Folgend findet ihr die letzten beiden Interviews der L.I.S.A. (FAS), mit AktivistInnen der Plattform 25. Beim letzten Budget hat die steirische Landesregierung (SPÖVP) ein -25% Einsparung für alle Sozialbereiche beschlossen.
Interview 1:
Einsparungen ist das falsche Wort, für das was hier passiert
Wir versuchen derzeit eine Interviewreihe mit den Aktivist_innen der Plattform 25 zu initieren. Folgende und weitere Fragen haben wir an die Kolleg_innen und weitere Betroffene gesendet und hoffen auf mehrfache Antworten. Hier einmal die erste Rücksendung.
Was bringt dich dazu dich in der Bewegung gegen das steiermärkische Sparbudget zu engagieren?
Diese offensichtliche Ungerechtigkeit und diese Ignoranz gegenüber den Betroffenen und allen Erkenntnissen vom Wert qualitätsvoller sozialer Arbeit für die Gesellschaft.
In welchen Bereich/ welcher Branche arbeitest du? Bist du direkt von den Einsparungen betroffen?
Im Gewaltschutzbereich, in einem Präventionsprojekt gegen sexuelle Gewalt. Das war ja immer schon ein Bereich, in dem wir noch nie zu viele Mittel zur Verfügung hatten – im Gegenteil, steigender Bedarf mit laufend weniger Mitteln.
Sind durch die Einsparungen Klient_innen/Patient_innen von dir betroffen?
Ja, wir haben Wartelisten für unsere Angebote, wie Workshops, Weiterbildungen, Organisationsentwicklungsmaßnahmen etc.
Wie denkst du, wird dein Arbeitsplatz und dein Lebensraum in 3 Jahren ausschauen, sollten die Einsparungen beibehalten werden?
Wir werden immer mehr Energie aufwenden müssen, um notwenige Finanzierungen sicher zu stellen, Stundenreduktionen und kurzfristige finanzielle Verschnaufpausen wie Bildungskarenz etc. gibt es auch jetzt schon immer wieder, bzw. phasenweise.
Was hat deiner Meinung nach zu der Verschuldung in der Steiermark geführt? Hältst du die Einsparungen in irgendeiner Weise gerechtfertigt? Siehst du Alternativen?
Misswirtschaft, Fehlinvestitionen in Tourismus, Wirtschaft und Finanzsystem, Fehlende Kontrolle über Ausgaben, „Freunderlwirtschaft“ zu Großbetrieben, Konzernen, in die Finanzwirtschaft, Verschuldete Gemeinden, die Gelder verspekulieren, Doppelt- und Dreifachgleisigkeiten zwischen Bund, Ländern und Gemeinden, …
Einsparungen ist das falsche Wort, für das was hier passiert. Sparen tut man üblicherweise dort, wo man zu viel Geld verbraucht hat – das sind nicht die Bereiche, die jetzt das Budget sanieren sollen!! Alternativen, natürlich: Gerechtere Verteilung des Reichtums im Land, Vermögensbesteuerung, Besteuerung von Finanztransaktionen, Schotter- und Glücksspielabgabe wie in anderen Bundesländern, Keine Wirtschaftsförderungen für Konzerne, die Gewinne schreiben (!), keine privatisierten Pflegeheime – die ihre Gewinne auch aus dem Sozialbudget lukrieren, keine medienwirksamen Großspektakel wie Zeltweg oder Schladming, hinterfragen von Milliardengräbern wie dem Koralmtunnel,…
Siehst du Zusammenhänge u./o. Ähnlichkeiten mit den Sozial- & Bildungsabbau in anderen Ländern?
Natürlich!
An wen richtet ihr Forderungen? Was könnt/wollt ihr selbst verändern bzw. umsetzen?
An das Land und den Bund.
Wie seid ihr organisiert? wie trefft ihr Entscheidungen? Wie passt ihr aufeinander auf?
