weltwirtschaft“ (IfW) und der Bertelsmann-Stiftung jährlich stattfindendes Treffen von Wissenschaftler_innen, Politiker_innen und Vertreter_innen von Wirtschaftsunternehmen, NGOs und Medien. Die ersten beiden Male fand das GES in der schleswig-holsteinischen Kleinstadt Plön statt, wanderte dann für ein Jahr nach Istanbul ab, um ab diesem Jahr planmäßig alle zwei Jahre in Kooperation mit dem Land Schleswig-Holstein und der Stadt Kiel in der Landeshauptstadt zu verweilen. Den Vorstellungen der Veranstalter_innen zufolge soll das soll das Spektakel von nun an im stetigen Wechsel mit jeweils einer internationalen Weltmetropole stattfinden. Für das GES 2012 wurde bereits Rio De Janeiro auserkoren.
Das GES nimmt für sich selbst in Anspruch, konkrete Lösungsvorschläge für mannigfaltige globale Probleme der Sphären „Globale Wirtschaft“, „Globale Gesellschaft“, „Globale Politik“ und „Globale Umwelt“ erarbeiten zu wollen. Die Arbeit an dem, was der global-economic Sprachgebrauch als „Challenges“ bezeichnet, findet dabei vorbereitend im Rahmen des „Virtual GES“, d.h. während einer kontinuierlichen Internet-Debatte das ganze Jahr über statt. Beim GES selber wird dann in kleinen Gruppen diskutiert, um so am Ende „handlungsorientierte Lösungen“ zu präsentieren. Im Gegensatz zu anderen Gipfeln wie den G8-/G20-Treffen, geht es beim GES nicht um pompöse Absichtserklärungen, sondern um das konkrete Erarbeiten von Vorschlägen, die Eingang und Einfluss finden sollen in politische Entscheidungsprozesse. So werden konkrete Handlungsempfehlungen des GES an Institutionen und Entscheidungsträger_innen herrschender Politik, Gesellschaft und Wirtschaft übermittelt, z.B. zu Händen des Internationalen Währungsfonds (IWF), der transnationalen Polizeibehörden Europol und Interpol oder der Weltbank.
Das GES, allen voran sein Hauptinitiator und IfW-Chef Prof. Dennis J. Snower, betont dabei immer wieder, dass es ihm darum ginge, das Leben aller Menschen zu verbessern, das System im Sinne aller zu optimieren und nicht den Interessen einer kleinen Minderheit zu dienen. Man gibt sich alternativ, unkonventionell und offen. Bereits ein Blick auf die Sponsoren- und Teilnehmendenlisten, welche die Namen von Unternehmen wie die Allianz AG, DHL, BASF, Raytheon Anschütz, Suntech Power oder Veolia Environment und hohen Regierungsvertreter_innen wie den des EU-Kommisionspräsidenten José Barroso oder Finanzministern diverser Staaten beinhalten, räumt mit diesem Gerücht auch ohne große analytische Fähigkeiten bereits von selbst auf. Daran ändert auch eine zu verzeichnende auffällig hohe Dichte an Repräsentant_innen sogenannter Schwellenländer und das in diesem Jahr verstärkte Setzen darauf, auch Vertreter_innen einer vermeintlich kritischen Zivilgesellschaft zu integrieren, nichts. War diese vor zwei Jahren in Plön noch an der Durchführung eines Alternativ-Gipfels in Abgrenzung zum GES beteiligt, ist in diesem Jahr z.B. die Grünen-nahe Heinrich-Böll-Stiftung in relevanter Funktion am GES beteiligt. Ebenso werden erstmals Schüler_innen zweier Kieler Schulen eingebunden, die sich seit einigen Monaten in sieben Arbeitsgruppen auf ihre Teilnahme am GES vorbereiten. Nicht nur imagetechnisch ist dies ein cleverer Schachzug: Lässt sich die Teilnahme z. B. von SchülerInnen an dem ansonsten für die Öffentlichkeit geschlossenen Symposium hervorragend medial ausschlachten.
Aber auch mit einer weniger verdächtigen Beteiligtengemeinde gäbe es keinerlei Gründe, irgendwelche Hoffnungen auf vom GES ausgehenden Impulse für menschenwürdigere Veränderungen der Verhältnisse auf diesem Planeten zu verschwenden. Denn ob sich dessen Teilnehmer_innen nun tatsächlich für Weltverbesserer halten, sich nur so inszenieren oder konsequenterweise gleich auf solcherlei Ansprüche verzichten: Sie bleiben bei ihrer angeblichen Suche nach Lösungen für die Probleme dieser Welt in den Denk- und Handelsschranken kapitalistischer Ideologie und Sachzwänge gefangen. Es geht ihnen nämlich nicht um eine Analyse und Kritik des Kapitalismus und seiner Ungerechtigkeiten und Menschenfeindlichkeit, sondern im Gegenteil um seine Aufrechterhaltung. Und wer den Kapitalismus funktionsfähig halten will, muss dessen verwaltende Rahmenbedingungen so einrichten, dass trotz der kaum mehr auszureizenden Fortgeschrittenheit seiner Herrschaft, dennoch neue Märkte erschlossen und Störfaktoren aller Art beseitigt werden; und da die kapitalistische Weltordnung bekanntermaßen nicht nationalstaatlich gleichberechtigt organisiert ist, selbstredend immer so, dass die Privilegien der führenden westlichen Hemisphäre unangetastet bleiben.