Kernteam: Gerhard Zückert und Yvonne Seidler (SprecherInnen der Plattform), Max Oswald oder Bernd Pekari (Grüne), Philipp Funovits oder Georg Fuchs (KPÖ) – bereiten Presseaussendungen, Mails, Reden etc. vor
Organisationskomitee: ca. 15 Personen, Kernteam und Vertreter von Behindertenbereich, Jugendwohlfahrt, Kultur, Betriebsräte, Frauenrat… plant und organisiert, koordiniert Aktionen, trifft Entscheidungen.
Plattformtreffen: Offen für alle Interessierte, Hier wird diskutiert, berichtet, Ideen für Aktionen werden gesammelt, Abstimmungen bei Bedarf (welche Aktionen, Entscheidungen über Ausrichtungen, Haltungen)
Wie trefft ihr Entscheidungen? Was würdest du dir von der Bewegung gegen das Sparbudget wünschen?
Entweder im Plattformtreffen durch Abstimmungen oder im Organisationskomitee.
Berücksichtigt ihr in eurer Organisierung die Bedürfnisse von marginalisierten Gruppen und Menschen (Migrant_innen, Frauen, Menschen mit Behinderungen, …) und falls ja wie?
Im Organisationskomitee sind VertreterInnen aller betroffenen Gruppen.
Welche unterschiedlichen Ziele verfolgt ihr in der Gruppe/Bewegung? Was sind gemeinsame Ziele?
Als Plattform versuchen wir, das gemeinsame Ziel in den Vordergrund zu stellen.
Was wollt ihr kurzfristig erreichen und was soll der Protest auf lange Sicht bewirken?
Kurzfristig: das Budget der jetzigen Landesregierung, langfristig: neue Verteilungsgerechtigkeit
Welche Protestformen haben sich deiner Meinung nach bisher als zielführend herausgestellt?
Am medienwirksamsten (und damit für die Regierung am ärgerlichsten) waren die 3 Großdemos, 25.3., 11.4., 26.4. – das wird’s in dieser Dichte nicht mehr spielen, weil wir nicht glauben, ständig so viele Menschen mobilisieren zu können, andere Protestformen (Kunst im öffentlichen Raum, Tage der Härtefälle etc. sind geplant)
Kannst du dir eine Ausweitung des Protests von der Straße hinein in die betroffenen Betriebe (und darüber hinaus) vorstellen? Welche Hindernisse, Lösungen und Vorzüge kannst du dir hierbei vorstellen?
In vielen betroffenen Bereichen wäre sowas wie Streik für die Öffentlichkeit nicht wahrnehmbar, kleine Kunstinitiativen arbeiten jetzt schon oft mit einer halben Anstellung, in prekären Beschäftigungsverhältnissen, in der Jugendwohlfahrt wär‘s auch schwierig, (Eltern können ja auch nicht wirklich streiken und ihre Kinder nicht mehr betreuen), genauso in Präventionsprojekten wie bei uns – da könnte halt eine Schule ihre Weiterbildung nicht buchen – aber sonst würd das wohl niemand merken… auch im Behindertenbereich kann man Menschen, die Betreuung brauchen, schwer sich selber überlassen – da fehlt mir vielleicht das Vorstellungsvermögen, wie ein Streik aussehen könnte???
Vielen Dank für das Interview & viel Erfolg
Nachträglich gestellte Frage:
Wir von der LISA haben den Eindruck, dass das Mitwirken und Verhandeln des ÖGB dazu neigt die Energie einer Bewegung zu blockieren. („Wir haben dem Sparpaket die Giftzähne gezogen“, sagte der Chefverhandler für die Gewerkschaft, Norbert Schunko am Dienstag nach der letzten Verhandlungsrunde) Wie empfindest du das Engagement des Gewerkschaftsbundes?
Antwort:
Wir haben gewusst dass der Gewerkschaftsbund andere Ziele hat als die Plattform – nämlich niedrigere, nur auf ArbeitnehmerInnen bezogen. Und auch, dass sie ohne die Plattform verhandeln werden. Also das war ein klarer Deal im Vorhinein, dass die Plattform für sich weiter an ihren Zielen arbeitet, und der ÖGB auch. Dass uns als Plattform diese Ergebnisse nicht reichen würden wurde schon während der Pressekonferenz bei der Präsentation klar, obwohl wir da noch nichts Genaueres wussten.
Interview 2:
Hier das 2. Interview mit einem aktiven Menschen der Plattform 25. Wir freuen uns auf weitere interessante & aufschlussreiche Antworten und rufen die interessierte & kritische Öffentlichkeit zur Solidarität auf.
Was bringt dich dazu dich in der Bewegung gegen das steiermärkische Sparbudget zu engagieren?
Mein sozialpolitisches und gesellschaftliches Gewissen und die Tatsache, dass sich die Politik unlauterer Mittel bedient um einen Sparkurs zu rechtfertigen der unseren „vermeintlichen“ Wohlfahrtsstaat – wissenschaftlich erwiesen – langfristig ruinieren wird.
In welchen Bereich/ welcher Branche arbeitest du? Bist du direkt von den Einsparungen betroffen?
Ich bin im Gesundheitsbereich tätig – mein Klientel wird u.A. aus Töpfen der Behindertenhilfe finanziert, also direkt betroffen auf Grund der Unklarheit der Auswirkungen (dies hat direkte Auswirkung auf Durchführungsverordnungen der Landesgesetze).
Sind durch die Einsparungen Klient_innen/Patient_innen von dir betroffen?
Ja, da durch die Einsparungen nicht klar ist, was KlientInnen benötigen um weiters Anspruch zu haben und somit eine Notlage geschaffen wird.
Wie denkst du, wird dein Arbeitsplatz und dein Lebensraum in 3 Jahren ausschauen, sollten die Einsparungen beibehalten werden?
Wenn die Einsparungen beibehalten werden wird sich die Qualität unserer Arbeit danach richten müssen was wiederum dazu führen wird, dass wir unsere Arbeit bzw. den „Erfolg“ dieser – schwer rechtfertigen können. Das wird zu einer Abwärtsspirale führen die meinen Arbeitsplatz und Berufsstand betrifft – auf meinen Lebensraum hat das die Auswirkung, dass ich diesen lt. Satir: Love, Change, Leave – entweder mit allen Mitteln zu verändern versuche oder gehe. (Was übrigens mehrere Menschen tun sollten, dann wirds vermutlich schwierig für die Regierung die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderung zu erfüllen)
Was hat deiner Meinung nach zu der Verschuldung in der Steiermark geführt? Hältst du die Einsparungen in irgendeiner Weise gerechtfertigt? Siehst du Alternativen?
Die Suche nach den Ursachen ist schwierig, da die Verschuldensfrage bis hin in Positionierungen zur Akzeptanz und den Zwang des Kapitalismus zurückreichen bzw. auf den Zeitgeist zurückzuführen sind. Was allerdings außer Frage steht ist, dass ein nicht optimiertes System wie unser Beamtenapperat Geld frisst und weiters Menschen mit Behinderung nicht mehr kompensieren sollen und können, als jegliche andere von den Sparmaßnahmen betroffenen Gruppen. Einsparungen ja – aber VORHER Systemreformation. Daraus ergeben sich nämlich Einsparungen.
Siehst du Zusammenhänge u./o. Ähnlichkeiten mit den Sozial- & Bildungsabbau in anderen Ländern?
Wie dies bei schon vielen Veränderungsprozessen in anderen Bereichen beobachtet werden konnte, wird auch jetzt der „steirische best-practice-sozial-Sparplan“ als Präzedenzfall genutzt. Wenn der Weg einmal geebnet ist und somit die Notwendigkeit quasi belegt ist, kann man im Windschatten agieren. Konkret: Ich glaube, dass auch andere Bundesländer mitziehen werden, da der Wert von Menschen mit Behinderung neu validiert wurde.
Wann ist aus deiner Sicht der Protest erfolgreich?
Wenn unsere KlientInnen das Recht haben gleichwertige Mitglieder unserer Gesellschaft zu sein.Wenn wir als arbeitende Menschen sagen können was unsere Arbeit kostet und die Notwendigkeit gesehen wird diese zu entlohnen. Wenn Expertisen als solche miteinbezogen werden. Wenn einmal länger als nur bis zur nächsten Legislaturperiode gedacht wird.