So gibt sich das GES etwa mit dem Thema „Insuring the poor“ überaus
humanistisch, wenn es den Ärmsten der Armen mittels Mikroversicherungen
ihr kärgliches Hab und Gut abzusichern in Aussicht stellt. Anstatt aber
nur auf den einfachsten aller Gedanken zu kommen, als Grundlage von
Armut jenen geringen Besitz anzusehen, rechnet sich das GES dann ganz
offen das Marktpotential von 4 Milliarden unversicherten Armen aus…
Versicherungsverkauf statt Umverteilung und gerechte Teilhabe an
Ressourcen – marktideologischer könnte das so „alternativ“ daher
kommende GES gar nicht argumentieren.
Für diejenigen, die wahrscheinlich selbst für die Vorstellungen des GES
zu wenig haben, um noch als Konsument_innen von Versicherungen verwertet
werden zu dürfen, greift man als originellen handlungsorientierten
Lösungsansatz auf das zurück, was seit jeher am Ende jeder Herrschaft,
und sei sie noch so integrativ, steht: Die repressive Bekämpfung dessen,
was nicht integrierbar ist oder sich nicht zu integrieren lohnt.
Diejenigen hunderttausenden Menschen, die jährlich unter Lebensgefahr
versuchen ins abgeschottete und von der Menschenjagdagentur FRONTEX
militärisch bewachte Europa zu gelangen, sollen in der Phantasie des GES
per Computerprogramm in nützliche, weil als Arbeitskraft gebrauchte
sowie Überflüssige, weil nicht verwertbare Migrant_innen sortiert
werden.
Den Umgang mit denjenigen, die statt auf dem beschwerlichen Weg nach
Europa, ihre Existenz mittels Aufbau einer Alternativ-Ökonomie vor Ort
zu sichern versuchen, was zum Beispiel das Kapern von Handelsschiffen
des globalen Nordens umfassen kann, will das GES in diesem Jahr unter
dem Stichwort „Sicherung der Seewege“ behandeln. Passend am Militär- und
Rüstungsstandort Kiel dürfte hier die Perfektionierung der Operation
Atalanta, des NATO-Kriegs gegen die Subsistenz-Piraterie vor Somalia auf
der Agenda stehen. Die Piraterie als naheliegende handlungsorientierte
Lösung für eines der momentan krassesten Probleme der Welt und Kehrseite
des Ganzen zu betrachten – die derzeitige Hungerkatastrophe in
Ostafrika, die Millionen Menschen mit dem Tod bedroht – wird den
selbsternannten Expert_innen dagegen ganz sicher nicht in den Sinn
kommen.
Denn es geht in der irrationalen kapitalistischen Rationalität des GES nicht wenigstens um Hilfe für die zum Verlieren Verdammten dieser Erde, erst recht nicht um die Beseitigung der Ursachen von Armut und Ungleichheit, sondern um die Erschließung von Märkten, das Reduzieren von Menschen auf Konsument_innen und die Schaffung von Wachstumspotenzial, um die realexistierende globale Horrorgeschichte des Kapitalismus von permanenter Krise, Armut, Ausbeutung, Unterdrückung, Krieg und Umweltzerstörung um weitere Kapitel zu verlängern. Nicht nur diese kapitalistische Realität an sich, sondern auch „Problemlösungen“ solcher Art entlarven das GES als das, was es ist: Als eine Ideologiemaschinerie des Kapitalismus und das Gerede von der gerechten Variante desselben wahlweise als blanken Hohn oder naives Wunschdenken.
It’s Time To See Who’s Who Now!