Welche Protestformen haben sich deiner Meinung nach bisher als zielführend herausgestellt?
Leider noch keine – was mich persönlich eher zu subversiveren Aktionen verleitet, welche jedoch im legalen Rahmen bleiben müssen. Die Verhandlungen, bei denen noch ein paar Krumen hergegeben wurden – bei welchen sich die SPÖVP zu allem Ekel noch damit gerühmt hat Arbeitsplätze gerettet zu haben, sind meiner Meinung nach nicht zielführend, da nicht auf gleicher Augenhöhe.
Kannst du dir eine Ausweitung des Protests von der Straße hinein in die betroffenen Betriebe (und darüber hinaus) vorstellen? Welche Hindernisse, Lösungen und Vorzüge kannst du dir hierbei vorstellen?
Ja, definitiv. Hindernis würde eine temporäre Nicht-Versorgung unseres Klientels sein. Langfristig wäre dies m.M. nach das einzige Mittel um der Gesamtgesellschaft aufzuzeigen was hier geschehen ist.
Streik wäre eine Option, als auch Konkurs/Schließung flächendeckender Unternehmen (nicht als Folge, sondern als Intervention).
Wäre die Verweigerung der Erhebung statistischer Daten gegenüber dem Land Steiermark mittels eines allgemeinen Dokumentationsboykotts ein gangbarer Weg für dich?
Ja, jedoch sehe ich darin ein Problem, da diese Daten auch der Forschung und somit uns selbst Nutzen und uns diese Verweigerungs-“Peanuts“ m.M. nach auch nicht verhandlungsfähiger machen würde.
Hast du weitere Ideen und Vorschläge um das Budget doch noch zu kippen?
Da man mit Argumenten niemanden überzeugen kann, der keine benötigt damit ihm geglaubt wird – denke ich das Aktionismus angesagt ist um Bewusstsein zu schaffen. Härtefälle transparent und öffentlich machen – Grauslichkeiten medial transportieren – unsere KlientInnen juristisch unterstützen und berufen, berufen, berufen…
Wenn die Wählerschaft nicht vergisst was geschehen ist wird es sich lohnen.
Hast du eine Vermutung wie sich der Konflikt weiterentwickeln könnte? Was hältst du für wahrscheinlich?
Ich halte es für sehr wahrscheinlich, dass der lange Atem den breiten öffentlichen Protest ersticken wird und parallel dazu vergessen wird. Weiters wird von Seiten der Politik versucht werden Splittergruppen in der Protestbewegung zu schaffen, denen man dann ein Zuckerl hinwirft. Die werden es keuchend – fast dankend – annehmen und ihre Energiereserven auf das richten, was noch nicht bedroht ist.
Ich halte es aber auch für sehr wahrscheinlich, dass es eine kleine Zahl von Menschen geben wird, die sich aktiv damit beschäftigen wird Auswirkungen öffentlich zu machen.
Wie wäre es möglich den Protest für längere Zeit lebendig und stark zu halten?
In dem Spenden gesammelt werden um einen organisierten Protest finanzieren zu können.
Was würdest du Betroffenen in ähnlichen Situationen (Einsparungen im Kultur-, Gesundheits-, Bildungs- & Sozialbereich, usw.) in den anderen (Bundes-)Ländern empfehlen?
Geht auf die Straßen und legt wenn nötig die Arbeit nieder bevor ihr die Wahl nicht mehr selbst habt.
Braucht ihr Solidarität und was würdest du als hilfreich betrachten?
Definitiv! Wenn nicht für die Situation in der Stmk. dann zumindest präventiv für die anderen Bundesländer. Kundgebungen, Warnungen vor Windschattenaktionen der Politik, Aufklärung über politische Strategien um Menschen zu brechen…
Hast du zum Abschluss für uns noch eine persönliche Empfehlung zum Thema (links, Bilder, Texte, Videos, Musik, …)?
da müsst ich alles linken