Das GES ist Teil des Problems, nicht Teil der Lösung. Denn die Ansätze der sogenannten Expert_innen, denen das GES ein Forum bietet, beziehen sich auf den Erhalt des Status ihrer eigenen sozialen und politischen Klasse. Das größte Problem für sie dürfte indes sein, wenn sich in anderen Bevölkerungsteilen ebenfalls ein derart selbstbezügliches politisches Bewusstsein breit machen würde. Die Suche nach Lösungen unserer Probleme ist der Ausgangspunkt tatsächlicher Probleme für die Herrschenden: Nach einem Ausweg aus der wirtschaftlichen, sozialen und politischen Kontrolle über unser Leben, einem Ende des Konkurrenzkampfes jede_r gegen jede_n und des Bestehenden. Auf dem GES, wie auf all den Krisentreffen der vergangenen Jahre und Monaten demonstrieren die Befürworter_innen dieses Zustands eine auffallende Einheit; es ist Zeit, ihnen etwas entgegenzusetzen.
Unsere Bezugspunkte sind dabei nicht ihre handlungsorientierten Visionen, auch nicht wenn diese grün verpackt oder im wohlklingenden politikwissenschaftlichen Jargon daher kommen und unser Maßstab nicht die Sachzwänge und die Logik ihrer von Grund auf falsch organisierten Ordnung des menschlichen Zusammenlebens. Auch wenn wir weder alle ihrer Ausdrucksformen, Ziele und Inhalte teilen, noch alle beteiligten Kräfte unterstützen müssen, orientieren wir uns vielmehr an den Revolutionär_innen Nordafrikas, die die ewig geglaubten Herrschaften der Autokraten binnen weniger Wochen erschütterten oder sogar zu Fall brachten, an den hartnäckigen Widerstandsbewegungen gegen die Spardiktate in Griechenland und Spanien oder den jüngsten wütenden Aufständen der Überflüssigen auf den Straßen Großbritanniens. Und auch an denen, die sich nicht so leicht in das Schema unserer westlichen Protest- und Widerstandsvorstellungen pressen lassen und daher von einer Metropolen-Linken nur allzu oft ignoriert werden, weil in ihren weiten Teilen der Welt kaum noch etwas vorhanden ist, was angezündet, geplündert oder bestreikt werden könnte. An all jenen, die Taktiken entwickeln, ihr nacktes Überleben und ihre Würde zu sichern, ob in den ausgehungerten Regionen Afrikas oder in den Flüchtlingsbooten des Mittelmeers. Unsere Solidarität mit all denen, die in aller Welt aus ihrer Realität heraus gegen diese unmenschlichen Zustände kämpfen, hat sich darin auszudrücken, dass wir im privilegierten Hier, wo ein Großteil des weltweiten Elends seinen Ausgangspunkt hat, all die ganze Ausbeutungs- und Unterdrückungsscheiße sabotieren, die sich andernorts noch viel heftiger niederschlägt; dass wir daran festhalten, all die Grenzzäune um das nach wie vor vergleichsweise reiche Europa einzureißen um allen, die es wollen zu ermöglichen, sich ihr Stück vom Kuchen zurück zu holen. Und darin, dass wir von den Erfahrungen aus aller Welt lernen und das Gelernte anwenden, um irgendwann doch noch die ganze Bäckerei auseinanderzunehmen um eine ganz andere, menschenwürdige Perspektive überhaupt denkbar zu machen. Denn was wir aus den Revolten lernen können geht weit über die Wut gegen Armut hinaus. Sie sind Ausdruck einer Neugestaltung des Zusammenlebens, gegen das lebensfeindliche Diktat der kapitalistischen Ökonomie.
Unser Standpunkt in diesem Handgemenge leitet sich von nicht mehr und
nicht weniger ab, als von dem Einfachen, das schwer zu machen ist
(Brecht): Einer vernünftig eingerichteten, egalitären und solidarischen
Gesellschaftsordnung, die jedem Individuum unabhängig von Herkunft,
körperlichen Merkmalen und Leistung die freie Entfaltung seiner
Fähigkeiten und die umfassende Befriedigung seiner Bedürfnisse
garantiert, deren technische Voraussetzungen die Menschheit längst
verwirklicht hat, diese bis heute jedoch bedauerlicherweise bevorzugt
zur Selbstzerstörung einsetzt.
Mit dem GES kann es für uns daher keinen Dialog geben. Unsere Antwort ist vielmehr eine deutliche Positionierung gegen die von ihm vertretene und stetig weiterentwickelte folgenschwere Logik des Kapitals. Wir rufen daher für den 4. bis 6. Oktober 2011 erneut zur tatkräftigen Sabotage der Ideologieschmiede und Verwertungstaktikfabrik GES in Kiel auf.
Für den Untergang des bestehenden Katastrophenzustands!
Für den emanzipatorischen Ausweg aus der kapitalistischen GESamtscheiße!
ANTIKAPITALISTISCHER AKTIONSTAG GEGEN DAS ‚GLOBAL ECONOMIC SYMPOSIUM‘ IM ATLANTIC-HOTEL:
Dienstag 4. Oktober 2011 | 16 Uhr | Hauptbahnhof | Kiel
Infos & Termine:
http://geskiel.blogsport.de